die Art der Förderung der neuen Lehre schrieb Wolfgang Gassner aus Bromberg 1555 zwei interessante Briefe an Propst Strall nach Reichersberg. Im ersten vom 27. März berichtet er, daß er im Landtag zu Wien gewesen sei und König Fer dinand die doppelte Steuer verlangt habe, was aber die Landstände abgelehnt hätten. Hierauf habe der König über sie den Stadtarrest verhängt. Nun stimmten sie zu, aber nur unter der Bedingung, daß die hl. Kommunion unter beiderlei Gestalt bewilligt werde. Und im zweiten Brief vom 24. Okto ber gibt er an, man befasse sich damit, die geistlichen Güter einzuziehen und den Geistlichen eine jährliche Besoldung zu geben, damit sie ehelich leben, studieren und Weib und Kind erhalten könnten. Am 4. Jänner 1558 starb Propst Bernhard 1. Strall. Die durch Kompromiß entschiedene Wahl rief Wolfgang Gassner zur Leitung ins Stift. Auch hier hatte inzwischen die Reforma tion bedeutende Erfolge errungen. So wurden in der Kirche anstatt des Chorals Psalmenlieder gesungen, zwei Brüder hatten das Kloster verlassen, und die jüngeren Stiftsmitglie der neigten deutlich zur neuen Lehre hin. Propst Wolfgang, ein ruhiger, starker Charakter, theologisch wohl gebildet und von tiefer Frömmigkeit erfüllt, hatte in seiner Bromberger Pfarrzeit genug Erfahrung im Umgang mit dem Protestantis mus gesammelt. Klug, aber auch energisch vorgehend, führte er Schritt um Schritt zur Zucht, zum alten Glauben und zur Auffassung der Regel des hl. Augustinus zurück. Er versah selbst mit dem Pfarrer die Seelsorge, visitierte täglich die Zellen und hielt von Zeit zu Zeit Kapitel. Bei der Installation, die der Passauer Weihbischof vornahm, wurde auch die Firmung erteilt, die seit Jahrzehnten nicht mehr gespendet worden war. Nicht weniger umsichtig ging Wolfgang daran, die äußerst schwierige finanzielle Lage des Stiftes zu gesunden. Hier halfen ihm seine wirtschaftlichen Kenntnisse, die er sich als Kellermeister und Pfarrer in der Praxis angeeignet hatte. Nach und nach tilgte er die Schulden, die er noch von seinen Vorgängern übernommen hatte, löste verpfändete Güter und Zehente ein, brachte die hohen Be träge auf, die die Türkensteuer erforderte, und baute außer dem die Pfisterei und ein neues, großzügiges Brunnenhaus mit Wasserleitung, das erst 1918 abgerissen wurde, um einer neuen Anlage Platz zu machen. Seine besondere Fürsorge galt auch der Landwirtschaft. Er widmete sich vor allem dem Obstbau, den er sowohl im Innviertel wie in der Waldmark kräftigst förderte. Im Jahre 1560 überreichte er der herzoglichen Regierung in München, die eben dabei war, über die wirtschaftliche Gebarung der Stifte genauere Aufsicht zu üben, einen Plan, wie die Stifts güter in Österreich höhere Erträgnisse abwerfen könnten. Ebenso schenkte er den Privilegien seine Aufmerksamkeit. So bestätigte und erneuerte 1561 Rüdiger von Starhemberg als Erbe der Grafen von Schaunberg auf Bitten des Propstes die Mautfreiheit zu Aschach, und 1562 bestätigte der Passauer Bischof die Mautfreiheit zu Obernberg und Passau für den Inn. Wegen seiner überlegten Verhandlungen auf den Landtagen des Rentamtes Burghausen erwählten ihn die Prälaten zu ihrem Verordneten. Wolfgang I. Gassner starb am 11. Mai 1573 im 78. Lebensjahr. Das interessante marmorne Grab epitaph, welches das Jüngste Gericht darstellt, rühmt mit Recht, daß Wolfgang siebzehn Jahre lang die Leitung des Hauses getreu, umsichtig und tatkräftig geführt habe. Theobald Antißner(1685—1704) Trotz Bauernunruhen und Dreißigjährigem Krieg festigte sich das religiöse Leben im Kloster weiter, und fast alle Chor herren erlangten akademische Graduierungen. Erfolgte das Studium zur Zeit des Humanismus gerne in Wien, so ging man im 17. Jahrhundert vor allem nach Salzburg, Dillingen und