Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 1/2, 1966

Dr. Dipl.-Ing. Ch. Vinzenz ]anlk, Linz Geologie und Landschaftsentwicklung des Innviertels Welch schönes, gesegnetes Land! Flache Hügeln, weite Tal auen und waldbedeckte Rücken gliedern die Landschaft, die durch Anmut und ihren Reichtum ein kostbares Schmuckstück Oberösterreichs darstellt. Das Innviertel, dieser historisch und erdgeschichtlich jüngste Landesteil, erstreckt sich von den felsigen Kuppen des Sau waldes über die weiten Niederungen des Inns und seiner Nebengerinne bis zu den Höhen des Kobernaußerwaldes, wobei das Alpenvorland erst in der letzten Erdepoche Fest land wurde. Die sprichwörtliche Fruchtbarkeit, die hohen Erträge der Schlierböden, die Kohlen- und Erdölvorkommen sowie der Holzbestand und die Wasserkräfte begründen in Verbindung mit dem Fleiß und der Tüchtigkeit seiner Bevölkerung den wirtschaftlichen Wohlstand und Aufschwung; und alle natur bedingten Gegebenheiten, die Naturschätze und die land schaftliche Schönheit, verdankt das Innviertel seiner geo logischen Entstehung und erdgeschichtlichen Entwicklung. Noch in der jüngeren Erdneuzeit (Miozän) lag zwischen dem kristallinen Grundgebirge des Sauwaldes im Norden und den Nördlichen Kalkalpen bzw. der vorgelagerten Flyschzone im Süden ein Meeresarm, der in diesem Landschaftsraum eine Breite von rund 50 Kilometern hatte und am Nordrand der Alpen und Karpaten entlangzog. Dieses Meer der Tethys (die Tethys ist das erdgeschichtlichmediterrane Meer) trennte das im Erdaltertum, zur Stein kohlenzeit, vor ungefähr 250 Millionen Jahren entstan dene Massiv der Böhmischen Masse von den Alpen, die sich im Erdmittelalter, zur Kreidezeit, vor ungefähr 120 Millionen Jahren auffalteten. Das kristalline Grundgebirge der Böhmischen Masse besteht aus sauren, quarzreichen Gesteinen, zum großen Teil aus Gneisen, in denen am Südrand feinkörnige Granite (Schär dinger Granit) eingeschaltet sind. Im Norden dagegen, an der Donau, sind zumeist Schiefergneise und Quetschschiefer (Mylonite) vorherrschend, die von NW gegen SO, an einer altangelegten, variszischen Störungslinie streichen. Die Entstehung der Alpen aus einem großen Meerestrog (Geosynklinale) und ihre Auffaltung im Erdmittelalter wurde anscheinend ausgelöst durch das Aufrücken des afrikanischen Kontinents auf die Festlandmassen Eurasiens, wobei die dazwischenliegenden Meeresablagerungen zusammengescho ben und emporgehoben wurden. Diese Alpenorogenese bewirkte in der Erdneuzeit die Auf faltung der Flyschzone und ein weiteres Nordwärtswandern des Meerestroges, wodurch das Absinken des Alpenvorlandes und ein Abbiegen bzw. ein teilweiser Abbruch der Böhmischen Masse verursacht wurden. So entstand im Norden der Tethys eine stark gegliederte Küstenlandschaft (Riasküste) mit zahlreichen Einbuchtungen, wie bei Rainbach und Enzenkirchen, die sich gegen Osten in die größeren Beckenlandschaften von Peuerbach, Eferding und Linz fortsetzen. Entlang dieser Küstenzone sind vielfach grobe Quarzsande (oligozäne Linzer Sande) als Aufarbeitungsprodukt des kristallinen Grundgebirges abgelagert, die teilweise in großen Sandgruben abgebaut werden. Das Abbiegen der Böhmischen Masse ist durch die Tief bohrungen der Rohöl-Gewinnungs