in diesen Bergen schläft, traumredete und etwas wie Glocken töne lallte, — aber Glocken können hierher ihre Klänge nicht senden, da der Ort tief einsam im Gebirge liegt — ich ging immer weiter weg von dem Hause. Es gibt eine Stille, — kennst du sie? — in der man meint, man müsse die einzel nen Minuten hören, wie sie in den Ozean der Ewigkeit hin untertropfen." Es ist kein Zufall, daß Stifter seine Erzählungen „Feldblu men",„Die Narrenburg", „Der Hagestolz", „Der Waldsteig", „Prokopus", „Bergkristall" und teilweise auch seinen großen Roman „Nachsommer" im Salzkammergut spielen läßt. Die wissenschaftliche Erschließung des Dachsteingebietes durch Friedrich Simony, dem Freund Stifters, von dem auch die ^ Linzer Schutzengell Apotheke Anregung zu „Bergkristall" ausging, sowie die fast gleich laufende Entdeckung dieses Gebietes durch die Maler, zu denen sich Stifter ursprünglich selber rechnete, fand in der Dichtung eine Entsprechung. Was dem dilettierenden Maler Stifter der Pinsel versagte, das konnte der Dichter mit dem Worte fortsetzen. Schwärmerei und Naturanbetung in Ferien stimmung wandelt sich zum Willen, die Natur als Ganzes mit dem Worte zu umfassen. Mensch und Landschaft sind schicksalhaft miteinander verbunden. Schauen wir uns die Zeichnungen des Geographen Friedrich Simony vom Dach steingebiet an und lesen wir dazu Stifters Naturschilde rung in seiner Erzählung „Bergkristall": Was für ein Blick Stifters von der wissenschaftlichen naturgetreuen Wiedergabe Simonys in die Unendlichkeit! Waren Stifters Zeitgenossen bestrebt, den Traunstein in ihrer Weise mit großen, oft schallenden Worten heldisch zu ver klären, um die Majestät dieses Berges noch zu vergrößern, so gelingt es Stifter, die Traunseelandschaft mit ihrem stünd lich wechselnden Zauber dichterisch zu bannen. Stifter ver schleiert oft seine Vorbilder. Das macht er sowohl als Maler wie auch als Dichter. Im „Hagestolz" könnte man beim Orla an den Erlakogel denken, die Hui kann nur das Dörf chen Langbath am Südufer des Traunsees sein, wenn auch dieser Flurname in ganz anderen Gegenden Oberösterreichs vorkommt: „Die Geisel stand drüben in allen ihren Spalten funkelnd und leuchtend, und obwohl sie in der Nacht der höchste Berg geschienen hatte, so standen doch nun höhere neben ihr... und die nun sanft blau niederschienen und an vielen Stellen Schneeflecken zeigten, die sich wie weiße Schwäne in die Spalten duckten. Alles glänzte und flimmerte durcheinander, hohe Bäume standen vor dem Hause in solcher Nässe wie er sie nie gesehen hatte, die Gräser troffen, überall gingen breite Schatten nieder, und das Ganze erschien noch einmal in dem See, der, von jeder Flocke Nebel reingefegt, wie der zarteste Spiegel dahinlag. — — — Mit alle dem Getümmel an Lichtern und Farben herum bildete das todähnliche Schwei gen, mit dem diese ungeheuren Berglasten herumstanden, den schärfsten Gegensatz." Stifters Landschaft ist eine ruhende Landschaft. Sie erwächst aus einem Lebensgefühl, das im Ausgewogensein der Kräfte das Ideal sieht. Stifter war auch der erste große Dichter, der die Schönheit des Mühlviertels erkannte und diese in seinen Dichtungen wieder zur Schönheit werden ließ. Es gibt keine tiefere Liebeserklärung an das Mühlviertel als die Einleitung zum „Waldgänger": „Wenn von unserem wunderschönen Lande ob der Enns die Rede ist, und man die Herrlichkeiten preist, in welche es gleichsam wie ein Juwel gefaßt ist, so hat man gewöhnlich jene Gebirgslandschaften vor Augen, in denen der Fels luft blau emporstrebt, die grünen Wässer rauschen und der dunkle Blick der Seen liegt: wer sie einmal gekannt und geliebt hat, der denkt mit Freuden an sie zurück, und ihr heiteres Bild mit dem duftigen Dämmern und dem funkelnden Glänzen steht in der Heiterkeit seiner Seele — aber es gibt auch andere, unbedeutendere, gleichsam schwermütig schöne Teile, die abgelegen sind, die den Besucher nicht rufen, ihn selten sehen und, wenn er kömmt, ihm gerne weisen, was im Umkreise ihrer Besitzungen liegt: wer sie einmal gekannt und geliebt hat, der denkt mit süßer Trauer an sie zurück wie an ein bescheidenes, liebes Weib, das ihm gestorben ist, das nie gefordert, nie geheischt und ihm alles gegeben hat." Stifters Dichtung beginnt mit dem „Julius" im Mühlviertel und sie neigt sich mit der Erzählung „Aus dem bairischen Walde", am Ende seines Lebens, wiederum diesem geliebten Teil unseres Landes zu.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2