Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

an, die durch die Art ihrer Ausgestaltung zur Volkskunst zählen. Sachlich gehören in Oberösterreich hiehier; Flechtwaren aus Weide und Stroh, Strickereien, Stickereien, Töpferwaren, Geräte und Spielzeug aus Holz. Als dritte und letzte große Gruppe treten die Handwerker in den Kreis der Erzeuger von Gegenständen der Volkskunst. Die Verarbeitung des Eisens sowie der anderen Metalle, wie Zinn, Kupfer, Silber, war von jeher Spezialisten vorbe halten, den Schmieden, Schlossern (Messerern), Zinngießern, Kupfer- und Silberschmieden. In den Kreis unserer Betrach tung gehören ferner noch als wichtigste Handwerkszweige: die Zimmerleute, Tischler, Wagner, Binder, Drechsler und Schnitzer, die Handweber (vorwiegend bäuerliches Haus gewerbe), Färber und Blaudrucker, die Schneider, die Töpfer (Gefäß- und Ofenkeramiker), die Sattler und Tapezierer. Der Vollständigkeit halber seien noch die vorindustriellen Arbeiter der oberösterreichischen Glasmanufakturen (Schncegattern, Freudenthal etc.) erwähnt, die zwar hübsche bemalte und geschliffene Hohlgläser herstellten, aber infolge ihrer geringen Anzahl nicht zur soziologischen Auswirkung kamen. Wesentlich ist: Die Erzeuger von Gegenständen der Volks kunst waren „identisch" mit den Konsumenten, sie ent stammten einer Familie, hatten die gleichen Lebensbedingun gen, die gleiche Bildung, die gleiche Religion, und sie ver standen alle die Bedeutung der im Ornament aufgelösten magischen Sinnbilder. Sie wollten keine „Kunst" schaffen, sie freuten sich lediglich an der Verzierung und traten auch dann namenlos hinter ihr Werkstück zurück, wenn ihnen ein „großer Wurf" gelang, ja sie ahnten dies nicht einmal, weil ihnen ihre Arbeit immer noch klein im Vergleich zu den von ihnen nachgeahmten Vorbildern der „Oberschicht" erschien. Die bäuerliche Gruppe dieser Erzeuger stellte gleichzeitig das statische Element, während die Handwerker durchaus bemüht waren, ihr Angebot dynamisch aufzulockern, doch immer so, daß sie das Neue, Modische so gut wie möglich mit dem Alten, bereits Bekannten verbanden, um ihre Kundschaft einerseits zum Kauf bzw. zur Auftragserteilung zu reizen. andererseits war man um den Ausgleich bemüht, da man sich durch schockartige Wirkungen auf den Kunden das Geschäft nicht verderben wollte (es gab damals noch keine staatlichen Subventionen). Erstaunlich ist aber, was dabei herauskam. Man denke nur an die Pagodenschränke des Tischlers im Moos, an die gewiß ungarisch beeinflußte rosa Malerei der Regauer Vogerlkästen und an die schwarzen Lackarbeiten der Viechtauer! So steht nun die Volkskunst Oberösterreichs in den vergan genen Jahrhunderten vor uns als eine geistige, weitgehend in sich geschlossene Einheit mit den vielfältigsten, oftmals reichlich gewagten Variationen, die alle wieder eines gemein sam haben,nämlich, daß sie vom Ursprung her „echt" sind. Die Entwicklung der letzten hundert Jahre wollen wir über gehen, da sie vom Niedergang und von den Umwälzungen, die das Industriezeitalter mit sich gebracht hat, bestimmt war. Wir wenden uns daher dem Schicksal der Volkskunst nach dem zweiten Weltkrieg zu und wollen dabei die Situation in Oberösterreich besonders berücksichtigen. (In diesem Zu sammenhang verweise ich auf meinen Aufsatz: Oberöster reichs Volkskunst in Vergangenheit und Gegenwart. Eine Studie. In „Oberösterreich", Jg. 11/1961, Heft 1,S 75 ff.) Unser Bundesland ist gegenwärtig führend in der Herstellung von Gegenständen der Volkskunst und es dürfte ihm hin sichtlich Vielfältigkeit, Qualität und Quantität der einschlä gigen Produktion kein anderes Land in Mitteleuropa gleich kommen. In Kremsmünster arbeitet die Mittelschulprofessorin Frau Dr. Hertha Wascher, Tochter eines Universitätsprofes sors, in einer reizenden und leistungsfähigen Werkstatt an der Herstellung und Bemalung wohl der schönsten Span schachteln und Gläser, die jemals erzeugt wurden. Aus dem Geiste der Tradition heraus, aber dennoch völlig eigen ständig, bemalt Frau Wimmer-Brunner in Lambach schon seit 1912 Bauernkästen, die jedem Vergleich mit den alten Stücken standhalten. Zu ganz bedeutenden, eigenwilligen und dennoch volkstümlichen Lösungen ist auf diesem Gebiet der erst vor einigen Jahren verstorbene akad. Maler Professor Franz v. Zülow in Hirschbach bei Freistadt gekommen, und die Linzer Industrielle, Frau Luise Heiserer, übrigens auch Links: Die Strohsterne gehören heute bereits zum festen Bestandteil vieler Christbäume in Oberösterreich. Der abgebildete prunkvolle Stern stammt aus der kunsthandwerklichen Werk stätte von Frau Luise Huemer in Timelkam. Rechts oben: Die Leben digkeit unserer Volkskuitur erweist sich am innigsten in den Geräten des Brauchtums. Ein Spritzkerzen mann und ein Räuchermandl berei ten jung und alt um die Weihnachts zeit viel Freude. Rechts unten: Der Verfasser dieses Aufsatzes erhielt als kleiner Bub vom hi. Nikolaus einen prunkvollen „Goidberg". Als dieser Bub groß und Geschäfts führer des Oö.Heimatwerkes wurde, erinnerte er sich an dieses ]ugenderlebnis und nahm den Goldberg zum Vorbild für die „Weihnachts pyramide", die sich seit Dahren zu nehmender Beliebtheit erfreut. Im übrigen wissen wir aus der Fach literatur, daß solche Goldberge, Pyramiden und Lichterhäuschen zum Brauchtum der Mittwinterzeit vom Norden bis zum Süden des deut schen Sprachraumes gehörten.

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