Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 3/4, 1967

Zauber des Rokoko (Spätbarock). Wilhering, Stiftskirche, Plastik vom Hochaltar, meisterliche Arbeit von Johann Georg Übelher (links) und Chororgel (rechts). von 1733 ist für Wilhering bestimmend geblieben bis auf den heutigen Tag. Nun wissen wir, daß Abt Bonus Pömerl gleich nach dem großen Brand den Passauer Bildhauer Josef Matthias Götz gerufen hat; Götz, der mit seiner Werkstatt nicht nur das ganze Donautal beherrschte, sondern sich seinen bayerischen und österreichischen Prälaten auch als Architekt und „Inge nieur" geradezu aufdrängte. In langen Gesprächen mag sich Zug um Zug die Grundlinie für den Wiederaufbau heraus geschält haben. Die Chorwände und das Querhaus der Abtei kirche konnten also im Mauerwerk beibehalten werden. Die alte, ausgebrannte Basilika aber mußte fallen und einer barocken Wandpfeilerkonstruktion weichen, wobei freilich die Außenmauern um je zwei Meter zurückzusetzen waren. Im Westen aber, mit dem alten Strunk als Kern, eine zisterziensische Einturmfassade wie in Zwettl. Götz war ein genia ler Bildhauer, ein flotter Zeichner, ein hinreißender Redner — die Ausführung selber mußte er wohl oder übel den anderen überlassen. Was Wunder, daß er schon nach Jahresfrist, als Abt Bonus Pömerl plötzlich starb, den Laufpaß erhielt und Prälat Johann Baptist Hinterhölzl den Bau ganz dem Maurer meister Johann Haslinger überließ. Hinter Haslinger aber stand wohl der bedeutendste Architekt, den Oberösterreich damals aufzuweisen hatte: der alte Johann Michael Prunner in Linz. Götz gehört also, genau betrachtet, nur das erste Fassaden geschoß, das heute noch das Chronogramm 1734 trägt; viel leicht auch die allgemeine Proportionierung des Turmes, die von fernher ans niederbayerische Aldersbach erinnern könnte. Line Götz-Idee ist auch der Orgelprospekt mit dem großen Mittelfenster wie früher im Passauer Dom, dem prallen Ge ranke von Akanthuswerk, Lngelsputten und Draperien, und zwar in Holz geschnitzt und nicht in Stuck bossiert. Alles andere sind die beiden Linzer Meister, freilich gebunden an vorgegebene Größen, wie etwa die mittelalterlich-überstreckte Länge des Baues selber. Am originellsten ist die Lichtführung: hochsitzende glockenförmige Fenster, die die Helle erst über der Gebälkszone in die Halbkuppeln und Stichkappen wer fen oder auf die quergestellten Seitenaltäre niederrieseln las sen. Im Querhaus aber brechen, vom Laienraum aus unsicht bar, die Flanken selber auf, haben wir das Zusammenspiel großer guarinesker Seitenfenster mit je zwei, drei geschwun genen Oberlichten. Kurios, wie die beiden letzten Fenster laibungen hoch droben schräg geschnitten sind, damit sie abends die letzte Sonne fangen und zum Hochaltar leiten. Freilich, das eigentliche Wunder von Wilhering liegt erst in dem, was man so sachlich „die Dekoration" heißt. Ls ist ein einzigartiges Zusammenspiel von Altären, Blättern, Plasti ken, großem Fresko und quirlenden Stukkaturen, alles schwel lende Kraft und lauter Jubel und doch wieder gebändigt und voll versteckter Symmetrie. Berühmte Bauten dieses 18. Jahrhunderts, Birnau am Bodensee etwa oder Roggenburg in Schwaben, sie erscheinen zahm gegen diese überschäu mende Fülle. So hat man schon seit Rudolf Guby immer wieder nach dem „Innenarchitekten" gefragt und glaubte ihn in Andrea Altomonte gefunden zu haben, dem kaiser lichen „Theatralingenieur" in Wien. Tatsächlich läßt sich aber für Andrea Altomonte nur der Entwurf für den Hochaltar nachweisen. Der Vater jedoch, der gut achtzigjährige Martino Altomonte in Wien, hat sämtliche Altarbilder geliefert, von der Himmelfahrt Mariä für den Hochaltar bis zu den Bauern heiligen der beiden letzten Seitenaltäre. Ls sind Alterswerke . ..... V I 3^ ^ % if ■■ voll dunklem Klang, vom neuen Geist höchstens berührt wie von einem fernen Hauch. Den Himmel des 18. Jahrhunderts macht eben erst der dritte Altomonte auf, Bartolomen, der die Deckenfelder überlassen bekommt und eine barockschwere Marienallegorie hinüberführt in eine rauchig schwebende, oft auch verschwebende Rokoko-Leichtigkeit. Ls gibt keinen Zweifel, daß es die Altomonte waren, die in Wilhering den typisch österreichischen Farbakkord angeschlagen haben, das alte Rot-Braun-Gold des Reichs- und Kaiserstils. Dazu spie lende grüne Lichter wie in Herzogenburg. Der Stukkateur aber, Franz Josef Ignaz Holzinger, der Meister der Prunk zimmer von St. Florian, schmiegt sich dem jüngeren Alto monte an, schleudert Bandwerk und Lambrequins, Wolken säume und Lngelsgestalten in Fülle heraus, faustfertig bis zur Verblasenheit. Nun wird aber meist übersehen, daß 1741, als Altomonte und Holzinger von ihren Gerüsten steigen, auch der Bau selber zum Stillstand kommt. In den trägen Sommerfrieden des Donaulandes fährt nämlich mit einem Mal der Donner schlag des österreichischen Lrbfolgekriegs. In der Nacht zum 31. Juli 1741 nehmen die Bayern Passau weg; am 2. Oktober leisten die oberösterreichischen Stände Karl Albrecht von Bayern in Linz die Landeshuldigung; es folgt der Vorstoß auf Wien und das Einschwenken gegen Prag. Erst mit dem Jahr 1742 können Maria Theresia und der Feldmarschall Khevenhüller die Lage wieder ausbalancieren. Der Krieg flutet nun nach Bayern zurück, aber es mußte noch zum kurzen.

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