Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

Betten. Dagegen kann es vorkommen, daß auf einer einzigen Truhe bis zu zwanzig gefiederte Vertreter des Meisenvolkes aufgemalt sind! Ein dritter für die oberösterreichische Möbelmalerei sehr bedeutsamer Vogel ist der Nußhäher, imVolksmund „Nusea" oder gar nur „Usea" ausgesprochen. Diesen scheuen, quarren den Schalksvogel der Eichen- und Buchenwälder habe ich nur einmal leibhaftig und auch da nur im Inneren eines Bauern kastens gefunden, aber dieses eine Mal hat er dafür das Geheimnis der Bemalung einer ganzen großen Gruppe von Möbeln verraten. Wir vermuten den Sitz der Werkstätte dieser Gruppe in Lambach. Es gibt noch ein paar Vogelarten, die zum Leitmotiv einer Möbelgruppe oder zumindest einer Möbelwerkstatt geworden sind: Da sträubt auf Kästen des Raumes von Peuerbach eine Art Auerhahn sein märchenhaft schillerndes Gefieder, und da sitzt eine Gattung von Adler auf den Dreistufenbäumen der großen „Gunskirchner Werkstätte". Das sind Fabelvögel, aber doch keine Vögel schlechthin. Auch das benachbarte Niederösterreich und weiter das Burgenland hat seinen eigenen Vogel. Merkwürdig ist die Ähnlichkeit eines Vogel motivs im angrenzenden Waidhofner Gebiet mit dem nörd lichen Burgenland: hier ist eine Art Wiedehopf, dort der seltene Kronenkranich zum „Leitvogel" einer fruchtbaren Werkstätte geworden. Ein einziges Mal habe ich auch Rahen in der oberösterreichischen „Bauernmalerei" entdeckt. Einer trug einen Ring im Schnabel. Ob da nicht an einen mytho logischen Hintergrund, ein gemaltes Märchenmotiv,zu denken ist? Dies liegt um so näher, als auch Motive wie das der „Krönleinnatter" dargestellt sein können. Es findet sich bei spielsweise auf einem Schrank aus Bad Ischl um 1830, der im Volkskundemuseum Engleithen aufbewahrt wird. Damit ist ein Seitenblick auf den Motivenschatz der volkstümlichen Möbelmalerei überhaupt geworfen. Der Blumen sind so viele, daß die ganze Volksbotanik aufgerufen werden müßte. Und doch gibt es deren drei, die geradezu zum chronologischen Test geworden sind: die Nelke für das 17., die Tulpe für das 18. und die Rose für das 19. Jahrhundert, wobei „Rosen, Tulpen, Nelken" ohne weiteres auch zu einem Strauß ver einigt sein können. Daß diese Blumen im Hochzeitsbrauchtum eine ähnliche Rolle wie die Vögel übernehmen können, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung. — Ein gerade in der ober österreichischen Möbelmalerei bedeutsames Motiv ist das von „Roß und Reiter". In seinem Umkreis gedeiht auch prächtig das Motiv des „Soldaten". „Ein Soltat" — so sind nicht selten die stilisierten Porträts grimmiger Grenadiere und Musketiere auf oberösterreichischen Bauernmöbeln unterschrieben. — Weitere profane Motive leiten ihren Ursprung nicht selten von der Vierzahl der Füllungen doppeltüriger Kästen ab. Da gibt es die „vier Jahreszeiten", die „vier Tageszeiten", die „vier Erdteile"(ohne Australien), die „vier Sinne"(ohne Tast sinn), die „vier Elemente", die „vier Tugenden" usw. Diese allegorischen Darstellungen leiten über zu den rein religiösen Motiven, an denen es in keiner Weise mangelt. Entsprechend den vier Füllungen zweitüriger Kästen gibt es da etwa die vier Evangelisten, die vier Kirchenväter, oder die vier „nützlichsten" Heiligen: Katharina und Barbara, St. Florian und St. Sebastian. Das Mittelmotiv ist in der Regel eine Wallfahrts-Darstellung, wie „Maria-Hilf", der „Gnadenstuhl" vom Sonntagberg oder etwa auch „Mariae Krönung" und dergleichen. Neuere Motive des späten 19. Jahrhunderts sind Herz