Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

Meister nieder und vermittelte seinen Erzählschatz bis in einschichtige Bauernhöfe, wenn er als Schneider oder Schuster auf die „Stör" ging. Da Varianten von Märchen viel seltener als die von Sagen sind, kommt ihnen fast immer größeres Gewicht zu. So deutliche Übereinstimmungen einer Sage bei Depiny S. 10 Nr. 55 mit einer niederdeutschen, die 1880 veröffentlicht worden und sehr selten ist, erweisen die Abhängigkeit dieser Geschichte von dem älteren literarischen Zeugnis, auch wenn sie aus einem oberösterreichischen ffeimatbuch übernommen ist. Dagegen leben andere Sagentypen von der Wilden Jagd an vielen Orten; ihr Variantenreichtum und -unterschied geht schon aus dem Sagenbuch hervor und wurde von der Über lieferung im Volksmunde vor kurzem noch weit übertroffen. Vergleichen wir damit etwa das Volksmärchen „Ferenand getrü, un Ferenand ungetrü" der Brüder Grimm (KHM. Nr. 126), so ist dazu bisher eine einzige oberösterreichische Spielform aufgezeichnet worden (Oö. 166), ferner eine burgenländische und eine kärntnerische. Die zweite, uns be kannt gewordene kärntnerische ist literarischer Herkunft, eine „niederösterreichische" (Vernaleken, Kinder- und Hausmär chen 1892 Nr. 15) kann nicht aus deutscher Volksüber lieferung stammen. (Unmittelbar dahinter bringt der Heraus geber eine Geschichte, die auf bretonische Literatur zurück geht, obwohl er auch dazu einen niederösterreichischen Fund ort angibt. Der verdienstvolle Sammler dürfte in beiden Fällen durch Schüler oder andere Helfer getäuscht worden sein). Wenn wir aber berücksichtigen, daß bisher insgesamt erst vierzehn deutsche Spielformen dieses Märchentyps (Aarne-Thompson 531) vorliegen, so stellen die angeführten österreichischen einen bemerkenswerten Anteil dar und kommt der oberösterreichischen als neuem Beleg in fundarmer Zeit vermehrte Bedeutung zu: Ein Knabe hat einen geheim nisvollen Paten, zieht auf einem sprechenden Schimmel aus und vollbringt mit dessen Hilfe gefahrvolle Aufgaben, die böse Ratgeber und der König stellen. Zuletzt heiratet er die Prinzessin und wird König. Th. Vernaleken verdanken wir einen der ersten Hinweise auf die Märchenüberlieferung Oberösterreichs, denn zu der verworrenen Geschichte vom Herrn Kluck, die drei verschie denen Erzählungen vermengt, merkt er S. 294 an: „Ein ähnliches Märchen aus Saladorf in Oberösterreich erzählt von einem Hirten, der mit Hilfe eines Riesen in drei Wett rennen zuerst am Ziele ist. Auf scherzhafte Weise überrascht dann der vormals ,Dumme' seinen Vater." Damit ist eine wichtige Variante des Goldener-Märchens erwähnt, das uns der schon erwähnte Bericht auch für das Mondseeland be legt. Aus dieser Märchengruppe ist die Fassung vom „Eisen hans" durch die Brüder Grimm allgemein bekannt gewor den (KHM. Nr. 136). Der Wilde Mann oder Eisenhans wird gefangen, ein Knabe läßt ihn frei, erleidet deshalb Gefahr und Not, kommt aber schließlich durch seinen mäch tigen und dankbaren Helfer zu Ehren und Reichtum. Mit der gleichen Einleitung, die sich nur in eigenartigen Neben zügen abwandelt, kennen wir jetzt zwei wertvolle oberöster reichische Spielformen (Oö. Nr. 3 und 13), nachdem bisher nur zwei österreichische Varianten aus Tirol und zwei aus der Steiermark bezeugt waren. Auch die Spielformen anderer Goldener-Fassungen haben sich noch gefunden (Oö. 2 und Anm.4 und 139). Einen frühen Hinweis auf die Märchenüberlieferung Ober österreichs hat auch Adalbert Hein beigesteuert. Er zeich nete 1878 auf dem Schwarzmaiergute bei Linz von einem Bauernknecht eine Anzahl Märchen auf, die dieser von einem Maurer in der Nähe der Landeshauptstadt gehört hatte. Als sich 1896 Gelegenheit zu einer Veröffentlichung in der