Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 1/2, 1966

Nun schien zunächst alles wohlgeordnet zu sein und der Kaiser mochte hoffen, sein großes Ziel der Erwerbung weiter Teile Bayerns erreicht zu haben. In Bayern selbst herrschte Entrüstung und Empörung über die Zerstörung der Einheit des Kurfürstentums. Der Chronist des Stiftes Suben erwähnte nur in knappen Worten die Huldigung der niederbayerischen Stände in Straubing und meint, der Schmerz verbiete ihm, mehr darüber zu schreiben. Freilich gab es in Bayern auch eine Partei, welche es lieber gesehen hätte, wenn Bayern ganz an das Haus Österreich gekommen wäre, statt daß es zer stückelt werde. Eine patriotisch-bayerische Bewegung zur Rettung der Einheit Bayerns unter dem wittelsbachischen Hause, welche in der Herzogin Maria Anna eine große Stütze gefunden, hatte in dieser Zeit der Kabinettspolitik keinen Erfolg zu verzeichnen. Es ist wie eine Ironie der Geschichte, daß der Retter Bayerns der preußische König war. Friedrich II. von Preußen war entschlossen, eine derartige Machtverschie bung in Süddeutschland zugunsten Österreichs nicht hinzu nehmen. Er bewog den Wittelsbacher Karl August von PfalzZweibrücken, den präsumptiven Erben Karl Theodors, ein Hilfegesuch an Preußen zu richten und beim Regensburger Reichstag Protest gegen die Besetzung bayerischen Territo riums durch Österreich zu erheben. Diplomatische Verhand lungen zwischen dem Berliner und dem Wiener Hof blieben ergebnislos. Am 5. Juli 1778 überschritten preußische Truppen die böhmische Grenze. Zunächst hatte es den Anschein, als würde sich auf dem böhmischen Kriegsschauplatz eine militärische Auseinander setzung größeren Formats entwickeln. Friedrich der Große zog selbst ins Feld und das Kommando der österreichische Armee übernahm der Kaiser. Ganz beträchtliche militärische Kräfte marschierten in Böhmen und dem angrenzenden Sach sen und Schlesien auf, kriegserprobte Heerführer — bei den Österreichern Lacy, Hadik und Laudon — traten in Aktion. Friedrich von Preußen hatte nach seinen eigenen Worten gefürchtet, der Krieg werde ganz Europa in Bewegung brin gen. Aber dieses Europa sollte kein echtes „Kriegstheater" im Sinne des 18. Jahrhunderts mehr auf den alten Schlacht feldern in Böhmen erleben. Die Österreicher hatten eine starke und vorteilhSatfetlelung, der preußische König mußte lange Zeit unbeweglich mit seinem fdeer stehenbleiben — es gab Rekognoszierungen, kleine Scharmützel, und die einge drungenen preußischen Truppen mußten sich schließlich aus Böhmen zurückziehen. Der Spott begann sich der preu ßisch-österreichischen Aktion in Böhmen zu bemächtigen: als „Kartoffelkrieg" oder „Zwetschkenrummel" ging dieser Krieg um das bayerische Erbe in das geschichtliche Bewußt sein ein. Freilich sagte nicht mit Unrecht ein österreichischer Zeitgenosse, es sei „vielleicht noch kein Krieg mit so viel Klugheit und Vorsicht geführt worden" wie dieser. Wenn auch Preußen sein militärisches Ziel nicht erreicht hatte und den Krieg nicht gewann,so gewann es doch den Frieden. In der Friedensfrage war die alte Kaiserin aktiv und be stimmend. In der Weisheit ihres Alters hatte sie „einen kleinen Frieden einem glorreichen Krieg" vorgezogen, wie sie selbst in einem Brief bekannte. Der Krieg hatte kaum be gonnen, als Maria Theresia den Freiherrn von Thugut ins preußische Feldlager bei Welsdorf zu König Friedrich ge schickt hatte, um Friedensverhandlungen in Gang zu bringen. In Braunau in Böhmen wurden die angeknüpften Verhand lungen fortgesetzt, und als Rußland und Frankreich die Vermittlung übernahmen, kam es zum Friedenskongreß in Teschen, wo am 13. Mai 1779 der Friede geschlossen wurde, als dessen Garanten Frankreich und Rußland fungierten. Der Friedensvertrag bestand aus einem ganzen Komplex von Vertragsinstrumenten. Der Kern war der preußisch-öster reichische Friedensschluß, dazu kamen Separatverträge zwi schen Österreich und Sachsen, Österreich und Kurpfalz, dazu