altes Stöckl, auf der Bank davor ein paar Leutchen, denen die Sonne gut tut, und schon bin ich wieder zwischen den Feldern, aus denen die Lerchen pfeilgrade in den Himmel fliegen, jubelnd natürlich, wie es die Lerchen tun, der Mesner blickt auf die Uhr, aber schon hebt die andere im Turm zu schlagen an, er läuft und zieht am Glockenseil, zwölf ist es, Leute, nehmt den Hut vom Kopf, der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft. In den Stuben haben sie den Löffel gewischt, jetzt steh'n sie auf und sagen ihr Gebet her und gehen wieder an die Arbeit. Sie essen hier alle um elf, beim Bauern, beim Hafter, beim Glücker, die drei sind verwandt untereinander, und beim Mayrhofer, auch die andern, die keine Bauern sind, essen um elf, beim Kronberger, der Maurer ist und auch ein paar Kühe im Stall hat, beim Daxer, beim Schorschen, beim Zorn, beim Pichler, der stammt aus Südtirol und arbeitet auf der Straße, auch die Wanda mit ihren Kindern ißt um elf, da kommen sie aus der Schule heim, Wanda heißt sonst niemand weit und breit, Resi, Rosa, Maridi, Zenzi, ja, das sind Namen, aber Wanda, das kommt daher, daß sie in Wien geboren ist, und weil sie die Wanda ist, ist ihr Mann der Wanda Hans, auch wenn er sich Angelberger schreibt, Angelberger gibt es genug, Wanda Hans ist er allein, früher war er Zimmermann, damit geht es nicht mehr recht, er ist Schwerinvalide, darum darf er die Briefe austragen, bis hinauf nach Tannberg, und ist zu Mittag nie daheim,er gilt als ein anstelliger Mann,er hat Ver ständnis dafür, daß man nicht wegen jeder Kleinigkeit den weiten Weg ins Dorf machen kann bei der vielen Arbeit und den wenigen Leuten im Haus, also nimmt er die Briefe mit, die Pakete, die Eingabe bei der Gemeinde, das Geld fürs Fi nanzamt, nein, er stellt sich nicht dumm an, dafür gibt es, wenn er gerade zurechtkommt, roggene Rohrnudeln und Sauerkraut bei dem einen, ein anderes Mal wo anders Knödel und Fleisch, eine Hand wäscht die andere. Die Wanda hält sich in ihrem Viertelhaus, das eigentlich ihrer Schwester, der Mayrhoferin, gehört, Hühner, eine Ziege, ein Schaf, ein paar Schweinchen, blondborstig und von rosiger Haut sind ihre Schweinchen und zutraulicher als der alte, von tausend Liebes händeln zerfranste Kater, wenn sie keine Schweinchen mehr sind und der Tag kommt, vor Weihnachten vielleicht, dann muß sie aus dem Haus gehen, ins Dorf vielleicht, damit sie den Schrei nicht hört, den Sterbeschrei. Das Schaf hält sie we gen der Wolle, sie halten alle Schafe in dieser Zeit, am Mor gen werden sie aus dem Stall gejagt, am Abend kommen sie zurück, oft schon am hellen Nachmittag, ihr breites Plärren ist weithin zu hören. Ganz vom Wald eingeschlossen liegt die Bräuwiese, sie ist zur Mitte hin feucht und sumpfig, vor allem im Frühjahr, dort holen die Dorfkinder den Strauß für den Muttertag, Trollblumen, langstengelige, gelb wie die Sonne, am Bachufer zwischen den Haselbüschen und Erlen gibt es den Seidelbast, aber der ist längst verblüht. Wo der Boden trocken ist, gegen den Wald zu, haben sich heute Zigeuner niedergelassen, das zottige Pferdchen grast auf der Wiese, magere, dunkelhäutige Kinder mit pechschwarzen Augen schleppen dürres Reisig und Astwerk herbei, das Feuer knistert und qualmt, die Alte hängt den verrußten Kochtopf über zwei Steinen in die Flammen, einer macht sich am Wagen zu schaffen, unter der Plane im bunten, verschmutzten Bettzeug schläft ein Säugling. Die junge Zigeunerin steht plötzlich in der Küche oder in der Stube, niemand hat sie eintreten gehört, sie will Karten legen oder in der Hand lesen, auf alle Fälle aber will sie Eier oder Mehl oder Milch oder ein Stück Fleisch, ihr Blick wandert schnell von einer Stelle zur andern, sie geht nirgends leer aus, was sie bekommt, verschwindet rasch, sie rafft den Kittel hoch, es hat immer noch etwas Platz darin, das Mädchen an ihrer Seite trägt die Kanne für die Milch, man ist froh, wenn sie wieder aus dem Haus sind. So mache ich meine Entdeckungen, jeden