Ingolstadt. Der ausgezeichnete Stand der klösterlichen Zucht dieser Zeit zeigt sich am besten darin, daß Reichersberger Chorherren in die Stifte Suben und St. Nikola (Passau) entsandt wurden, um diese zu reformieren. An dieser gei stigen und wirtschaftlichen Blüte Reichersbergs hatte Propst Theobald Antißner bedeutenden Anteil. Er stammte aus dem nahegelegenen und damals noch fürstbischöflich-passauischen Schiffermarkt Obernberg am Inn, wo er 1653 geboren wurde. Sein Vater war dort Konsumtions einnehmer, Weinwirt und von 1650 bis 1652 Marktrichter. Theobald besuchte das Lyzeum in Linz und promovierte zum Magister der Philosophie, 1673 trat er in Reichersberg ein und legte ein Jahr darauf die Profeß ab. Zum Studium der Theologie ging er nach Graz und Ingolstadt. Nachdem er am 26. Februar 1681 in Wien zum Priester geweiht worden war, hielt er die Primizfeier in Bromberg und wirkte anschließend hier als Kooperator. Die Umsicht und Tatkraft, die er in der schweren Zeit der Türkenbedrohung bewies, sowie seine tiefe Religiosität, seine Bildung und das gewandte Auftreten führ ten dazu, daß er, noch nicht 33jährig, fast einstimmig 1685 zum Propst gewählt wurde. Den ausgezeichneten Ruf des Stiftes zu wahren, Kirche und Kloster zu verschönern und die Seelsorge in den Pfarren, vor allem in der Waldmark, zu fördern, waren seine vor nehmsten Aufgaben. Der mächtigen Bauwelle, die der Barock auslöste, konnte sich auch Reichersberg nicht entziehen. Den Anstoß dazu gab der verheerende Brand von 1624, der das gesamte Kloster ein äscherte. Das ganze 17. Jahrhundert hindurch dauerte der Wiederaufbau. Theobald vollendete ihn 1690 mit der Errich tung des südlichen Flügels, der sich in den Hof mit zwei mächtigen Pfeilerarkaden öffnet. Im ersten Stock birgt er den lichten Fest- oder Augustinisaal, den der Münchner Jo hann Abert 1695 in kräftigen Farben freskierte. Im Erd geschoß liegt das Sommerrefektorium mit einem achteckigen Vorraum, dem Lavabo. Antißner ließ beide Räume um 1692 vom berühmten Intelveser Architekten Carlo Antonio Carlone erbauen und anschließend von dessen Bruder Giovanni Battista Carlone meisterlich stuckieren. Auch im zweiten Stock des Südtraktes stuckierten Giovanni Battista und sein Mit arbeiter Paolo d'Allio drei Räume. Dem imposanten Stiftshof gab Theobald mit dem Michaels brunnen 1694 bis 1697 ein beherrschendes Zentrum. Die Delphine und Ornamente am hohen Marmoraufbau des Steinmetzen Gregor Gözinger schuf Michael Bernhard Mandl. Beide Künstler waren aus Salzburg gekommen, während die bekrönende bronzene Michaelsfigur ein Werk des Rieders Thomas Schwanthaler ist. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Prälat stiftete Antißner mehrere sehr schön gearbeitete Paramente mit einem Pasto rale, silberne Leuchter und zwei Brustbilder der hll. Augusti nus und Hieronymus, ebenfalls aus Silber. Die Umgestaltung des Prälaturflügels, für den ihm Carlo Antonio Carlone 1699 einen prachtvollen Entwurf gezeichnet hatte — Wenings Reichersberger Stich von etwa 1700 überliefert ihn —, konnte wegen des Kuruzzeneinfalles in der Waldmark und der Ereignisse des Spanischen Erbfolgekrieges leider nicht mehr durchgeführt werden. Auch den wirtschaftlichen Angelegenheiten widmete sich der Propst mit größter Aufmerksamkeit. 1686 kaufte er den von den Türken 1683 niedergebrannten Freihof in Guntramsdorf bei Mödling mit allen Grundstücken und ließ ihn aufbauen, setzte einen Verwalter ein, der auch die pfarrliche Seelsorge übernahm, desgleichen erwarb er im selben Jahr das abge brannte Tobelgut und bezog es in die Meierhofgründe ein. Die Geldnot infolge der Türkenbedrängnis war groß; die niederösterreichischen Landstände mußten die Steuer verkau-
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