Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 1/2, 1966

die Zeit dazu da ist, wird er sich an die Überlandleitung an schließen, die gebaut werden soll, und nur mehr mit Kraft strom sägen. Vorläufig muß er sehen, wie er zurecht kommt, und er kommt zurecht, ja, es stört ihn durchaus nicht, wenn mit der Säge nichts zu machen ist, denn er hat noch andere Vorhaben, im Augenblick aber brauche ich etwas von ihm, Bretter, keine besonderen, Abfall mehr oder weniger, ein paar Latten dazu, denn ich muß einen Stall bauen, einen Stall mit Rost zum Herausnehmen, mit einer Türe, die soll ein Gitter haben, der Stangl kennt sich gleich aus, er weiß mir sogar ein altes Drahtgitter, es muß ja auch Licht in den Stall gelangen können, zuerst dachte ich daran, die vordere Hälfte der Tür mit fingerdicken Leisten und genügend Zwischenraum zwi schen den Leisten auszustatten, aber das ist nichts, der Stangl hat recht, die Kaninchen würden sie am nächsten Tag durch gebissen haben, sie sind Nager, sie brauchen immer etwas zum Nagen, am besten, ich geh' ihnen ein Stück hartes Holz hinein, einen Buchenprügel, an dem noch die Rinde dran ist, auf alle Fälle müssen sie nagen, steinhartes Brot wäre sehr geeignet, können sie nicht nagen, wachsen ihnen die Zähne zu lang und sie verhungern mir am Ende, ich werde diese Ratschläge genau befolgen, und dann finden wir die passen den Bretter und Latten, und wir können auf einen Sprung in die Werkstätte schauen, denn der Stangl hat sich im Neben trakt eine Werkstätte eingerichtet, und darin gibt es Eisen über Eisen, Draht und Stücke aus Kupfer, Messing, Hämmer, Feilen, Zangen, Bohrmaschinen, Drehstock und weiß Gott was noch alles, ich kenne diese Sachen nicht alle, und es gibt Zeichnungen und Pläne, sauber und haargenau gearbeitet mit Reißfeder und Tusche, Pläne von künftigen Dingen, Maschinen, Apparaten, ganz neue, sensationelle Dinge sind darunter, hier also ist Stangls eigentliches, heimliches Reich, er ist ein Bastler, ein Erfinder, ein Genie, seine Augen glänzen jetzt freudig erregt, der Gedanke, daß er so vieles noch vorhat und bauen wird, der Gedanke allein verändert ihn voll kommen, ach die Säge, eine Handbewegung tut sie ab als ein notwendiges oder noch notwendiges Übel, seine Frau, die Stanglin freilich, hat kein Verständnis für dieses Reich hier, sie schüttelt den Kopf über solche Spinnereien und mag es gar nicht, wenn er zu viel Zeit damit verbringt, die Säge, ja, das ist eine nützliche Sache, ein Weibsbild eben, sagt der Stangl und lacht, aber eine Handvoll Nägel und ein paar Scharnieren brauche ich wohl auch, na, eben, und dann kann ich ans Werk gehen, und am Abend ist mein Stall fertig, auch der Rost paßt, eine dicke Lage Stroh darauf, meine Kaninchen fühlen sich wohl darin, es sind schöne, graue, schnellwüchsige Kaninchen, zwei Häsinnen und ein Haserer, wie sie hier sagen, ein Rammler also, noch genügt dieser Stall, aber im Frühjahr wird es junge Kaninchen geben, ein Dutzend mindestens, oder mehr, dann muß ein zweiter Stall her, vielleicht sogar ein dritter, und es wird künftig Fleisch in Hülle und Fülle geben, und aus den Fellen kann man Mützen machen für die Kinder, vielleicht geht auch ein Mantel heraus, gut für den Winter. In die Raufe kommt Heu oder grünes Gras, eine Handvoll Klee, oder Löwenzahn, Bärentatzen, die lieben sie ganz besonders, im Herbst auch Rüben, und ab und zu eine Schüssel Hafer, sie werden prächtig gedeihen, ich bin überzeugt davon. Das Gewitter und der ausgiebige Regen waren eine Wohltat, nicht nur für die Wiesen und Felder, auch für den Wald, im Gehölz hinterm Haus, oben auf dem Hügel, gleich beim Brechlbad unter der Buche finde ich einen Pilz, noch einen, ein Stück weiter eine ganze Schar Täublinge, Perlpilze gibt es schon, und wo es ganz feucht und moosig ist, flackert es gelb, ein Nest voll Eierschwammerl, Regen sagen die Leute dazu, einen ganzen Hut voll Regen hat der Hansei heimgebracht, mich aber lockt es weiter, der Tannberg zieht mich an, und so geh' ich los m.it meinem großen