Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 3/4, 1967

damals aufgefallen, daß sie von den vorderen Wandschichten des Raumes angeschnitten wurden. Diese Wände erwiesen sich bei Untersuchungen, welche im Gefolge der Gemäldekonser vierung von 1956 durchgeführt worden sind, als barocke Ver stärkungsmauern des 17. Jahrhunderts. Man hatte sie, nach Ausweis datierter Graffiti, einige Jahrzehnte nach der Turm erhöhung von 1639 eingezogen. Schon die ersten Tastlöcher stießen am 25. Juni 1957 in ca. 60 cm Tiefe auf gut erhaltene Teile des heute freiliegenden Gemäldebestandes an den Wän den (Abb. 2, Nr. 7-23, I-IV)2^ Die Aufgabe der Denkmalpflege bestand nun darin, eine Lösung zu finden, welche es ermöglichte, die barocken Ver stärkungsmauern ohne Gefahr für den Bestand der West anlage zu entfernen. Das zur Ausführung gelangte Statikerprojekt sah vor: Abfangung der Auflast des barocken Turm mauerwerkes von je ca. 450 Tonnen oberhalb der Gewölbe durch Stahlträger, ihre Umleitung in einen außen um die Türme herumgelegten Stahlbetonmantel von 20 und 30 cm Stärke und Rückführung unterhalb der Gemäldezone in das alte Mauerwerk. Die kirchenseitigen Scheiben dieses Stahl betonmantels sind aus arbeitstechnischen Gründen mit Zug ankern kombiniert. Durch diese Operation wurde das Mauer werk der Gemäldezone aus dem Lastenfluß ausgeklammert. An den alten Gewichtsverhältnissen ändert sich nichts, da die Last der neu hinzugekommenen Stahlbetonstützkonstruktion etwa der des entfernten barocken Verstärkungsmauerwerkes entspricht. Kirche und Kloster stehen auf einer diluvialen Schotterzunge unterhalb der Einmündung der Ager in die Traun, und die Bodenuntersuchungen haben ergeben, daß harter Schlier erst in einer Tiefe von 24 m unter verschieden starken Zonen von Anschüttmaterial, Kies und Sand liegt. Eine in der ersten Planungsphase erwogene direkte Umleitung des Lasten flusses in die Fundamente hätte eine Störung des Gleich gewichtes in der Bodenfuge mit nicht absehbaren Folgen bedingt. Die Last-Rückleitung oberhalb des Bodens ist daher das Prinzip des Statikerprojektes geworden. Sie erfolgte so, daß der zwischen C und D (Abb. 2) eingezogen gewesene und die Gemäldezone anschneidende Läuthausfußboden bis etwa 25 cm unter den Mäander abgesenkt werden konnte. Die Wahl dieser Kote war durch mehrere Feststellungen bedingt. Die wichtigste ist, daß die 182 cm hohe Sockelzone zwischen dem alten Westchorboden und der Gemäldeunterkante unbemalt war. Eine Legung des Bodens auf das alte Niveau hätte die ursprünglichen Höhen lediglich in den beiden Türmen und in dem dazwischenliegenden Joch wiederhergestellt, wäh rend wesentliche Teile des alten Westchores verloren sind und unwiederherstellbar bleiben: die bemalte Westapsis, die Kom munikation der drei Ostarkaden zur Kirche, der Ostarm des Chores und die ursprünglichen Lichtverhältnisse. Weiterhin hätte eine solche Absenkung eine erhebliche Verschlechterung der Sichtbedingungen für die Malereien und die Zerstörung des barocken Haupteinganges in die Kirche zur Folge gehabt. Es erschien daher zweckmäßiger, auf unvollständige und pro blematische Rekonstruktionen zu verzichten und das West chorfragment unter Wahrung möglichst günstiger Sicht verhältnisse für den gewonnenen Freskenbestand bestehen zu lassen^". Die nunmehr ein Dezennium dauernden Arbeiten sind im wesentlichen abgeschlossen. In den beiden vor dem Fresken raum liegenden Räumen ist die Darbietung bedeutenderer, im Zuge des Vorhabens geborgener Grabungs- und Gemälde fragmente sowie die Dokumentation der wichtigsten Arbeits phasen mit Zeichnungen und Modell geplant. Die wegen des Zustandes des Freskoträgers sehr umfangreiche und schwie rige Konservierung der Malereien respektierte den Bestand als Dokument ohne jede Ergänzung. Die Übergabe an die Öffentlichkeit erfolgt am 14. Oktober 1967. Austeilung