Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 1/2, 1967

Vinzenz Janik Die Landschaftsgeschichte Oberösterrcichs Fotos; H. Wöhrl Von den bewaldeten Kuppen des Mühlviertels bis zu den schneebedeckten Felsgipfeln des Hohen Dachsteins, von den breiten Talauen des Inns und der Salzach bis zum engen Durchbruchstal der Enns breitet sich eine reichgegliederte Landschaft aus, die nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihrer erdgeschichtlichen Vergangenheit anziehend und eindrucksvoll wirkt. Ja, gerade letztere verursachte den Formenreichtum und die landschaftliche Vielgestaltigkeit Oberösterreichs, und gleich wie man aus einem menschlichen Antlitz, aus dessen Falten und Runzeln, sein Alter und Schicksal herauslesen kann, wird aus Höhenzügen und Tälern, aus Verebnungen und Fluß läufen die Geschichte dieses Landschaftsraumes offenbar. Landschaftsgeschichte dient, wie jede Geschichtsschreibung, dem Bewußtwerden der Vergangenheit, und so sei versucht, uns Kurzlebigen und Raschvergänglichen am ScheinbarUnveränderlichen der Landschaft die Stetigkeit des Werdens und den Millionen von Jahren umfassenden Gestaltungs prozeß darzustellen. In verwirrender Vielfalt sind vor unseren Blicken die Land schaftsformen ausgebreitet: Berge, Hügel, Täler, Hänge, Ver ebnungen, Kuppen, Terrassen, Felswände, Kare, Moränen, Seen und sonstige Gestaltungen werden als unterschiedliche und besondere Eindrücke erschaut, und dennoch fügen sich alle diese morphologischen Eigenarten in eine geschlossene räumliche Sicht und in eine sinnvolle zeitliche Reihung. Man erkennt Zusammenhänge, man begreift Ordnung und ein fache Gesetze, durch die ein solch überwältigender Formen schatz aufgebaut wird. Den Schlüssel zur Landschaftserforschung liefert uns die Einsicht des Baumaterials und das Verständnis der wirkenden Kräfte in ihrem zeitlichen und räumlichen Ausmaß; nach dieser Erkenntnis bietet sich die Landschaft dar wie ein aufgeschlagenes Buch, dessen Schrift, wenn auch manchmal verschnörkelt und erst nach längerem Studium lesbar, dennoch verständlich und offenkundig ist. Daher muß die Landschaft zuerst als Ganzes erlebt werden, ehe man sie zergliedert und ihren Formenwandel untersuchen kann. Das Land Oberösterreich besitzt ein vielfältiges und gestalt reiches Aussehen, womit seine bezaubernde Schönheit zu sammenhängt, und obwohl jeder Landesteil seine eigene Entwicklung hat, bleibt diese unverständlich ohne allgemeine Kenntnis der Landschaftsgeschichte des ganzen Raumes. Die Formenmannigfaltigkeit und die stark gegensätzliche Landschaftsgestaltung ist bedingt durch die Verschiedenartig keit des Baumaterials und der wirksamen Energien in der erdgeschichtlichen Zeit, doch bevor man die Vorgänge der Landschaftsentwicklung aufzeigt, die nur aus den letzten Epochen der Erdgeschichte überliefert sind, muß man das ältere geologische Geschehen betrachten, und auf Grund dessen kann das Land Oberösterreich in folgende drei Großregionen gegliedert werden; 1. das kristalline Grundgebirge, 2. das Alpengebiet, 3. das Alpenvorland, wobei jeder Bereich einen eigenen Landschaftstyp in bezug auf Gestein, Alter, Höhenlage und Ausmaß der wirkenden Kräfte veranschaulicht. 1. Das kristalline Grundgebirge Der älteste Landschaftsteil Oberösterreichs ist das kristalline Grundgebirge der Böhmischen Masse, das im Norden des Landes das Mühlviertel und den Sauwald aufbaut. Diese Südumrahmung Böhmens streicht von Nordwest gegen Süd ost, und der oberösterreichische Anteil (bis zur Staatsgrenze) ist ungefähr 30 Kilometer breit. Dieses starre Massiv wurde im Erdaltertum zur Steinkohlen zeit, vor etwa 250 Millionen Jahren, aufgefaltet und ist ein Teil des variszischen Gebirgszuges, der sich von der Südküste Englands bogenförmig über Frankreich, Mitteldeutschland und Böhmen gegen Osten hinzieht. Im weiteren Verlauf der Erdgeschichte wurde dieses ehemalige Hochgebirge durch tektonische Einwirkungen in einzelne Großschollen zerlegt und durch Abtragung zu einem rumpf artigen Mittelgebirge erniedrigt. Seine jetzige Höhe im Mühl viertel ist bedingt durch Vorgänge der erdgeschichtlichen Neuzeit, in der sowohl Absenkungen als auch Hebungen stattfanden. In Oberösterreich besteht die Böhmische Masse aus Graniten und Gneisen; ihr östlicher Teil wird vorwiegend aus grob körnigem Weinsberger Granit und teilweise aus feinkörnigem Mauthausener Granit, daneben auch aus Freistädter Granodiorit aufgebaut, während man im oberen Mühlviertel (Bezirk Rohrbach) und im Sauwald zumeist Gneise vorfindet, die örtlich auch etwas grobkörniger auftreten oder von Graniten durchbrochen sind. Diese kristallinen Gesteine sind fossilleer; in ihnen sind keinerlei Versteinerungen ehemaliger Tiere und Pflanzen enthalten, so daß ihr Alter nur aus ihrem tektonischen Zusammenhang mit fossilreichen Ablagerungen jener Zeit ersichtlich wird. Als Hauptminerale haben sie Quarz, Feldspate und Glimmer, die einen dichten, lückenlosen Verband bilden, der allen einwirkenden Kräften einen gewissen Widerstand entgegen setzt. Die Entwässerung ihres Bereiches ist sehr oberflächennah, weil das Wasser nur entlang weniger Kluftflächen und Spalt risse in größere Tiefe eindringen kann. Im kristallinen Grund gebirge sind daher Verkarstungserscheinungen ausgeschlossen, aber die Flächen oft grundwasserbeeinflußt und größere Moorbildungen möglich. Da diese widerstandsfähigen Gesteine nur langsam ver wittern, kann man das alte Massiv gewissermaßen als „Härte zone" Oberösterreichs bezeichnen, und besonders im unteren Mühlviertel, in den Bezirken Freistadt und Perg, und teilweise auch in Urfahr treten vielfach Granithügel als „Härtlinge" in der Landschaft hervor. Das Gebiet der Böhmischen Masse hat daher einen eigenen Landschaftstyp hervorgebracht, dessen Alter aus den flachen Kuppen, weiten Verebnungsflächen und tiefeingeschnittenen Tälern erkennbar ist. Außerdem sind erwähnenswert die zahlreichen „Blockmeere", eine Ansammlung großer, unver witterter Gesteinsblöcke, die in der Eiszeit hangabwärts gerutscht sind. 2. Das Alpengebirge Ein ganz anderes Bild wie das alte Massiv bieten die im Süden des Landes aufragenden Kalkalpen. Ihre hohen Fels gipfel mit den steilen hellgrauen Wänden umranden das Blickfeld und sind die natürlichsten Grenzen unseres Bundes landes. Oberösterreich hat jedoch nur relativ geringen Anteil an diesem Hochgebirge; bloß im Salzkammergut zwischen Traun stein und Hohem Dachstein erreicht es etwa 50 km Breite.

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