Tag neue, jeden Tag andere, und so kommt der Sommer, und in jedem Haus fehlt noch einer, der Knecht dort, der Sohn da, der Bauer beim Hafter, der ist noch in Frankreich, und so nehme ich den Rechen und geh' mit den Leuten auf die Wiesen, das Heu ist schon resch, wir rechen und schobern es, der Stallbub kommt nach mit dem Leiterwagen, oder der Serb', der noch da ist, er hat es nicht eilig mit dem Heimkehren, weiß Gott, er wird seinen Grund haben, sie kommen also mit dem Leiterwagen gefahren, seit einigen Wochen haben sie alle wieder Pferde, Kriegspferde, die man bei Straßwalchen zusammengetrieben hat. Hunderte sind es gewesen, und jeder Hof konnte jemand schicken und sich ein paar Rösser holen, Max und Bella heißen die unsern, sie haben es gut getroffen beim Hafter, der Max ist noch ein wenig nervös, man muß aufpassen, wenn man sich ihm nähert, leicht erschrickt er und schlägt, aber auch das wird sich geben, Bella ist blind auf einem Aug', kriegsblind, ein frommes Roß, sagen sie, wer weiß, vielleicht träumen auch sie nachts noch immer von anderen Dingen. Jetzt stehen sie still, verloren fast, so scheint es mir, gar nicht da, nur der Schweif geht unablässig, die Bremsen sind nicht auszustehen, wir tummeln uns und gabeln das Heu in großen Schübeln auf den Wagen, die beiden Mädchen oben treten es fest, den Baum niedergebunden mit dem Seil und heimzu geht es, es ist schon die letzte Fuhre, die Mädchen müssen gleich in den Stall, aber noch leuchten ihre roten Kopftücher weithin von der Höhe der Heufuhre herab. Am Abend sitzen wir um den großen Tisch, löffeln die kühle Milch und greifen tüchtig nach den heißen, duftenden Rohrnudeln, die Bäurin hat sie in Schmalz flaumig und locker und goldbraun gebacken, sie kann stolz sein darauf. Ein heißer Tag war das, jetzt wetterleuchtet es rundum, jäh kommt der Wind auf, ein ganz schneller Wind,schon wühlt er im Laub des Nußbaums, weither rumort es aus himmlischen Gefilden, dann steht die Stube taghell, helf uns Gott, hart schlägt der Donner zu, die Blitze jagen einander in stock schwarzer Nacht,von der Dachtraufe stürzt das Wasser,schnell einen Eimer, schon ist er voll, noch einen, das saubere, weiche Regenwasser kann man im Hause gut gebrauchen, die Kinder schließen schnell die Augen, wenn es blitzt, halten die Ohren zu, wenn es kracht, aber der Bach draußen, das Bächlein, kein Bächlein mehr, ist in seinem Element. Lang schon liegen wir in den Betten, das Gewitter ist abgezogen, aber noch immer sind alle Schleusen des Himmels offen, spät erst, gegen Mitter nacht zu, klopfen nur mehr die schweren Tropfen aus dem Laub des Nußbaums aufs Dach, die Sterne blicken herein, das Dorf schläft, nur der Bach draußen ist noch außer Rand und Band und wälzt sich, fast gewalttätig, unterm Steg durch hinab ins Dorf und hinaus in die ebenen Wiesen, die erst bändigen ihn. Der Kauz fliegt aus der Scheune, im Holz ruft die Waldeule, dorfher hör' ich noch den Stundenschlag, der Erdball dreht sich dem Morgen zu. Morgen werde ich hinüber zur Säge gehen. Es ist keine große Säge, nein, aber der Stangl ist ein tüchtiger Mann,ein findiger Kopf,immer ist er dabei, sie zu verbessern, zu vergrößern, und während das Gatter auf und nieder geht, gehen in seinem Kopf die Gedanken um, wie man dies und wie man jenes machen könnte, auf dem Platz liegt Bloch an Bloch, die Bauern brauchen immer Bretter und Pfosten, ein Stall ist nicht mehr, wie er sein soll, ein Dachstuhl muß er neuert werden, so hat der Stangl Arbeit über Arbeit, aber nicht immer geht die Säge, er betreibt sie mit dem Wasser, das er von unserm Bach abgezweigt hat, und manchmal, in sehr trockenen Zeiten, reicht das Wasser nicht mehr, dann steht sie still, und sein kleines E-Werk, das er selber gebaut hat, vermag kaum Strom genug zu erzeugen fürs Haus, die Glühbirnen flackern, ein schwaches, gelbes Licht ist es, jeden Augenblick, so glaubt man, muß es auslöschen. Später, wenn
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