gesellten sich die Beitrittserklärung des Herzogs von PfalzZweibrücken, die Sonderverträge zwischen Kurpfalz und Kur sachsen, zwischen Kurpfalz und Pfalz-Zweibrücken, dann die russisch-französische Garantieerklärung über den Hauptver trag und sämtliche Sonderverträge, weiter die zwei AnnahmeErklärungen dieser Garantie durch Friedrich und Maria Theresia, alles mit Datum vom 13. Mai 1779. Später hinzu kam noch Josefs II. Beitritt zum Teschener Frieden als Mit regent der Kaiserivnom 16. Mai 1779 und die entsprechende preußische Annahme-Erklärung und schließlich die Beitritts erklärung des deutschen Reiches vom 28. Februar 1780. Die einzelnen Punkte des großen Vertragswerkes interessieren hier wenig. Entscheidend war, daß Bayerns Existenz unangetastet blieb. Preußen hatte keinen Territorialgewinn und war doch der Gewinner, da es die Vergrößerung Österreichs verhindert hatte. Sachsen erhielt eine Geldablöse für seine Ansprüche an Bayern, und Österreich war schließlich der große Verlierer dieses Spiels: Es mußte nicht nur die besetzten Teile Bayerns räumen und zurückgeben, sondern es mußte auch für alle Zukunft jeden Anspruch auf Bayern aufgeben. Es verlor also viel, aber es gewann das Innviertel: „Der Kurfürst von der Pfalz tritt der Kaiserin-Königin zum Beweise seiner Erkennt lichkeit für die von ihr erfahrene Zuneigung für sich und seine Erben die Ämter Wildshut, Braunau samt der Stadt dieses Namens, Mauerkirchen, Friedburg, Mattighofen, Ried, Schärding und überhaupt den District von Baiern ab, der von den Flüssen Donau,Inn und Salzach begränzt ist." Am 31. Mai 1779 erschien jenes kaiserliche Patent, welches die Besitznahme des von Bayern an Österreich übergegange nen Landesteiles am Inn proklamierte, dessen Eingliederung in das Erzherzogtum Österreich ob der Enns und dessen Bezeichnung „Innviertel" verkündete. Die Groteske, daß das Land ob der Enns auf diese Weise nunmehr fünf Viertel hatte, wurde beseitigt, indem man etwas später die nördlich der Donau gelegenen Viertel, das Mühl- und das Machland viertel, als „Mühlviertel" vereinigte. 16 Tage nach dem Friedensschluß — am 2. Juni 1779 — räumten die österreichi schen Truppen die besetzten Gebiete Niederbayerns, und am gleichen Tag huldigte das neue „Innviertel" in Braunau am Inn dem neuen Landesherrn, als dessen Vertreter der ober österreichische Landeshauptmann Christoph Wilhelm Graf Thürheim die Huldigung entgegennahm. Das Innviertel ge hörte nun zu Österreich. Schon im Herbst des Jahres 1779 kam Josef II. von Böhmen her über Linz, durch das Salzkammergut und über Franken markt in das Innviertel, um den neu gewonnenen Landesteil zu besichtigIen. einem mehrtägigen Ritt durcheilte er das Land am Inn, übernachtete in Perwang, in der Stadt Braunau, in Schärding und im Gerichtsdienerhaus zu Schardenberg. In einem „Journal von Der Reyse Anno 1779" hielt der Monarch den Verlauf seiner Besichtigungsreise im Innviertel in knappen Zügen fest. Wenn es in der Instruktion für den anschließen den Aufenthalt des Kaisers in Engelhartszell heißt, der Kaiser wolle im Gasthaus übernachten, man solle guten weißen und roten Wein, Weißbrot und etwas Viktualien für ihn bereit stellen und trockenes Gerstenstroh zum Strohsack vorbereiten, man dürfe die Zimmer für den Kaiser nicht heizen — so ist hieraus der Stil dieser Kaiserreise durch das Innviertel zu ersehen, welche nichts mehr mit einer barocken Hofreise zu tun hatte. Von dieser Reise schrieb Josef jenen Brief vom 31. öktober 1779 aus Schärding an Maria Theresia, in wel chem sich das Wort vom „winzigen Gegenstand" findet. Aber er fügte noch hinzu: „Aber an und für sich ist dieser Land strich schön und gut und für Oberösterreich sehr gelegen." Josef II. war mit seiner Reise durch das Innviertel — „nouvelle Partie"oder „nouvelle acquisition" hieß es bei ihm — sehr zufrieden, vor allem über die Beweise der Zuneigung, die ihm

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