kurz vorher gegründeten Zeitschrift für österreichische Volkskunde bot, suchte er aus seinen Papieren das Märchen „Der höl lische Garten" heraus, fand aber den Schluß nicht. Die eine Probe zeigt uns schon, daß wertvolles Märchengut ver lorengegangen ist. Es blieb bei der Publikation des einen Stückes, der Nachlaß Hein aber ist vernichtet, wie ich einem freundlichen Briefe seines Sohnes, des Herrn Ministerialrats Dr. Hermann Hein, entnehme. Die heutige Märchenforschung, die auf wortgetreue Aufzeichnungen besonderen Wert legt, übersieht zumeist dieses frühe Vorbild eines der Volkskunde aufgeschlossenen Lehrers und Forschers. Es sei hier als ein der Allgemeinheit nur noch schwer zugängliches Beispiel auszugsweise wiedergegeben: Der höllische Gort'n Do war amol in aner Stadt recht a reicher Herr und den höhn die Leit in der gonzn Stadt alli gern ghat un endli is'r krank warn un da hahn die ganzn Leit traurt um eam. (Niemand weiß ihm zu helfen, bis eines Tages ein Reisen der kämmt und sagt:) „I wissat scha a Mittl, daß, r gsund wurd wem. In höllischn Gartn da is a Kraut un a lAIassa." „Ja", hobn s gsagt, „abr wia ma dös kriagt?" sagt r, „dös is leicht zun kriagn. Do is s drei Tag hin; un da muß halt aner van seini Söhn dös bringa!" Dr erste, dr Johann, rieht si in der Trua, bevor d' Sunn afgeht, das besti Pferd her un reit furt. Un so reit r den ganzn Tag, was r reitn kann. Es wird Nacht, un er kimmt zu kan Haisl un zu kan Haus un nirgends nit hin. Er reit na a Nacht furt un endli kimmt r halt da zu an Wirtshaus. In den Wirtshaus da bleibt r über d' Nacht; nemend eam s Pferd glei un tuan eam s gut betrein, un was er habn will zun essn un trinkn, dös kan r hon. Wia r guat gessn un trunkn hat, fragt n dr Wirt, zu was r a Preid hat, ab r glei schlafn geht adr spüln adr lesn. Wan r a Preid hat zun Spüln, so San a drei drausd, da kan r außa gehn und kan mitspüln. „Spüln tua i glei, dös is mr mei größte Preid daham." Un da hahn s halt a Weil gspült un da hat r sei ganz Geld vertaan, was r bei eam ghat hat. Wia s Geld gar is gwen, hat r eana s Roß a na gebn zun Verkafn un hat dös Geld a na verspült, daß r d'Zech a nimma hat zahln kinna. Un weil r d Zech nit hat zahln kinna, hat r durt bleibn miassn bei den Wirt. Sagt dr Wirt: „Bei uns is s a so: Wan wer was schuldi bleibt, der muaß so lang da bleibn, bis er kummt, der n auslest." Jetz kan er nimma in höllischn Gartn a. (Als er nicht nach Hause zurückkehrt, wird der zweite Sohn ausgeschickt, dem es ebenso ergeht. Nachdem auch er über die drei Tage hinaus ausbleibt,sagt der kranke Vater:) „Dös Kraut van höllischn Gartn un des Wossa, dös miass mr hobn!" Jetz muaß dr dritte a na furt, ab s der nit bringt. Wan er nit hinkimmt in höllischn Gartn, so wird r da van die zwein was erfahrn." (Nun nimmt der jüngste Bruder, Pritz, das beste Roß aus dem Stalle und macht sich auf. Er kommt in das gleiche Wirtshaus, als ihn der Wirt aber nach dem Essen fragt, ab er spielen oder lesen walle, ant wortet er:) „Na", sagt r, „spüln mag i gar net, wan s a alts Büchl habm, wo alte Geschichtn un Sachn drin stehn, dös is mr dos allerliabe." (Er liest nach und kann am anderen Margen unangefochten weiterreiten. Als es längst Abend geworden ist, kommt er im Pinstern endlich zu einem Häuschen und klopft an.) Schreit aner außa: „Wer is draußdl" „Na", sagt r, „seins so guat, mechtn s mi nöt über d Nacht gholtn?" „No, das glaub i!" sagt er. Jetz macht r eam die Tür auf un dös war a ungemein graßr Hund, a Schwarza. Der schwarze und nimmt eam glei das Pferd, tuat s eini in Stall und sagt zu eam: „Geh eini, i gib dr was zun essn, hast eh Hunger a!" Er fuadert s Pferd un gibt eam was zun essn

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