A.G. bewiesen, indem unter den marinen Ablagerungen Gesteine des Grundgebirges erbohrt wurden. So fand man nordwestlich von Vöcklabruck in 2804 Meter Tiefe einen Cordieritgneis und bei Braunau in 2502 m Tiefe oberkarbonische Tonschiefer, wobei im Süden, zum Alpenrand, die Beckenfüllung bis 3500 Meter mächtig wird. Über diesem paläozoischen Sockel aus dem Erdaltertum liegen vorerst mächtige Jura- und Kreidesedimente aus dem Erd mittelalter, und darüber sind jüngere, erdneuzeitliche (tertiäre) Schichten von Eozän bis Miozän abgelagert, die stellenweise, z. B. bei Ried, Erdölhorizonte führen. Aus der abgeteuften Schichtfolge geht hervor, daß dieser Landschaftsraum durch viele Jahrmillionen hindurch ein Senkungsgebiet, ein geosysklinaler Meerestrog, gewesen ist, in das verschiedene, teilweise noch unverfestigte Sedimente eingelagert sind (Molassezone). Am Rande der Böhmischen Masse wurden von J. Schadler an einigen Stellen ein grüner, aus dem nördlich gelegenen Ge birge stammender Glaukonitsand und dunkelschwarze Phos phoritknollen gefunden, die während der beiden Weltkriege teilweise für Düngungszwecke (z. B. bei Prambachkirchen) abgebaut wurden. Dieser Leithorizont markiert die letzte,im Burdigal beginnende Meeresüberflutung und ist nach oben hin von HelvetTonmergeln überlagert, die weiter gegen Süden eine Mächtig keit bis 600 Meter besitzen. Sie bilden den bekannten Schlier des Innviertels, der aus sehr feinkörnigen, ton- oder feinsand reichen Schichten aufgebaut wird, die nach ihrer Fauna stratigraphisch als echte marine Sedimente bestimmt und nach ihren Fossilinhalt benannt wurden (Robulusschlier, Rotalien schlier, Oncophoraschichten usw.). Diese kalk- und phosphorsäurereichen Meeresablagerungen bedecken den größten Teil des Alpenvorlandes und begründen dessen Fruchtbarkeit. Ihre Südgrenze bildet die Flyschzone, die am Tannberg auch zur Landesgrenze wird. Das Bild des Innviertels vor ungefähr 17 Millionen Jahren, d. h. vor beginnendem Meeresrückzug im Torton, ist somit dem heutigen völlig verschieden, und die Landschaft wäre nicht wiederzuerkennen. Denn das Alpenvorland ist von Schärding bis Mattsee ein breiter Meeresarm, und an den Küsten sind flache Niederungen ausgebreitet, wobei der Haugstein im Norden (heutige Seehöhe 876 Meter) mit ungefähr 250 Metern und der Tannberg und Gaisberg (bei Salzburg) im Süden (heutige Seehöhen 784 Meter bzw. 1288 Meter) nur ungefähr 50 Meter Seehöhen hatten. Zu dieser Zeit existierte noch keine Donau, und am Südrand der Böhmischen Masse, im oberen Mühlviertel, wurden große Verebnungsflächen, eingespielt auf das damalige Meeres niveau, angelegt, die jetzt bei 600 bis 650 Meter Seehöhe liegen. Der Hohe Dachstein, derzeit der höchste Gipfel der Kalk hochalpen Oberösterreichs mit rund 3000 Metern, war damals noch eine unbedeutende Erhebung mit ungefähr 400 Meter Seehöhe. Diese Berechnung der ehemaligen Dachsteinhöhe ergibt sich aus dem Vorkommen der Augensteinschotter, die sich am Gjaidstein in primärer Lagerstätte bei ungefähr 2700 m derzeit noch vorfinden. Da sich ihre Ablagerung jedoch in rund 100 m Seehöhe, entsprechend dem Gefälle Frühling In den Innauen. Aufnahme; M. Eiersebner

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