Oberösterreich, 17. Jahrgang, Heft 1/2, 1967

Josef Schadler Hinterstoder - Geologie und Landschaft Hinterstoder wird der innerste Teil des Stodertales im Ursprungsgebiet des Steyrflusses genannt. Eingebettet zwi schen den Hochgebirgsstöcken des Toten Gebirges und des Warschenecks tut sich in Hinterstoder das Tal nochmals weit auf, ehe sich die Felswände und Abbrüche des Toten Gebirges mit dem Gipfelkamm des Warschenecks zum Salzsteigjoch vereinen und einen der großartigsten kesseiförmigen Tal abschlüsse der Nordalpen bilden. Talauswärts verriegelt das Engtal der Steyr mit der Wasserfallstufe der Stromboding den Zutritt zur Talweitung von Hinterstoder; auch der Obergang ins Pyhrngebiet über Vorderstoder ist durch steile Einrißtäler erschwert und verriegelt. Abgeschlossenheit und Großartigkeit sind daher das Grundmotiv der Stoderlandschaft. Die Großartigkeit ist dadurch gegeben, daß vom Talboden (Ort Hinterstoder 585 m) das Tote Gebirge in einer geschlos senen Felsflanke bis über 2000 m ansteigt. Auf eine Tallänge von rund 10 km reiht sich Hochgipfel an Hochgipfel. Es hat diese Großfelsfront kein Gegenstück in Oherösterreich. Die Hochkare und Kesseltalschlüsse der Dietlhölle und der Polsterlucke gliedern die Felszone auf und stellen bekannte und anerkannte landschaftliche Kostbarkeiten dar. Der höchste Punkt des Toten Gebirges, der Große Priel (2512 m), ist als wuchtiger Eckpfeiler an das äußere Ende der Gipfelreihe gerückt und schließt mit dem Kleinen Priel (2134 m) im Norden die Stoderlandschaft ab und unterstreicht ihre Ab geschlossenheit. Die Gipfelzone des Warscheneckstockes(Hochmöhling 2322 m) liegt gegen Süden als Gegenpol zum Großen Priel ebenfalls etwas abseits, vom Talboden abgerückt. Im Gegensatz zu den ernsten Felsmauern des Toten Gebirges sind die Vorberge des Warscheneckgipfels in Einzelgipfel und Einzelrücken mit bizarren Kleinformen aufgelockert. Das Gesamtbild ist hiedurch abwechslungsreicher und dem Talraum gibt die Warscheneckflanke eine befreiende Weite. Das Stodertal ver läuft auffallend gestreckt und geradlinig gegen Nordnordost. Es werden die Kalkhochalpen in ihrer vollen Breite durch schnitten, und es wird ihr geologischer Bau bis ins Innerste freigelegt. Im allgemeinen ist der Gebirgshau der Kalkhochalpen von monumentaler Einfachheit. Totes Gebirge und Warscheneck stellen ebenso wie der Dach stein der Hauptsache nach Riesentafeln des über 1000 m mächtigen Dachsteinkalks (obere Trias) dar, der auf einem Sockel aus Dolomit (Ramsau- und Hauptdolomit) und auf einem Unterbau von Werfener Schichten (untere Trias), teil weise mit Haselgebirge und Gips-Anhydrit, aufruht. Die Anlage des Stodertales ist im Gebirgshau vorgezeichnet. Zwischen Totem Gebirge und Warscheneck streicht die Stoderstörung als eine tektonische Leitlinie und Großbewegungszone durch. Im Talgrund zwischen Dietlgut und Baumschlagerreit treten am Steyrufer, vom Fluß angeschürft, buntfarbige Salztone und auch Gips, lebhaft gefältelt und durchbewegt, zutage. In scharfem Gegensatz zu den ruhig gelagerten steifen Karbonattafeln der Hochgebirgsstöcke zeugen diese durch gekneteten, bildsamen Gesteinsschichten von den großen Gebirgsbewegungen. Begleitet werden sie von den in die Oberkreide gehörigen Gosauschichten, die teilweise reich an Versteinerungen als sogenannte „Schneckensteine" nächst