Seit dieser Zeit spitzte sich das Schisma in der Erzdiözese dramatisch zu, da auch der Nachfolger Eberhards, Erzbischof Konrad IL, fest zu Alexander stand, den nun Gerhoch ab 1164 anerkannte. Er vollzog den Anschluß an den Papst nicht ohne schwere Bedenken. Er mahnte ihn, sich vor einem Konzil zu verantworten und tadelte die weltlichen Mittel des Kampfes, das Bündnis mit Sizilien sowie die Übergriffe auf das Gebiet des Staates. Dadurch wurde auch Gerhoch in die großen weltpolitischen Ereignisse hineingezogen, was sich am stärksten darin ausdrückt, daß er von 1162 bis 1165 fünfmal am kaiserlichen Hof erschien, fast immer in Begleitung des Salzburgers, und mit Friedrich I. verhandelte. Auch die Reichersberger Annalen spiegeln ausführlich — oft in persön lichen Eintragungen Gerhochs — die Ereignisse wider und sind dadurch eine der bedeutendsten Quellen zur Reichs geschichte dieser Jahre. Am 29. März 1166 verhängte der Kaiser über Salzburg und ebenso über Klöster und Prälaten — also auch über Reichers berg — die Reichsacht. Gerhoch wurde vor die Entscheidung gestellt, sich zu unterwerfen oder zu fliehen. Er entschloß sich zur Flucht. Der 73jährige Propst mußte diese ergreifen, als am 17. und 25. April und am 8. Mai 1167 Heinrich von Baumgarten nicht nur die Stiftsgüter, sondern auch das Stift selbst überfiel und verwüstete. Beginn und Ende sowie der Ort des Exils sind nicht bekannt, sehr wahrscheinlich Aldersbach, Admont oder Klosterneuburg. In letzterem war Ger hochs Bruder Marquard 27 Jahre Abt gewesen, seit 3. Jänner 1167 sein Bruder Rüdiger. In der Verbannung schrieb er sein letztes umfangreicheres Werk „De quarta vigilia noctis" (Die vierte Nachtwache). Es ist noch einmal eine große Zeitdeutung, und um seine Periode recht zu verstehen, zieht er die Kirchengeschichte, die er in vier Abschnitte teilt, vergleichend heran. Obwohl von tiefer Schwermut erfüllt, zeigt es die noch immer unver brauchte geistige Spannkraft des greisen Propstes. Der Begriff des Antichrists tritt wiederum stark hervor, auch der end zeitliche Bezug der Gegenwart ist deutlich spürbar, nicht zuletzt am Schluß: „Komm, Herr Jesus, komm ins Schiff deiner Kirche, das in dieser vierten Nachtwache in höchster Seenot ringt! Komm, o Herr, und herrsche inmitten deiner Feinde, der falschen Priester, die in deinem Hause feilschen und rauben! Komm, Jesus Erlöser, und schaffe Frieden zwi schen Königtum und Priestertum." Nach seiner Rückkehr ins Stift blieb ihm noch so viel Zeit, daß er die Schäden der Verwüstungen beseitigen konnte. Dann, am 27. Juni 1169, nahm ihn der Herr aus der Welt des Streites, in der er so unerschrocken und unermüdlich für die gute Sache gekämpft hatte,in das Reich des ewigen Friedens. Nach Ansicht Peter Classens, seines bedeutendsten Biogra phen, ist Gerhoch nicht nur nach Rupert von Deutz der fruchtbarste, sondern neben Hildegard von Bingen auch der originellste und gedankenreichste Theologe Deutschlands im 12. Jahrhundert. Darunter litt wieder die Seelsorge, weil sich nun, besonders um die jungen und gering dotierten Pfarren, niemand oder nur schlecht taugliche Geistliche bewerben wollten, was die allgemeine Veräußerlichung des religiösen Lebens und die damit verbundene Unzufriedenheit nur noch steigerte. So ist es begreiflich, daß Luthers Lehre in der Waldmark wie auch im Innviertel raschen Eingang fand. Schon am 12. März 1523 mußte Erzherzog Ferdinand in Wiener Neu stadt, dem Dekanat der Waldmark, kraft eines Mandates alle Schriften, Bücher und Lehren verbieten, die von Luther stammten. Begünstigt wurde die Verbreitung der neuen Lehre durch den Adel, der in der Waldmark fast geschlossen pro testantisch war, eigene Prädikanten einstellte und den katho lischen Geistlichen oft mit Gewalt die Meßfeier verbot. In dieser wirtschaftlich wie geistig so schwierigen Situation trat Wolfgang I. Gassner als 44. Propst seine Amtszeit an. Er war in Ried geboren und kam 1542 nach Reichersberg, stu dierte in Salzburg und hielt seine Primiz im Stift. 1550 scheint Wolfgang als Kellermeister auf, und 1553 wird ihm die Pfarre Bromberg übertragen. Die Waldmark war ihm nicht fremd, weil er als Kellermeister sich oft dort aufgehalten hatte. Der Protestantismus war nun in jede Pfarre eingedrungen, häufig auch der Seelsorger selbst ein Anhänger Luthers. Über Wappen der Hl. Dreifaltigkeit aus einer Handschrift aus der Zeit des Propstes F. Teilenbeck (1415—1468). m ottr-frncuueH /ftttttö tCtl'i-W Wolfgang I. Gassner (1558—1573) Das unruhige 16. Jahrhundert mit seinen politischen, kriege rischen, wirtschaftlich-sozialen und religiösen Umbrüchen brachte das Kloster in vielfache Bedrängnis. Schon 1396 waren die Türken bis in die Steiermark vorgestoßen und wieder holten von da ab laufend ihre Einfälle bis tief ins 17. Jahr hundert hinein. Reichersberg wurde davon doppelt betroffen: einmal durch die Verwüstungen in seinen Pfarren in der Waldmark, zum anderen durch die hohen Türkensteuern. Um diese aufzubringen, mußten Güter verkauft und Pfarr pfründen und Zehente verpachtet werden. Dazu kam, daß die besitzhungrigen Herrschaften, die auf den Burgen der Waldmark saßen, häufig Stiftsgut widerrechtlich besetzten. liös
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