Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 1/2, 1967

die Höhle im Raucherkogel nächst der Ischlerhütte. Im vergan genen Jahr fand eine Verbandsexpedition statt, an der rund 75 Personen teilnahmen. Sie wurde vom Landesverein für Höhlenkunde in Oberösterreich organisiert und hat präch tige Ergebnisse gezeitigt. Was ursprünglich ein nicht allzu großes Objekt zu sein schien, erwies sich als eine Riesen höhle — zum Teil labyrinthartigen Charakters. Bis jetzt wur den nahezu 10 km an Gängen vermessen. Die Forschungs arbeit begann im Jahre 1961. Nach der großen Expedition, die noch viel Arbeit übrig gelassen hat, kann man erkennen, daß die Höhle alles enthält, was wir nur denken können — Großräume, interessante Kleinformen, Eis, Tropfstein, Schlufstrecken voll nassen Lehms — nur eines fehlt — ein größerer Wasserlauf, der wenigstens einen Teil zur aktiven Wasser höhle stempeln könnte; doch dazu liegt das Objekt zu hoch im Berg. Ob etwa ein tiefer unten liegender Teil diesem Typus angehört, ist noch unbekannt. Noch ein Hinweis auf das Höllengebirge, das viel richtiger Höhlengebirge heißen müßte! Touristen ist bekannt, daß in der Gegend des Hochleckens eine große Höhle vorhanden ist. Auch sie enthält Riesenräume, deren Ausmaße gigantisch genannt werden können; sie ist nicht ohne Schmuck. Immer wieder hören wir vom Schmuck. Lassen Sie mich erklä ren, wie derselbe entsteht! Zum Entstehen einer Höhle im verkarstungsfähigen Gestein (zur Speläogenese) ist eine tektonische Vorbereitung notwendig. Beben-, Hebungs- oder Faltungskräfte bereiten das Gestein vor. Es entstehen Risse und Klüfte — auch Schichtfugen sind vorhanden. Aggressive Wässer (das Regenwasser nimmt Kohlendioxyd aus der Luft auf) greifen das Gestein an. Es wirkt die Schicht- und Kluft fugen entlang. Es vergehen vielleicht Jahrhunderte, bis sich ein größerer Hohlraum bildet. Nun trägt das Wasser Sandkörner und Steinchen mit sich. Sie reiben und vergrößern die Hohl räume. Und es vergehen Jahrtausende, bis das Stehende (das sind die Wände) den Druck des Hangenden nicht mehr trägt. Es kommt zu Ausbrüchen (die Wände brechen schalenförmig ab) und zu Deckeneinstürzen. Wir sprechen hier von Versturzräumen. All diese Vorgänge bedeuten Raumerweiterung! — Wer einmal durch die Dachstein-Eishöhle oder die Mammut höhle gegangen ist, wird sich solcher Stellen erinnern. — Hat nun der Raum seine vorläufige Endformung erreicht, dann beginnt unter entsprechenden höhlenklimatischen Bedingun gen das Stadium der Raumfüllung; Tropfsteine entstehen — an anderen Stellen bildet sich Eis. Lehm wird abgesetzt; er kann autochthon, das heißt an Ort und Stelle entstanden, oder deponiert (eingebracht und abgelagert) sein. Nun blüht der Stein! Wer einmal nur einen von Kristallen erfüllten Raum in einer Höhle gesehen hat (etwa in der Eisriesenwelt bei Werfen, Salzburg, die Diamantenreiche), wird dem Aus druck „Blühen" zustimmen. Wieder vergehen Zeiträume, deren Dauer unserer Vorstellung nicht zugänglich sind — dann altert die Höhle. Der Tropfstein trocknet aus, er verliert seinen Glanz und wird unansehnlich. Und dann stürzt die Höhle zusammen. Sie hat ihren Ent wicklungsgang beendet. Wir stehen vor einer Höhlenruine. Bevor wir zum Schluß kommen — wieder einige Höhlen hinweise! Die Kreidelucke im Bereich des Stromboding vor Hinterstoder ist in einer Trockenperiode unschwer zu befahren. Im Warscheneckgebiet befindet sich das Italienerloch, das einstmals ansehnliche Mengen von Onyxsinter führte. Die Italiener — aber nicht sie allein — haben die Bestände gehoben. Onyxsinter ist eine sehr schöne Form — ein gestreifter Sinter, dessen einzelne Lagen verschieden gefärbt sind — von einem hellen Honiggelb, ja fast Weiß bis zu tiefdunklem Braun. Wenn man einen derartigen Brocken in die Hand bekommt, sieht man ihm kaum an, wie schön seine Schliff fläche sein kann. Nicht allein der Speläologe (der Höhlen forscher), auch der Geologe, der Geomorphologe, der Minera loge und der Petrograph kommen in der Höhlenforschung auf ihre Rechnung, ebenso der Zoologe und der Botaniker. In den Höhlen leben unzählige kleine Käfer, blinde Tierchen, kaum einen halben Zentimeter groß, und doch war es ein Arctaphaenops, der — er wurde, wenn ich mich richtig entsinne, 1928 im Dachsteingebiet gefunden — eine Eiszeittheorie über den Haufen warf. Im Jahre 1961 war es ein Pseudoskorpion (Neobisium), dessen Auffindung in einer Höhle bei Bad Aussee in der Fachwelt eine Sensation bedeutete. Ich erinnere mich noch gut, mit welcher Freude der Referent des Landund Forstwirtschaftsministeriums damals dieses Prachtstück auf dem III. Internationalen Kongreß für Speläologie vor zeigte. Noch eine Frage möchte ich anschneiden: die Bestimmung des Alters von Tropfsteinen, also Sinter. Man bemüht sich seit einigen Jahren mit der Radikarbonmethode darum (es geht um den Gehalt an Kohlenstoffisotopen); die Ergebnisse sind großartig. Damit wäre ich nun zum Schluß gekommen. Ich habe ver sucht, den Kreis abzuschreiten, einen raschen Blick in unser Forschungsgebiet zu gewähren. Vielleicht habe ich irgend jemanden vom Höhlenbesucher zum Höhleninteressenten, sogar zum Höhlenforscher gewinnen können. Dazu Glück auf oder Glück tief, wie wir zu sagen pflegen.

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