der Baumschlagerreit gefunden werden. Die Felsfront des Toten Gebirges entlang der linken Talflanke von Hinterstoder läßt den Aufbau aus Dachsteinkalk und die Eigenart dieses Gesteins deutlich erkennen. Der Dachsteinkalk ist dick gebankt; die Bänke liegen meist annähernd waagrecht, wie ein Riesenbauwerk geschlichtet. Das Gestein ist gut stand fest, daher wandbildend. Die Dachsteinkalkberge sind deshalb günstige Kletterberge. Hingegen besteht die rechte Talflanke überwiegend aus Ramsaudolomit, der infolge seiner Klüftig keit zu einem rautenförmigen Gesteinszerfall neigt, was zur Ausbildung kegelförmiger Berggestalten und zu deren Auf lösung in ein Gewirre von Kleinformen, Türmen, Zacken und Spitzen, und zur Bildung ausgedehnter Schutthalden führt. Die landschaftliche Schönheit des Stodergebietes und der besondere Reiz von Hinterstoder ist in der Ausbildung eines tief in die Kalkhochalpen eingreifenden Tales und eines großräumigen, kesseiförmigen Talschlusses begründet. Vom Naturschutzbund wird derzeit eine Sichtung und Wertung der österreichischen Naturdenkmäler und Naturlandschaften vorgenommen. Es sollen jene ausgewählt werden, denen als Zeichen ihrer Einmaligkeit und ihrer Bedeutung in euro päischer Sicht auch bei Anlegung eines strengen, überstaat lichen Maßstabes die Europamarke des Naturschutzes zu zuerkennen ist. Das Land Oberösterreich besitzt im Donautal Paussau—Linz eine Stromlandschaft von europäischem Rang. Die Salzkammergutseen, das Dachsteingebiet, das Ibmer Moor und das Buch-Denkmal verdienen die Europamarke, ebenso zweifellos auch Hinterstoder. Während einige der oberöster reichischen Naturschönheiten schon technisiert sind, zeichnet sich die Stoderlandschaft vor allem durch ihre Ursprünglichkeit und durch den Zauber der Naturfrische aus. Der Name Hinterstoder hat mit Recht einen internationalen Klang. Als einer der Kronzeugen darf der bekannte Alpenmaler E. T. Compton genannt werden, in dessen Lebenswerk neben den Dolomiten die Bergwelt von Hinterstcider einen beson deren Platz einnimmt. E. T. Compton war ein wahrer Kenner der Schönheit der Alpen, er verfügte über eine breite Ver gleichsmöglichkeit und ist daher seinem Urteil Glauben zu schenken. Es erscheint eine berechtigte Forderung, Hinterstoder zum Naturschutzgebiet zu erklären unter besonderer Bezeichnung der Wandabbrüche des Toten Gebirges, der Dietlhölle, der Polsterlucke, des Steyr-Ursprungs und der Stromboding als Naturdenkmale. Die Umgrenzung des Naturschutzgebietes ist zwanglos durch die Kammlinie der Bergumrahmung von Hinterstoder ge geben. Ausgehend vom Salzsteigjoch kann an der linken Talflanke die Gipfelreihe des Toten Gebirges entlang der Landesgrenze bis zum Feuertal (Rotgschirr), von hier zum Gipfel des Großen Priels und weiter des Kleinen Priels und von diesem talwärts zum Gausrab im Steyrtal als Grenze vorgeschlagen werden. Die östliche Grenze an der rechten Talflanke wäre ähnlich vom Salzsteigjoch über Almkogel und Hirscheck zum Schröckenberg und von diesem durch das Weißenbachtal zum Steyrfluß zu ziehen. Beim Jaidhaus sollte die Grenze vom Steyrfluß abzweigen und über den Steyersberggipfel zum Gausrab geführt werden, um das Engtal der Steyr mit der Wasserfallstufe der Stromboding in das Naturschutzgebiet einzubeziehen.

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