Rucksack, die Dörfer bleiben hinter mir zurück, da und dort noch ein Hof, eine Scheune, ein Heustadel, bei der Mühle bleibe ich stehen, eine uralte Mühle, und das Mühlrad dreht sich, wie lange noch, frage ich mich, und die Mühlsteine mahlen, der Müller, ein alter Mann, tritt mehlbestäubt aus dem Haus, freilich, man kann ihm Korn oder Weizen bringen, er gibt einen Stumpen Mehl dafür, im klaren Wasser die Forellen, wenn ein Heuschreck hineinspringt, geht blitzschnell eine hoch, weg ist er, aber ich muß weiter, ich will Pilze suchen, und oben in den ver schwiegenen Tiefen, auf dem weichen Moos mitten im Jung bestand der Tannen und Fichten knie ich, und mein Messer blitzt, Jagdleidenschaft überfällt mich, nichts mehr sehe ich als die dicken weißen Bäuche und die braunen Kappen und Hüte der Pilze, fest und prall ein jeder, kein Wurm steckt drin', die ganz großen, wahre Regendächer, lasse ich dem Wald. Noch ist es kaum Mittag, und mein Rucksack vermag nichts mehr zu fassen. Wo es sich lichtet und der blaue Himmel hereinschaut, strecke ich mich hin und packe meine Butterbrote aus, zwei Bussarde kreisen über dem jungen Schlag, es muß ein Himbeerschlag sein, wenn ich Mahlzeit gehalten habe, werde ich nachsehen, und wirklich, die Stauden hängen voll reifer Beeren, sie vermögen die süße, rote Last kaum mehr zu tragen, wenn ich eine anrühre, fallen die Früchte in meine Hand, morgen gleich werden wir kommen mit Eimern und Kannen und ernten, die Kinder und ich, und übermorgen wieder, der Schlag hat ja schier kein Ende. Und die Hafterin wird auch einen Eimer voll bekommen davon, oder zwei. Auf dem Heimweg, herab durch die düsteren Gräben, entdecke ich Unmengen von Fallholz, armdicke Äste, entwurzeltes Stangenholz, ausgeliefert dem Moder und der Fäulnis, ein wenig schwierig herauszubringen, aber das neue Leiterwagerl ist stark gebaut, ich muß mir Stricke einstecken, wenn ich zu Holze fahre, so kann ich mehr laden, einen Gurt vielleicht über die Schulter, so kann ich besser ziehen, eine Axt vielleicht, um die Äste von dem lästigen Beiwerk zu säubern, so kann ich sie besser laden. Vor dem Haus steht der Hackstock, darauf kann man die Äste herdgerecht hacken, unter den Fenstern an der Wand aufschichten zum Trocknen, die Sonne lehnt ja lang genug hier an der Wand. Wo gibt es Scheiter zu kaufen in dieser Zeit? Und die Kohle ist auch noch rar, man muß sich selber zu helfen wissen. So geht der Sommer hin, der Hafter ist heimgekehrt, das Getreide unter Dach, die Dreschmaschine war da, zwei Tage lang stand sie in der Tenne, alle Hände hatten voll zu tun, der Staub ist von den Leibern gewaschen, die jungen Schwal ben sind längst ausgefallen, im Holz ist der Kuckuck ver stummt, allmählich wird es stiller, das Jahr. Nur der Gesang der Gasselbuben, wenn sie von den Mädchen heimkehren, ist weithin zu hören durch die Nacht, wenn der Mond voll wird, bellen die Hunde auf den Höfen. Einmal klopft es spät noch ans Fenster, eine Kuh ist zum Kälbern beim Bauern drüben, aber das Kalb kommt nicht, sie brauchen noch einen zum Ziehen, schnell in die Hosen, den Rock noch, die Trittlinge, die Kuh mit gewaltigem Leib liegt in der Streu, groß die Augen, schwer der Atem, wir sind unser vier, der Bauer krempelt die Hemdsärmel hoch und langt mit dem Arm in den Leib des Tieres, er muß wissen, wie das Kalb liegt, dann nimmt er den Strick, die Kuh ist unruhig, aber er muß noch einmal in ihren Leib fahren, mit dem Strick, und die Schlinge dem Kalb anlegen, das erfordert viel Geschicklichkeit und Kenntnisse, vor allem aber auch Er fahrung, und die hat er, der alte Bauer, das Kalb soll ja heil herausgebracht werden, und dann fassen wir den Strick an und ziehen und ziehen, und der Schweiß steht uns auf der Stirn, er strömt aus allen Poren des Muttertieres, der Bauer muß wieder eingreifen, endlich ist es soweit, der Kopf kommt zum Vorschein, und dann, schneller als ich es für möglich gehalten hätte, ist es da, das Kalb, ein prächtiges Kalb, der

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