Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 3/4, 1967

einen Kunstführer zustande kamen. Ganz zu schweigen von jenen Vorstellungen, die noch lebendig waren durch einen Besuch in der Kinderzeit, wo vielleicht große Karpfen im Wassergraben oder der mißgebildete Kopf eines Kalbes in der Sternwarte am meisten imponierten. Anläßlich solcher Ver änderung im Stifte, wie es die Abtwahl war, konnte einem interessierten Zeitungsleser aufgehen, daß es bei Krems münster um mehr geht als um ein Schulausflugsziel oder um seinen Prälatenwein in der Stiftsschank. Das Image dieses Hauses wird aber doch für viele Besucher durch die Kunst schätze geformt, die hier zu sehen sind. Wenn man durch die Säle der Kunstsammlungen geht und schließlich vor dem Tassilokelch steht, wird sich wohl kaum jemand dem Ein druck entziehen können, daß hier Vergangenheit gegenwärtig geworden ist und zur eigenen Besinnung drängt. Allerdings muß man sich Zeit dazu nehmen. Von vornherein wird der Besucher nicht dazu ermutigt. Denn der äußere Bau, die Fassade, ist nicht so faszinierend wie anderswo. Deswegen landen auch viele Leute, die in Gesellschaftsreisen herbei geführt werden, praktisch nur in der Schank. Höchstens, daß ein Blick in die Kirche gemacht wird. Sie gefällt. Sie vermit telt aber bei dieser Oberflächlichkeit nichts, was dem anschlie ßenden gemütlichen Teil in der Schank standhalten könnte oder neben anderen „konsumierten" Schönheiten unseres Landes bestehen bliebe. Das ist aber nicht nur in Krems münster so. Diese Erscheinungen des heutigen Tourismus sind häufig. Kremsmünster steht also dem Tourismus mit allen positiven und negativen Auswirkungen offen und hat dadurch Möglichkeiten, die früher nicht in dem Maße gege ben waren, dem Menschen zu dienen. Dieser äußerlichste Wirkungsbereich hatte bisher hier weniger Bedeutung. Durch bestimmte Bedürftigkeit des Menschen im Industriezeitalter gewinnt er aber zunehmend an Aktualität. Wir suchen dem Rechnung zu tragen, soweit es uns wirtschaftlich und perso nell neben unseren Hauptaufgaben (Schule, Erziehung, Seel sorge) möglich ist. Wenn aber heute der Fremdenverkehr in Österreich ein hervorragender Devisenbringer ist, so folgt daraus für Kremsmünster nicht, daß das Stift ein Fremden verkehrsbetrieb ist, der viel einbringt. Wir sind kein gewinn bringendes Museum. Wollen es auch nicht sein! Uns sind durch die Ordenszugehörigkeit und durch die Geschichte wesentlichere Aufgaben gestellt, zu denen wir stehen müssen. Das sieht ein Ausflügler nur zum geringen Teil, auch wenn er vielleicht einen Pater mit einer Schar Studenten trifft, die von einem Spaziergang heimkommen. Von unserem ständigen Versuch, Gott und Kirche glaubhaft zu machen — und das ist das Wesentliche für uns — wird er kaum je berührt. Damit wird unser Engagement im Tourismus auf den ersten Blick fragwürdig, weil wir damit anscheinend Kräfte vertun, die wir unserer wesentlichen Bestimmung vorenthalten, und weil durch die Oberfläche, die wir anbieten, das innere Anlie gen verdeckt werden kann. Wenn wir trotzdem Besucher nicht abweisen, ihnen sogar Führungen ermöglichen, und wenn wir die Ausstellungen modernisieren, so sind dafür zwei Gründe maßgebend. 1. Wir können den aufgeschlossenen Menschen über unsere historisch-traditionelle Gestalt (in Kunst und Kultur) hinaus auf unsere Existenz als Zeugen für Gott verweisen. Die Be gegnung kann bei aller Oberflächlichkeit tiefere Schichten be rühren. Vielleicht werden wir darauf im Interesse der Seel sorge in Zukunft mehr Wert legen müssen. 