Rasiermesser gezogen, aber in all ihrer Bestimmtheit von solch lauterer Selbstverständlichkeit, daß jene nichts von einem Angriffsakt hat. Gelegentlich aquarelliert sie Zeich nungen oder malt sie richtige Aquarelle. Sehr liebt sie den Pastellstift. Aber sie zeichnet auch in kräftiger Farbkreide und Kohle und malt Ölbilder, doch beides, wie es scheint, gleichsam mehr wie zu gelegentlicher eigener Reorganisation. Als Thema überraschend befindet sich in ihrem Oeuvre eine Reihe zwingend überzeugender für Bleistift erstaunlich groß flächiger Porträtzeichnungen von Frauen und Mädchen aus einer zeitlich knappen späteren Schaffensperiode. Blumen und Früchtestilleben von knospenhafter Zartheit, dabei oft von geheimster, aber unentrinnbarer Traurigkeit. Einer über die Ohnmacht, die Blinden sehen, die Tauben hören zu ma chen. Diese Resignation ist das immer wieder Unvermeidliche jeden wirklichen Künstlerdaseins, das sich über mehr als vierzig Lebensjahre, die Kämpferjahre, erstreckt. Merkwürdig genug ist es, daß selbst heute ein Mensch, der wie Fanny Newald seine beruflichen, als materielle Interessen nur bis zur Erreichung des Existenzminimums wahrnimmt, von der Öffentlichkeit schon lange und noch immer, nicht heftig zwar, aber keineswegs lau, sondern durchaus zur Kenntnis genommen wird. Und mag, was von ihrem Werk in Sammlungen gelangte, zahlenmäßig nicht viel sein und ihrem Rang in keiner Weise entsprechen, so befinden sich Arbei ten von ihrer Hand doch immerhin nicht nur in österreichi schem, westdeutschem und vor allem schweizerischem Besitz, sondern auch in Berlin, New York und Toronto. An öffent lichen Galerien erwarben graphische Blätter, Pastell- und Ölbilder von ihr; das Grazer Joanneum, das OO. Landesmu seum, das Stadtmuseum Linz, die Galerie der Stadt Linz (Wolfgang-Gurlitt-Museum), Ämter, Schulen und die Berufs vereinigung Bildender Künstler Oberösterreichs. In einem seltsamen, aber ungefährdeten Schwebezustand lebt dieses ihr Werk voll letzter Wirklichkeit in und über einer Welt von nur grausamerer, aber viel dürftigerer Realität. Was wir bei den Größten als selbstverständlich empfinden, die völlige Freiheit von jedem „Motiv", bei ihr wird es gerade noch als Ereignis erlebbar. Das, genau dieser winzige Unterschied, wird hier mit zum unbeschreiblich Erfrischenden an der Begegnung mit diesem Werk einer Frau, die auch in anderer, die in jeder Zeit, nicht allein durch ihre Kunst, son dern ebenso durch die vielen beglückenden Qualitäten ihrer privaten Sphäre, außergewöhnlich wäre. Was Fanny Newald rein zeichnerisch sowie im Aquarell- und Pastellbild kann, ist längst selten geworden in der Welt. Und man muß noch weiter zurückgehen, um auf solche, ganz in sich beschlossene Zustimmung wie Ablehnung gegenüber gleich wehrlose Meisterschaft zu stoßen. Schon stellt sie vielfach dar, was gar nicht mehr ist. Aber geheimes, tief trostreiches Wissen um etwas, wie eine uner klärliche, allerletztldche Unzerstörbarkeit auch noch des Zer störbaren, ja Zerstörten, schenkt dieses ihr Werk, und darin ist es für alle Zeit verschwistert dem aller anderen echt Begnadeten. w\
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