i Mit dem Innenraum der Kirche hat Carlo Antonio Carlone seine größte Leistung vollbracht. Er folgt dem römischen Typus von II Gesu, indem die Emporen der Seitenkapellen die Seitenwand gliedern und das Licht erst über dem Haupt gesimse hereinströmt. Die sehr großzügigen Proportionen geben dem Raum eine pompöse Würde. Der üppige Stuck zierat mildert wohl die Strenge der großen Säulenordnungen, schafft aber doch mit seiner ganz weißen, nur auf den Kontrast der Schatten abgestimmten Oberfläche eine feier liche Distanz zum Beschauer. Die bahnbrechende Leistung Carlones ist aber die Gestaltung der Decke. Zum erstenmal in Österreich wird hier die Kirchendecke nicht als durchgehen des Gewölbe mit allenfalls eingesetztem Bilderschmuck be handelt. In jedem Gewölbejoch öffnet sich eine Flachkuppel mit Scheinarchitektur nach oben in den lichten Himmelsraum. Auf Plastik und Stuck ist hier verzichtet, es herrscht die reine Illusion, wie sie erst kurz zuvor Andrea dal Pozzo in seinen römischen Deckenfresken verwirklicht hatte. Die Münchner Maler Gumpp und Steidl sind die Schöpfer der Florianer Fresken. Bis heute ist nicht hinreichend erforscht, wie weit der Einfluß dieses Kirchenraumes auf die österreichische Barock kunst reichte. Mit ihm setzt der eigentliche hochbarocke Kir chenbau ein. Die Einrichtung dieser Kirche wirkt gegenüber dem gewaltigen Raum, in dem Architektur, Plastik und Malerei eine voll kommene Einheit bilden, fast nebensächlich. In Wirklichkeit hat sie hohe Qualität. Vor allem das Chorgestühl mit den bei den Orgelemporen ist bemerkenswert, wo die im weißen Stuck so distanzierte, deutlich als Architekturmittel figurie rende Plastik nun in Holz verwandelt wird und in Putten und Links: St. Florian, Gartenhaus im Hofgarten, erbaut 1681 von Carlo Antonio Carlone. Rechts: Stiftskirche, Innenraum, Blick gegen Westen zur Orgel empore und „Bruckner-Orgel" von Franz Xaver Krismann. Sämtliche Fotos (ausgenommen das Luftbild): M. Eiersehner. üppigem Laubgeschlinge anmutiges Leben gewinnt. Der Hoch altar wirkt etwas enttäuschend, seine schwere Marmorpracht erscheint steif, und auch den beiden Bildern von Ghezzi fehlt die rechte Proportion. Um so gewaltiger wirkt der Blick nach rückwärts auf die große Orgel. Ihr weißgoldenes Gehäuse fügt sich, obwohl erst 1770 bis 1774 entstanden, großartig in den monumentalen Raum und schafft einen bewundernswer ten Obergang von der schwer geschmückten Westempore zum lockeren Deckenfresko. Das Spielwerk der Orgel ist welt berühmt. Sie war bekanntlich das Lieblingsinstrument Anton Bruckners. Auch das schmiedeeiserne Eingangsgitter und die schwarzmarmorne Kanzel, die erst dem Rokoko entstammt, sind Glanzstücke barocker Kirchenkunst. Mit der Kirche begann Carlo Antonio Carlone den Stiftsbau. Nach Süden baute er die langgestreckte Klosterfront an, wobei die an die Kirche anschließenden Fenster der Marienkapelle eine angenehme Überleitung zu den schier endlosen Fenster reihen bilden. Unter dem breiten Kranzgesims vereinigen sich die Fensterverdachungen des zweiten Stockwerks mit den schweren, jonischen Kapitellen zu girlandenartiger Wirkung. Unter Carlones Leitung war der Bau gerade bis zum Haupt portal gediehen, da starb der Baumeister im Jahre 1708. Als sein Nachfolger wurde Jakob Prandtauer verpflichtet, ein durch seine Tätigkeit für die Stifte Melk und St. Pölten bereits weitbekannter Architekt. Er mußte Carlones Plan für die ganze Anlage übernehmen. Er vermochte aber so viele per sönliche Elemente einzufügen, daß große Teile des Gebäudes Prandtauer'sches Gepräge tragen, ohne die Einheitlichkeit des Komplexes zu stören. Zunächst gab er der langen Klosterfront einen viel stärkeren vertikalen Zug. Das Gelände fällt ab, vor der Kirche liegt es höher als weiter gegen Süden. Daher ist die linke Seite der Fassade nur zweigeschoßig, während die rechte infolge der Terrainsenkung um ein Geschoß mehr aufweist. Carlone wollte diesen Unterschied dadurch ausgleichen, daß er ein Sockelgeschoß einzuführen und somit alle Pflaster in gleicher Höhe anzusetzen gedachte. Prandtauer hingegen läßt auch an der rechten Frontseite die Pilaster am Boden beginnen, ver wischt damit den Niveauunterschied und gibt der langen Fassade eine sehr vorteilhafte Spannung zwischen horizonta len und vertikalen Kräften. Der vertikale Zug äußert sich auch am mächtigen Eingangstor, das alle drei Geschoße über aus kraftvoll zusammenfaßt. Die Bildhauer Bianco und Satt ler, die es ausführten, gaben ihm gegenüber Prandtauers Ent wurf noch stärkere, schwellende Plastik. Ein Glanzstück barocker Raumkunst ist das unvergleichliche Treppenhaus. Im höfischen Zeremoniell des Barocks spielte die Treppe ein wichtige Rolle —,nicht umsonst gehört sie noch heute zu den unentbehrlichen Requisiten der Bühnenarchitek tur. In ungeheurer Raumverschwendung widmet der Barock ganze Gebäudetrakte den Treppen, die so wirkungsvoll der Repräsentation zu dienen vermögen. Gewöhnlich aber er scheint der Stiegenlauf von außen kaschiert, nichts weist an der äußeren Architektur auf die innere Anlage der Stiege hin. Anders in St. Florian: hier bringt der Außenbau in voll kommener Weise die Funktion der steigenden Treppe zur An schauung. Die Idee stammt von Carlone. Um den geraden Lauf der Gänge nicht unterbrechen zu müssen, baute er die Stiege nach außen in den Hof, gleichsam als gedeckte Freitreppe, wie sie auch die Renaissance schon — allerdings nur eingeschoßig — gekannt hatte. Er dachte dabei aber nur an übereinander
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