Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 1/2, 1967

Alois Großschopf Lob der oberösterreichischen Landschaft im 19.Jahrhundert Wir wollen bei diesem literarischen Spaziergang nicht alles und jedes, was sich mit der Landschaft Oberösterreichs im vorigen Jahrhundert dichterisch auseinandergesetzt hat, dartun oder untersuchen. Das wäre eine lange Reihe des Anführens und vielfach auch des Einstieges in künstlerisch nicht immer belangvolle Bereiche; vielmehr wollen wir das mitnehmen, was wir in diesem Rahmen leicht und bequem tragen können. Unsere Landschaft wurde von den Dichtern verhältnismäßig spät entdeckt. Es dauerte auch sehr lange, bis man den Men schen gleichrangig seiner Umgebung einverleibte und ihn als einen Teil des Naturganzen darzustellen begann. Nach ihrer Entdeckung war die Landschaft, vor allem das Gebirge, bis weit in das 19. Jahrhundert hinein für den Dichter ein Objekt romantischer Schwärmerei, manchmal ein Gesundbrunnen in Ferienstimmung oder ein geheimnisumwittertes heldisches Gebilde. In Edward Samhabers Nachdichtung des Nibelungenliedes ist bei der Nibelungen Donaufahrt vom alten Eferding die Rede, das mit seinen Obstbaumblüten auf den Zug der Rek ken und Frauen herübergrüßte. An der Traun hält Kriemhild ihren Renner an und spricht entzückt zu Pilgrim von Passau: O,Bischof, seht nur hin! Was sind das für Berge, getaucht in Sonnenglut, Auf denen der blaue Himmel wie auf Säulen ruht? Pilgrim antwortet: Das sind die Alpen, Fürstin, eine Wunderwelt für sich; Da funkeln und flimmern die Firne, ob längst der Winter wich. Sodann berichtet Pilgrim in begeisterten Worten von häm mernden Zwergen, von Bergwässern in den Schluchten und vom Strom. Es fehlt nicht das fröhliche Bergvolk und die Gemse auf dem Felsen. Über Enns geht die Fahrt nach Pöchlarn, wo „der Anblick der Donau, zitternd im Mondenstrahl", das Entzücken von Kriemhild und Gotlind, der Gattin Rüdigers von Pechlarn, hervorruft. Dem Dichter Samhaber ist es erlaubt, den Nibelungen einen Blick für die Schönheiten des Landes zwischen Inn und Enns einzugeben, über die weder die Simrock'sche oder die Über setzung von de Boor noch das Original des Nibelungen liedes etwas aussagen. Ein dichterischer Kunstkniff läßt uns das Lob des Landes so früh singen. In Wirklichkeit erwähnt der unbekannte Sänger des Nibelungenliedes Eferding in einem weniger schönen Zusammenhang. Der Edle Rüdiger von Pechlarn sollte nämlich mit seinen mehr als 1000 Rittern Wegelagerer von dem Zuge abhalten. Der landständische Syndikus des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, Anton von Spaun, der Begründer der Ober österreichischen Volks- und Landeskunde, ein Romantiker und Kulturpolitiker von hohen Graden, hat Heinrich von Ofterdingen zum Dichter des Nibelungenliedes gemacht. Gleich mehrere Dichter schlössen sich dieser wissenschaftlichen Theo rie begeistert an: Franz Grillparzer, ferner Johann Ladislaus Pyrker von Oberwart, Lilienfelder Zisterzienser, später Pa triarch von Venedig und Erzbischof von Erlau, und der Ober österreicher Johann Otto Prechtler. Die Gestalt des Heinrich von Ofterdingen haben Victor von Scheffel und Adalbert Stifter ganz in ihre Dichtung übernommen. Hätte Spaun recht, dann wäre das Dorf Oftering bei Linz mit Heinrich von Ofterdingen (Ofteringen), dem sagenhaften Wartburg sänger,in Verbindung zu bringen. Um so mehr müßte man es diesem Minnesänger vorhalten, daß er für die Schönheiten seines Heimatlandes keinen Blick hatte. So wollen wir uns auch für die Spaun'sche Theorie nicht allzusehr ereifern, die ja von der Wissenschaft von Anfang an abgelehnt worden ist. Die Dichtung konnte sich, und das ist das heilige Recht ihrer Phantasie, an Heinrich von Ofterdingen richtig ausleben. Joseph Victor von Scheffel hat das in seiner „Frau Aventiure. Lieder aus Heinrich von Ofterdingens Zeit" auch tüchtig ge tan. In dieser Gedichtsammlung besingt der romantische Maler-Poet aus Karlsruhe den Traunsee mit der ihm eigenen Naturfreude, die sehr deutlich den Blick durch die Butzen scheiben verrät: Wie verklärt strahlt mir entgegen Gottes Welt, wie groß, wie weit! Steirisch Meer,ich fühl' den Segen Deiner keuschen Herrlichkeit. Was gequält mich und gekränket. Was des Denkens Folter war. Tief zum Seegrund sei's gesenket. Sei vergessen immerdar! Das Lob des Landes wurde anderswo sogar bestellt, vielfach gesungen und gerne gehört. So hat der Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach im Jahre 1857 den Dichter Scheffel zum Schreiben eines Romanes angeregt, dessen Mittelpunkt das Leben der Minnesänger auf der Wartburg sein sollte. Es kam nicht dazu. Statt dessen erschien „Frau Aventiure". Im Jahre 1867 erhielt Adalbert Stifter vom Großherzog von Sachsen-Weimar das „Ritterkreuz der 1. Abteilung des Ordens vom Weißen Falken" für seinen „Witiko", in dem der Dichter Spauns Nibelungen-Theorie verarbeitet hatte. Das Salzkammergut hatte es den Dichtern besonders angetan. Scheffels „Bergpsalmen", in denen er auch unsere Dach steinwelt unter dem Titel „Gletscherfahrt" besingt, wurde viel gelesen. Heute sind sie nur mehr dem Literarhistoriker bekannt. Die Menschen unserer Zeit sind nüchtern geworden, und die Dichtung hat sich andere Bereiche gesucht. Keinem Heutigen würden derartige Begeisterungsströme aus der Feder fließen wie Victor von Scheffel. Eine Gletscherfahrt war damals noch ein Erlebnis, das weit in die deutschen Lande hinaus mitgeteilt werden mußte. An diesem Gedicht ist alles irgendwie abge standen: die Sprache, die Beziehung zur Natur, aber auch die geologischen Kenntnisse des Dichters. Er steht noch auf dem Stande der Wissenschaft, die an eine Hervorquellung der älteren Gesteine glaubte, während bereits die Nachfolge von einer Auffaltung der Gebirge wußte. In einem hat Scheffels Sprache mit uns noch Berührungspunkte: in der Fremdenverkehrswerbung. Man könnte ihn fast einen frühen Werber für den oberösterreichischen Fremdenverkehr bezeich nen. Der in allen deutschen Landen gern gelesene Lyriker,

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