Jesu und Herz Mariae. Im all gemeinen sind profane Motive wesentlich seltener als religiöse. Doch nach dieser Umschau wieder zurück zu unserem Vogel haus. Noch harrt die zweite Frage, warum der Möbelmaler aus der Vielfalt der Vögel ganz bestimmte Arten zum Konter fei gewählt hat, einer Antwort. Ich darf hier auf die schon erwähnten „Nußhäher-Kästen" zurückkommen. Es war eine sehr fruchtbare Werkstätte, die uns diese Möbel, deren Außenfelder sehr häufig das Jahreszeitenmotiv aufweisen (daher man von ihnen auch z. B. als von „Jahreszeitenkästen" spricht), hinterlassen hat. Gemeinsam ist diesen Möbeln eine Grundierung, die in Schraffen angelegt ist, die von Schwarz über Blau rasch zum Beinahe-Weiß verläuft. Dieses zebra artig ineinandergeschummerte Blauweiß, wie bei einer Vogel feder hunderte Male an einem einzigen Möbelstück wieder holt, verleiht den Kästen, Truhen und Betten eine beschwingte und freundliche Note, mit der sich gerne wohnen läßt. Ich habe es jahrelang getan, und doch erschien es mir wie eine Offenbarung, als ich eines Tages die beiden großen Nußhäher näher betrachtete, die im Inneren des Kastens auf einem Stufenbaum aufhockten. Schwarz-blau-weiß: war das nicht die Aufeinanderfolge der Farben der groß entfalteten Nuß häherschwinge, das Besondere der Nußhäherfeder überhaupt? Ohne Zweifel ließ sich der Maler durch das farbliche Pro gramm der Nußhäherfeder zu seinem Werkstättenstil an regen. Ganz genau dasselbe trifft bei den sogenannten „Gimpel-Möbeln" zu. Hier wurde die rote Gimpelbrust zum farbigen Leitmotiv dieser großen, ganz auf Rot (wie bei jener anderen auf Blau) gestimmten Möbelgruppe. Ähnlich, viel leicht nicht so deutlich, verhält es sich bei den Meisen-Truhen, deren Gelb im Verein mit dem blassen Blau des Meisenschöpfchens ebenso den Grundakkord der Bemalung angibt, wie in den beiden schon erwähnten Fällen. Vögel erhielten hier also primär eine künstlerische Funktion ähnlich einem Leitmotiv in der Musik, und es ist etwas Wunderbares, der inneren Verwandtschaft und Querverbindung zwischen Vogel lied und Vogelgefieder, zwischen barocker Beschwingtheit und Musikalität auf der einen und der barocken Farbenfreude der fälschlich sogenannten „Bauernmalerei" auf der anderen Seite nachzugehen. Das Volk von Oberösterreich hat dieser „Synästhesie", die sem Ineinander von Optik und Akustik, von Farbe und Musik, von „Bauernmalerei" und Volkslied in einem sehr liebenswerten Sinnbild Ausdruck verliehen. Auf unzähligen Kästen, Betten und Truhen, namentlich des Traun- und Hausruckviertels, sind sogenannte DreistufenBäurne (Bäume, deren Krone in drei Stufen geteilt ist) ge malt. Auf dem Wipfel dieser Bäume sitzt häufig mit gesprei teten Flügeln ein Vogel. „Die Waldleute zwischen Steyr und Weyer", so überliefert V. V. Geramb, „haben diesem obersten Wipfel der Bäume insgesamt und allgemein den klingenden Namen ,Vogelsang' zugedacht, so wie sie ein altes Hahnpfalzlied in die Verse ausjubeln ließen ,die Amsel und der Rotkopf singt, der ganze Wald klingt'." Oben links: Füllung eines „Vogerlkasfens" (Hochzeitskasten), blaue Grundfarbe mit gelben Blüten, Aurachtai, 1814. — Oben rechts: Detail einer „Meisentruhe", Hausruckviertel, um 1780. — Unten links: Nußhäher auf einem Dreistufenbaum, Innen motiv eines schwarzblauweiß gestuften Dahreszeitenkostens,Raum Lambach, um 1790. — Unten rechts: Seitenwondmotiv eines „Gimpelkastens", Unteres Traunviertel, 1792. Sämtliche Aufnahmen: M. Eiersebner von Exponaten im Schioßmuseum Linz.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2