Oben: Kunst im Handwerk: „Knödelhäfen", wie es noch jetzt von einem Kupferschmied des Salzkammergutes erzeugt wird. Unten: Kunst im Handwerk: Hölzerner „Sechter", mit Holz reifen abgebunden,aus einer Binderei des Mühlviertels. Helmuth Huemer Lebendige Volkskunst in Oberösterreich Sämtliche Aufnahmen: M. Eiersebner Wie unser ganzes Zeitalter den Stempel des Überganges trägt, so auch die „lebendige Volkskunst" unserer Tage. Was früher organisch gewachsen und daher selbstverständ lich war, ist heute wurzellos oder bewufSt „erneuert", viel fach noch nicht genügend gefestigt und daher problema tisch. Grundsätzlich müssen wir uns, wenn wir von einer „leben digen Volkskunst" überhaupt zu sprechen wagen, von der assoziativen Vorstellung „Volkskunst" sei gleich „Bauern kunst" lösen (s. Karl v. Spieß, Bauernkunst), denn eine „Bauernkunst" gibt es nicht mehr, seitdem ihr Träger, der Bauernstand, von einer tiefgreifenden wirtschaftlichen und soziologischen Wandlung ergriffen ist. Wir sind in den letzten hundert Jahren von einem Agrarstaat, der seinen Ständen: Bauer, Bürger (Handwerker und Kaufleute), Adel und Geistlichkeit ein festes Gepräge hinsichtlich Religion, Wirtschaft und Lebensart gab, zu einem Industriestaat gewor den, der die alte ständische Gliederung des Volkes weit gehend aufgelöst hat und in dem die beiden größten Grup pen, die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, den Ton angeben. Die Voraussetzungen für die „Volkskunst" unserer Tage sind also völlig andere als sie noch zu den Zeiten unserer Urgroßväter waren, andere hinsichtlich ihrer „Träger", also ihrer Hersteller (Erzeuger), und ihrer „Verbraucher" (Konsumenten). Vergegenwärtigen wir uns: Jede geistige und jede gegen ständliche Erscheinungsform des menschlichen Lebens braucht ihre bestimmten Voraussetzungen, die bereits die Art, in der diese Äußerung erfolgen kann, in einem gewissen Maße vorherbestimmt. Wie sah nun die Situation aus, die unserer alten „klassischen" Volkskunst vom ausgehenden Mittel alter bis zur zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ihr Gepräge gab? 1. Die Verbraucher (Konsumenten) waren die Bauern auf dem Lande und die Handwerker in den (vom bäuerlichen Element geprägten) Märkten und Städten. Zahlenmäßig hatten diese Bevölkerungsteile das Übergewicht, einkom mensmäßig lagen sie durchwegs (mit Ausnahmen) unter dem Niveau der Handelsherren, Adeligen und der (höheren) Geistlichkeit. Soziale Unterschiede waren bei den Bauern und Handwerkern natürlich vorhanden, die damaligen Arbeit nehmer lebten aber im Familienverband ihrer Dienstgeber, Herren und Knechte hatten die gleiche Denkungsart, sie hatten eine weitgehend gleiche Bildung und gleiche Kultur bedürfnisse. Ein „Streik" der Knechte und Mägde gegen ihren Bauern oder ein solcher der Handwerksburschen gegen ihren Meister wäre nicht denkbar gewesen, wohl aber ein Kampf des ganzen Standes (also Bauern mit ihren Knech ten) gegen einen höheren (Adeligen und Herren) um soziale Besserstellung. Das geistige Leben wurde einerseits von der christlichen Religion bestimmt, andererseits waren nachhaltend starke Glaubensvorstellungen aus der heidnischen Zeit vorhanden, die neben dem Christentum, mit einem christlichen Mäntelchen leicht verhüllt, weiterlebten. Außerdem: Je unverbildeter ein Mensch oder eine ganze Volksgruppe ist, desto größer ist seine bzw. ihre Freude an naiven, leicht erfaßlichen Darstellungen (Kinder, unterentwickelte Völker) und je nach Temperament und anderen Gegebenheiten auch die Freude am Glitzernden und an der Farbe.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2