Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 1/2, 1967

des Gefälles und ein starkes Eintiefen der Flüsse erkennbar wird. Anderseits tritt aber auch eine absolute Absenkung der allgemeinen Erosionsbasis infolge Rückzuges des Meeres ein^ wobei dieser Betrag sich als Hebung des Entwässerungs niveaus in der Landschaft auswirkt. Der Meeresspiegel, dessen Fläche (Seehöhe = Null) als all gemeine Erosionsbasis gelten kann, wurde seit dem Miozän von Oberösterreich, vom Linzer-Raum, schrittweise gegen Osten bis in das Schwarze Meer verlegt. Auf dieses Niveau hat sich die Donau in ihrer Entwicklung mit einer der Weg länge entsprechenden Gefällshöhe jeweils eingestellt und wurde gleichzeitig zur Erosionsbasis ihrer Nebenflüsse. Da die Donau beim Verlassen Oberösterreichs östlich von Grein 217 m über dem Meeresniveau bzw. in Linz bei 250 m fließt, ist diese mit dem kristallinen Grundgebirge fest ver ankerte Höhe der absolute Hebungsbetrag der allgemeinen Erosionsbasis seit dem Meeresrückzug. Entsprechend dem Donaugefälle wird dieses Niveau im Westen immer höher, und ihm müssen alle Nebenflüsse ihr Gefälle anpassen, so daß die Donau für fast ganz Oberösterreich den tiefsten Punkt der möglichen Einschneidung für alle Gerinne festlegt. Nur im nördlichsten Mühlviertel, wo die Bäche gegen Norden fließen, wird die Höhe der allgemeinen Erosionsbasis von der Moldau bestimmt. Mit der Landhebung fand daher außer dem Meeresrückzug auch eine Eintiefung der Flüsse auf die jeweilige Donauhöhe statt, und diese Absenkung der örtlichen Erosionsbasis ist an der Landschaftsgestaltung deutlich sichtbar. Denn die Land schaft ist das Spiegelbild dieses Geschehens, zeigt jedoch nur die Differenz zwischen der gesamten Landhebung und der Hebung des Entwässerungsniveaus, da die Gerinne ihr Gefälle erst nach und nach an die Absenkung der allgemeinen Erosionsbasis anpassen können. Der Gesamtbetrag der Landhebung muß daher als Summe der relativen Absenkung der örtlichen Erosionsbasis in der Land schaft und der absoluten Absenkung der allgemeinen Ero sionsbasis, die jedoch als Hebung des Entwässerungsniveaus des Hauptgerinnes aufscheint, berechnet werden. Letztere ist nur großräumlich und geologisch faßbar, denn sie wird ver ursacht durch den Rückzug des Meeres, dessen Niveauver änderungen aber nur am Festland, im Schwanken der See höhe erkennbar sind, so daß der Meeresspiegel als Seehöhe Null absolut gewertet werden muß.' Die jetzige Höhenlage eindeutig datierbarer Ablagerungen und damit im Zusammenhang stehender Landschaftsformen sind somit Zeugnisse tektonischer Vorgänge, und aus ihnen kann außer dem Gesamthebungsbetrag der Landschaft auch ein Vergleich zwischen den zeitlich verschiedenen Hebungs phasen gezogen werden. Da hochgelegener Schotter, aufgelassene Flußarme, höhere Terrassen und Verebnungsflächen die Landhebung anzeigen, dient ihre Datierung und ihr höhenmäßiger Unterschied zur Bestimmung des Hebungsvorganges, der epirogenetischen Be wegung in einer bestimmten Zeit, und diese Auswirkung der Tektonik führt zu einer unterschiedlichen Landschaftsentwick lung der einzelnen Regionen. Der andauernde tektonische Vorgang veranlaßte nicht nur die Landwerdung des Alpenvorlandes und die Heraushebung der Böhmischen Masse, sondern bewirkte auch die Höherschal tung der Alpen zum Hochgebirge. Sie bedingte einerseits den Wandel ehemaliger Landschaftsformen zu neuen Gestaltun gen, und anderseits verursachte sie in Verbindung mit anderen klimatischen Faktoren jene Klimaveränderung, die zur Eiszeit führte, indem weite Flächen des Alpengebirges oberhalb der damaligen Schneegrenze zu liegen kamen. Durch dieses kli matische Geschehen wurden im Zusammenwirken mit