2. Wir wollen den Menschen einen Dienst leisten, der heute notwendig ist. Wir bieten den Städtern — nicht nur aus dem Großraum Linz, Wels, Steyr — die Möglichkeit einer Kultur begegnung und Entspannung,die sie brauchen. Der steigende Tourismus ist eine Reaktion auf die Techni sierung, Industrialisierung und Verstädterung des Menschen. So ist neben der Kulturbegegnung auch die gemütliche Stunde in der Schank und die flüchtige Begehung des Klostergebäudes für uns sinnvoll. Wenn uns dieser Dienst an den Menschen gelingt, erfüllen wir in neuer Form die gleiche Aufgabe, die unser Haus schon immer erfüllt hat: Dem Menschen die Welt in Natur und Kultur als Weg zu Gott zu zeigen. Nur Museum? Ein Kloster, älter als das Heilige Römische Reich, älter als Österreich und Habsburg, und doch mitleidend und mitge staltend ein Stück Österreich, hat aus seiner fast 1200jährigen Geschichte auch vieles bewahrt, was heute noch sehenswert ist. In diesem Sinne hat und ist Kremsmünster auch ein Museum. Gemäldegalerie, Kunstkammer, Rüstkammer, Zimelienraum mit Tassilokelch und Tassiloleuchtern, von ersten Fachleuten Österreichs seit 1960 neu gestaltet; Kaiser saal und Bibliothek; die Unica Austriaca Fischbehälter und Sternwarte sind Anziehungspunkte. Viele besuchen gerade deswegen Kremsmünster. Hier handelt es sich nicht nur um Überreste, die wir bewah ren und präsentieren. Wir müssen sie auch, so gut wir es bei auferlegter Sparsamkeit, mit geringem staatlichem Zu schuß und trotz großer, aber noch nicht ausreichender Mittel vermögen, restaurieren und zeitgemäß instand setzen. Das ist eine undankbare und unbedankte Aufgabe. Schwieriger und weniger spektakulär, als Neubauten aufzuführen. Gebäude, Räume, Dinge sind zu einem guten Teil nicht museal, sondern haben auch heute noch eine lebendige Funk tion. Nicht nur die Kirche, was wohl selbstverständlich ist. Sondern, um nur einige Beispiele anzuführen, auch die Michaelskapelle mit den 1700 Jahre alten Römersteinen im Fundament und dem ersten Altar „versus populum"(= dem Volke zugewendet) in der Diözese Linz aus dem Jahre 1939, wo wir unser Konventamt als Konzelebration feiern. Oder die Sternwarte. Sie ist nicht nur das älteste erhaltene Hoch haus Europas (1748 bis 1758 erbaut); sie ist nicht nur das erste Universalmuseum Österreichs, sie birgt nicht nur kost bare naturkundliche, physikalische, astronomische Sammlun gen, sondern sie steht auch heute als bedeutende Station für Meteorologie, Seismik (Erdbebenmessung) und Luftelektrizi tät in modernster Verwendung. Der Kaisersaal ist Festsaal für Konzerte und festlicher Rahmen für die jährlich stattfindende Schulschlußfeier (Promulgation) des Gymnasiums. Einmal im Jahr — wir sprechen davon, weil es für Kremsmünster spezifisch ist — entfaltet sich da noch für eine halbe Stunde die alte barocke Pracht. Pagen im Dreispitz, die den Abt begleiten und bedienen; Lehrer im schwarzen Professorenmantel und — Zugeständnis an ein bürgerliches Zeitalter — mit Zylinder; der Abt selbst im sei denen Mantel und mit Prälatenhut; feierliche „Intrada" mit Paukenwirbel und Trompeten. Adalbert Stifter, selbst ein Schüler unseres Stiftsgymnasiums, hat die Stimmung der Lehrer, Eltern und Schüler in einem bei dieser Gelegenheit von ihm selbst vorgetragenen Erstlingsgedicht festgehalten. Rezitationen der Schüler in Latein oder Griechisch, in Fran zösisch oder Englisch und in Deutsch umrahmen mit Chor gesang die Preisverteilung, die für die barocken „Buckerl" einer eigenen Regie bedarf. Die besten vier Schüler der vier Klassen des Untergymnasiums erhalten vom Abt Bücher als „Prämien" unter Paukenwirbel und Posaunenschall. Größte Ehrung eines Kremsmünsterer Untergymnasiasten, der als „Prämifer aussiblasn" wird! — Doch auch dieser feierliche Saal wird seinem eigentlichen Zweck als Speisesaal zurück gegeben, wenn sich ein Angehöriger unseres Hauses diesem auf Lebenszeit verbindet oder sich ein Primiziant mit seinen Mitbrüdern und Verwandten hier zum festlichen Mahle ver sammelt. Einmal im Jahr dient der Kaisersaal u. a. den Teil nehmern und Teilnehmerinnen an der „Internationalen Stu-

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