Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 1/2, 1967

Versepiker und Erzähler kam mit seiner formalen Glätte und mit einem Schuß von Pathos, vermischt mit national romantischer Gesinnung, überall gut an. Er schwelgt in seinen „Bergpsalmen" auch „Am Abersee" in höchsten Tö nen der Naturbegeisterung. Unser Jahrhundert ist dem Worte gegenüber skeptisch geworden. So können uns Wortungeheuer wie „Falkenschluchtklausner", „menschengelärmlos" und „Wiesengeblüm" nicht mehr viel sagen. Man sollte hier an der Grenze zwischen den Ländern Salzburg und Oberösterreich nicht kleinlich sein und jeden mithalten lassen an Scheffels Begeisterung, wenn auch nur der kleinere Teil des Aber- oder St. Wolfgangsees zu Oberösterreich ge hört. Die ersten Gesänge zu Scheffels „Bergpsalmen" entstan den in St. Wolfgang und auf dem Schafberge, den man damals den „Rigi Oberösterreichs" nannte. An der Falkensteinwand des Wolfgangsees wurde vom Deutschen und österreichi schen Alpenverein „Dem Dichter der ,Bergpsalmen'" ein ehrendes Gedenken in roten Lettern zuteil. Eine acht Meter hohe Säule am Scheffelsteig bei Fürberg war der Dank an Victor von Scheffel, daß er die Kunde über die Schönheit des Salzkammergutes in wohlgesetzten Worten hinaustrug in die Welt. Der innerlich zerrissene, unglückliche und ruhelose Dichter Franz Niembsch Edler von Strehlenau, allgemein bekannt unter dem Namen Nikolaus Lenau, hat sogar den Traunstein bestiegen; das will schon etwas heißen für einen in Csantäd in Ungarn Geborenen. Er hat dieses Erlebnis in Worte gefaßt: „Bruder, die Minute, die ich auf jenem Rande stand, war die allerschönste meines Lebens; eine solche mußt du auch genie ßen. Das ist eine Freude! Trotzig hinabzuschauen in die Schrecken eines bodenlosen Abgrundes und den Tod herauf greifen sehen bis an meine Zehen, und stehen bleiben und so lange der furchtbar erhabenen Natur ins Antlitz sehen, bis es sich erheitert, gleichsam erfreut über die Unbezwinglichkeit des Menschengeistes ... Bruder, das ist das Höchste, was ich jetzt genossen!" In seinen „Vermischten Gedichten" finden wir auch den Hymnus „An die Alpen", die ihm „frischen Mut zu jedem Kampf und Leid" gegeben haben. „Unvergeßlich" trägt er sie in seinem „Herzen ... in allen Tagen!" Die Alpen als Kraft- und Lebensspender! Sie haben einen so fein besaiteten und labilen Dichter wie Lenau aufzurichten vermocht. Aber nur für kurze Zeit. Lenau trug sein Unglück in sich, und kein Traunstein, kein anderer Alpengipfel hätte ihn retten können. Von der Linzer Brücke aus läßt Lenau bei seinem „Blick in den Strom" seinem Weltschmerz freien Lauf: Blick unverwandt hinab zum Fluß, Bis deine Tränen fallen. Und sieh durch ihren warmen Guß Die Flut hinunterwallen. Hinträumend wird Vergessenheit Des Herzens Wunde schließen. Die Seele sieht mit ihrem Leid Sich selbst vorüberfließen. Wenn der „Salzburger Schnürlregen" erst in den dreißiger Jahren durch Operette und Besucher der Festspiele ein fester Begriff in der Welt wurde, so sprach man zu Lenaus Zeiten bereits analog von einem „Ischler Himmel", denn alles, was Rang und Namen hatte, traf sich sommersüber in Ischl, im Winter aber in Karlsbad. „An den Ischler Himmel" greint Lenau in sechs Strophen. Er nennt ihn „gehässig und regen mäßig". Bei diesem Ischler Himmel wird selbst der feinsinnige Lenau rabiat und er hegt den frommen Wunsch: „... es hole dich der Teufel!" Am Schluß aber tröstet er sich mit den Worten: Hätte Ischl nur dich und deine Solen, Hätt'ich mit einem Fluche mich längst empfohlen; Doch nebst dir und deinem Wolkengewimmel Hat es zum Glück noch einen andern Himmel. Den Traunstein hat noch einer in einem wortgewaltigen Ge dicht von 15 Strophen verherrlicht: der Frauenliebling und Salonlöwe zwischen Rovereto und Wien, der Dichter der berüchtigten „Jesuitenlieder", Leiter des Präsidialbüros der Statthalterei von Linz und segensreicher Theaterzensor da selbst, Hermann von Gilm zu Rosenegg. Es ist ein Zwie gespräch zwischen dem Traunstein und seiner Gefährtin, der Traun. In einer handfesten Gedankenlyrik läßt Gilm die Traun klagen,daß ihre Stimme,die sonst den Königen der Lüfte,... Dem Donner der Lawine nicht erlag, jetzt von Menschenhand gebunden, Bretter schneiden, Mühlen treiben, . . . spinnen, hämmern, Farben reiben muß. Wer es noch nicht gewußt hätte, wo Gilm in die Lehre gegan gen ist, diese Verse hätten es ihm gesagt: bei Friedrich von Schiller. So ausgerüstet, klingt Gilms Dichtung hier auch kräf tiger und bildhafter als die Scheffels. Für die Jugend wäre es bestimmt ein Gewinn, könnten wir ihr heute noch seine Dichtung vermitteln. Es liegt manche Perle in ihr verborgen. Erzürnt über die Fron der Traun, läßt nun der Traunstein die Naturgewalten um sein Haupt ausbrechen: Aus seinen aufgeriss'nen Adern zischt Empor des Gießbachs hochgebäumte Schlange, Schlingt, weithin blitzend, eine Silberspange, Sich um der Felsen Arme — und erlischt. Wie Binsenhalme faßt der Sturm die Eichen Und bohrt die grünen Kronen in den Schlamm, Daß nackt empor der tollgeword'ne Stamm Die Wurzeln streckt, die schwarzen Fragezeichen. Eigentlich sollte jedes oberösterreichische Schulkind Gilms schönste Liebeserklärung, diesmal aber nicht an eine seiner zahlreichen Frauen und Mädchen, sondern an einen Berg gerichtet, auswendig lernen: Hermann von Gilm war der erste, der in seinem aus echter Liebe zu seiner neuen Heimat entsprungenen Gedichte „Pöstlingberg" Linz auf Provinz rei men ließ: O,Pöstlingberg, du Landeshort, Du Perle der Provinz, Du Segensquell und Gnadenort, Akropolis von Linz! Es trocknet der Schönwetterwind Die Felder und den Steg, Nimm Hut und Schal, mein schönes Kind Und mach'dich auf den Weg Es schleppt sich in des Jahres Lauf Viel Sünd'dahin und Leid, Komm,tragen einmal wir hinauf Ein Stückchen Seligkeit. Im Todesjahr Stifters (1868) singt der formgewandte NaturLyriker Friedrich Hermann Frey, besser bekannt unter sei nem Dichternamen Martin Greif, ein „Lob der Donau" in der Art, wie fast ein jeder Traditionalist des vorigen Jahrhun derts in Anlehnung an Goethe oder Mörike sein Städtelein oder sein Wässerlein besungen hat. Da gibt es Strand und Wellen, grüne Höhen und stolze Städte, Wein und lockende Mädchen. Jede Strophe endet mit dem Refrain:

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