der Tektonik nicht nur die Tieferverlegung der Flüsse bei Glet scherrückzug, sondern auch die großen Aufschüttungen bei Bild rechts: Landschaft des Donautales oberhalb von Aschach, Blick von Schloß Neuhaus flußabwärts gegen Südosten. Der Donaustrom fließt tief eingeschnitten im kristallinen Grundgebirge. Über dem steilen, bewaldeten Talgehänge breitet sich ein pliozänes Flächen system aus. Gletscherhalt bzw. bei Gletschervorstoß bewirkt und das jetzige Landschaftsbild geschaffen. Diese jüngsten erdgeschichtlichen Ereignisse sind in der Land schaftsentwicklung deutlich erkennbar und, ausgehend von der Jetztlandschaft der Gegenwart, können aus den gesicher ten Beweisen, wie Fossilien (Braunkohlenlager) und Ablage rungen, sowie von der jeweiligen Erosionsbasis der Donau die ehemaligen Landoberflächen in Oberösterreich abgeleitet und der Landschaftswandel in den verschiedenen Zeitepochen dargestellt werden. Das gegenwärtige Landschaftsbild der drei Großregionen (kristallines Grundgebirge, Alpengebirge und Alpenvorland) ist morphologisch mit folgenden Seehöhen charakterisiert: 1. Für das kristalline Grundgebirge wurde der Sternstein, derzeit 1125 m Seehöhe, als Beziehungspunkt für die Land schaftsentwicklung ausgewählt. 2. Für die Nördlichen Kalkalpen bieten sich der Hohe Dach stein, mit rund 3000 m, sowie das Plateau „Am Stein" mit rund 2100 m jetziger Seehöhe an. 3. Für das Alpenvorland ist der Göblberg im Hausruck mit 800 m derzeitiger Seehöhe ein gegebener Fixpunkt. 4. Als Erosionsbasis fast aller oberösterreichischen Flüsse (nur im äußersten Norden des Mühlviertels fließen etliche kleine Gerinne zur Moldau) muß die Donau gelten, die von Passau (287 m) bis Grein (217 m) auf einer Strecke von rund 150 km ein Gefälle von 70 m hat. Ein ähnlicher Niveauunterschied ist auch zwischen Linz und Wien, indem die Donau bei einer Weglänge von 200 km von 250 m Seehöhe auf 150 m abfällt, östlich von Wien jedoch wird das Gefälle der Donau bedeu tend geringer, da sie für rund 1900 Stromkilometer bis zum Schwarzen Meer nur einen Höhenunterschied von 150 m zur Verfügung hat. Dieses sehr geringe Gefälle der Donau bis zu ihrer Mündung ist bedingt durch den Rückzug des Meeres aus der Ungarischen Tiefebene in der Alteiszeit, der aber auch bei der Landschafts entwicklung Oberösterreichs berücksichtigt werden muß. Von den rund zwei Milliarden Jahren der geologischen Erd geschichte, seit der Urzeit der Erde, da der feurig-flüssige Planet abgekühlt ist und eine feste Erdrinde sich gebildet hat, können aus dem Landschaftsbild nur die Ereignisse der letzten Phasen des jüngsten Erdzeitalters gedeutet und geklärt wer den. Wie bei jeder Geschichtsbeschreibung, verlieren sich auch in der Landschaftsgeschichte mit zunehmender Vergangenheit die sicheren Anhaltspunkte, denn die überlieferten Belege und Beweise sind nicht mehr eindeutig zusammenfügbar, so daß zwar noch relativ zeitliche Beziehungen, aber keine absoluten Datierungen möglich sind. Überhaupt wird die Zeitfixierung zum größten Problem der Landschaftsforschung, denn die Entstehung der älteren Land oberflächen kann zeitlich nur mit vorhandenen Ablagerungen und Fossilien oder mit geologisch-tektonischen bzw. klimati schen Geschehen in Verbindung gebracht werden. Die landschaftsgeschichtliche Zeit ist gleichsam die Gegen wart der geologischen Erdgeschichte, und im allgemeinen ist nur die Landschaftsprägung der jüngeren Erdneuzeit, des Jungtertiärs, und des Quartärs überliefert, so daß die mor phologische Entwicklung im besten Falle nur von den letzten 15—20 Millionen Jahren, das ist kaum 1 Prozent der gesamten Erdzeit, rekonstruiert werden kann.

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