Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 1/2, 1966

mit dem Setzen der Pflanzen beginnen, Kraut und Kohl, Kohlrabi, Möhren säen, Bohnen legen, die Paradeiser pflan zen, dazu brauche ich ein gutes Dutzend feste Stöcke zum Aufbinden, wenn sie der Wind nicht knicken soll, Gurken kerne werden gelegt, aus dem Holz lange Stecken geholt für die Bohnen, eine Gießkanne muß angeschafft werden, allerlei Gerät, aber es ist nicht umsonst, mein Acker gedeiht. Auch die Kaninchen gedeihen, schon gibt es Junge, der Haserer Theophil hat seinen Mann gestellt, Defiol, nennen sie ihn im Dorf, zehn hat die eine, zwölf die andere Häsin geworfen, reizende Häschen, du mußt ihnen etliche nehmen, sagt der Nachbar, sie haben nicht so viele Zitzen, ich bringe es nicht übers Herz, ich lasse sie ihnen, und sie kommen alle auf, nicht eines geht ein, und keines bleibt zurück, der Nachbar schüttelt den Kopf, du hast Glück gehabt, meint er, gewiß, aber zum Glück gehört Mut, sagen die Italiener. Der Acker gibt viel Arbeit, der Sommer kommt heiß und trocken, man muß Wasser hinausfahren, zwei große Milchpitschen vom Hafter haben Platz auf dem Leiterwagerl, manchmal ist es schon stockdunkle Nacht und ich fahre noch immer zum Bach um Wasser für meinen Acker. Zuweilen sind die Kaninchen unruhig, in der Nacht, ehe der Tag graut, sie schlagen mit den Hinterläufen, man wird wach davon, horcht in die Stille, ja, es sind die Kaninchen unten im Stall, aufgestanden also und nachgesehen, aber es gibt nichts zu sehen, nun sind sie auch wieder beruhigt, vielleicht habe ich nur geträumt, aber am Morgen liegt ein riesiger roter Kater unter der Bank vor dem Haus, schnell macht er sich da von, hinauf zum Wiesenhügel, aber ist es denn ein Kater? Er hält inne, wendet sich um und trollt gemächlich dem Wald zu, es ist gar kein Kater, der Fuchs ist es, der Holzfuchs, der Holzfuchs holt dich, sagen sie hier, wenn sie die Kleinen schrecken wollen, es hat ihn nach einem Kaninchen gelüstet, leider wird er sich das aus dem Kopf schlagen müssen. Eigent lich gibt es immer etwas, was man dem Nachbar erzählen kann, was er zu erzählen hat, irgend etwas ereignet sich immer, eine Hochzeit im Dorf, festlich mit großem Mahl und Trunk hinterher, und Tanz, und manchmal eine ausgiebige Rauferei, in diesen Tagen, zum Beispiel, einen haben sie mit der Rettung fort, sagt der Nachbar, und einen haben die Gendarmen geholt, beim Wirt arbeiten Tischler und Glaser meister, auch die Lampe in der Wirtsstube ist zerschlagen, kein Stück ist ganz geblieben, einer weiß es besser als der andere, natürlich ist es dabei ums weibliche Geschlecht ge gangen; wenn die Gendarmen Auskunft haben wollen, kann keiner sich an die Sache erinnern, es war ja stockfinster, als die Stuhlbeine sich selbständig zu machen begannen, und nachts sind alle Kühe schwarz. Oder große Aufregung am Morgen, beim Hafter ist die Sau aus dem Stall verschwunden, das große, prächtige Zuchtschwein, und niemand hat etwas gehört in der Nacht, vielleicht war der Koben nicht gut ver riegelt, vielleicht waren Diebe im Haus, der Stall ist aufge brochen, sagt jemand, aber niemand löst das Rätsel, schnell auf die Fahrräder, die Gegend abgesucht, hast du nicht meine Sau gesehen, nein, nein, doch, einer hat sie gesehen, natürlich kann's auch eine andere gewesen sein, auf ins Nachbardorf, aber darf man seinen Augen trauen? Da kommt sie schon quer über die Felder her, sie kommt von alleine wieder, sie war nur auf Besuch, die Liebe hat sie so gewaltig überfallen, daß sie auf und davon ist,sie hat den Weg ja nicht zum ersten mal zurückgelegt, vorher freilich in Begleitung. Na, die Hauptsache, sie ist wieder gefunden! Beim Nachbar gibt es ein Fohlen, braun und glänzend wie eine frisch aus der Schale gesprungene Kastanie, stolz blickt die Stute auf ihr Kind, das hochbeinig im Gras umherhopst und plötzhch sich ans Ge säuge drängt, die Tauben schnäbeln auf dem Dach, die Brut henne zieht mit der Schar der piepsenden Flaumbällchen aus, das Leben stirbt nicht aus im Dorf. Aber nachts hat der Kauz Wilhelm Dachauer: Milchfrau, öl gerufen, der Totenvogel, komm mit, komm mit, die alte Müllnerin hat er mitgenommen, ihre Seele nur, die Einsagerin kommt und bittet zur Nachtwache, in der Stube versammeln sich die Dorfleute, nebenan in der Kammer liegt die Müllnerin aufgebahrt, der Vorbeter kniet hin, die Kerzen brennen, der Rosenkranz gleitet in seinen Fingern, es ist schrecklich heiß in der Stube, der Bierkrug wandert von Hand zu Hand, jemand schneidet den Brotlaib an, aber das Bier tut seine Wirkung, auch beim Vorbeter, er verhaspelt sich hoff nungslos in der Lauretanischen Litanei, das junge Volk ver gißt schnell die Tote in der Kammer, die Burschen spotten dem Alten nach, ein Glück, daß er halb taub ist, die Menscher pfugitzen schon, streng weisen die Blicke der gesetzteren Generation sie zurecht, aber es ist zu spät, der Vorbeter trägt alle Schuld, auch sie, die Bäuerinnen müssen schmunzeln, vielleicht lacht auch die alte Müllnerin noch einmal, sie hat's ja hinter sich, und jetzt hat's auch der Vorbeter geschafft, er wischt sich den Schweiß vom Gesicht, vergelt's Gott für die Wache! Hinterm Haus, wo die Dachtraufe ist, blüht der Holunder, ein weißer, duftender Strauß voll Bienengesumms, Sonnwend ist und die Kinder haben seit Tagen Reisig aus dem Wald und altes Gerümpel, morsche Bretter und Pfosten auf dem Hügel zusammengeschleppt, noch ist die Sonne nicht untergegangen, aber gleich wird es so weit sein, da kommen sie schon, noch nicht zu sehen, aber zu hören, die größeren voran, ein Höllen spektakel, morgen müssen sie stockheiser sein von diesem

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