im Raum und Programm Die Malereien befinden sich im ehemaligen Läuthaus an den Gewölben und Innenwänden der beiden Türme, welche den gegenüber den alten Langhausmauern leicht vorspringenden Querarm des alten Westchores bildeten: an den Gurtbögen und Lisenen sowie in den Zwickeln vorwiegend ornamentaler Bestand, die figuralen Szenen im übrigen Bereich. Von der ehemaligen Apsisausmalung existieren bloß die Fragmente 19 und 20 (Abb. 2); sie liegen an jenen Resten der Nord- und Südwand der Apsis, welche mit den inneren Schmalseiten der Westmauern der beiden Türme identisch sind. Soweit die noch nicht abgeschlossenen technologischen Untersuchungen^'' ergeben haben, handelt es sich um ein echtes Fresko mit teilweisen Seccoauflagen bei vorwiegender Ver wendung von Erdfarben. Geometrische Hilfslinien, mit in Ocker eingefärbter Schnur und mit dem Schnurzirkel ge schlagen, lassen sich nachweisen. Der Farbaufbau ist in großen Partien vollständig erhalten, in anderen Teilen gibt es Fragmentierungen und Fehlstellen. Zahlreiche Graffiti des Mittelalters und der Neuzeit finden sich in den unteren Gemäldepartien; mehrere sind datiert. Ihre Erfassung und Auswertung steht noch aus. Das Programm der Westchorausstattung läßt sich, da die Apsis fehlt, nicht vollständig angeben. Vorhanden sind 23 Szenen und Szenenfragmente mit Darstellungen aus der Kindheits- und Jugendgeschichte sowie dem öffentlichen Wir ken Christi bei auffallender Betonung der Magier- und Herodeshistorie, ferner vier teilweise stark beschädigte alttesta mentarische Standfiguren. Einige Szenenfragmente sind nicht exakt bestimmbar. Mit Ausnahme der Kirchenseite zeigen alle Wände zweizonige Anordnung der Bildfelder. Sie muß sich, nach Ausweis der Lage der Fragmente 19 und 20, an der Nord- und Südwand der Apsis fortgesetzt haben. Chronologie des Geschehens und Lesefolge decken sich nicht durchgehend; es kommt auch die Reihung der Darstellungen im Gegen sinne vor. Immerhin ist im wesentlichen eine chronologische Abfolge in Schichten von oben nach unten feststellbar. Offen bleibt die Frage nach den Darstellungen in der Wölbung, an der Westwand und in den oberen Registern der Süd- und Nordwand der Apsis sowie allenfalls in den seitlichen Annex räumen, schließlich, in weiterer Folge, nach dem Programm des verlorenen Langhauses und Ostchores des Erstbaues. Wir haben es mit dem — immerhin ansehnlichen — Teil einer Kirchenausstattung zu tun, die ursprünglich reicher gewesen ist. Die Schwerpunktbildung des erkennbaren Teiles der Gesamt ausstattung um die Theophanie und assoziierbare Inhalte ist von liturgischen Gepflogenheiten mitbestimmt worden. Nach gewiesen ist ein inhaltlicher Nexus zwischen geistlichem Drama^® und dem Epiphaniebild der Mittelkuppel. Ferner ist die Häufung der Evangelienlesungen um das Epiphaniefest und seine Nachfeier für die frühmittelalterlichen Perikopenlisten, von denen auch Lambach mindestens eine besaß-', als Parallelerscheinung zur Gegenstandsauswahl auffallend, ohne daß stringente Übereinstimmungen zwischen Perikopenund Bildordnung nachweisbar wären. Inhaltlich verbindlich sind die Bibel und ihre Exegese, das Magierspiel, die Ver arbeitung apokrypher Elemente und der jüdische Schriftsteller Josephus Flavius (37 — um 95 n. Chr.), bzw. der sogenannte Hegesippus, eine dem 4. Jahrhundert angehörende lateinische Bearbeitung seines Bellum Judaicum. Es ergibt sich folgende Übersicht der Darstellungen (Abb. 2). 1 Magier vor Merodes und den Schriftgelehrten^". In einer konzentrisch angeordneten Architektur, welche Jerusalem mit dem Königspalast darstellt, thront Herodes, zu seiner Linken die fragenden Magier, gegenüber die scrutatio prophetiae (Erforschung der messianischen Weissagungen) durch die scribae (Schriftgelehrten), von denen der vorderste das auf-

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