Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 1/2, 1966

zehn Jahre später wurden die Frauen in das aufgelassene Zisterzienser-Kloster Baumgartenberg überführt und Suben nach Umbauten 1867 als Männerstrafanstalt eingerichtet, die bereits ein Jahr später 500 Gefangene zählte, und 1932 er folgte die Umwandlung in ein Arbeitshaus. Die harte und überstürzte Art der Aufhebung sowie der häufige Besitzwechsel hatten die Bestände der Bibliothek und des Archivs sowie die Kunstschätze des Klosters in alle Winde zerstreut, und die zahlreichen Umbauten in den letzten hun dert Jahren haben den ursprünglichen Reiz der Stiftsanlage schwer entstellt. Nicht oder nur unwesentlich änderte sich hin gegen die Kirche. Ihr eigenwilliger, gestaffelter Turm mit der wuchtigen Haube und den letzten romanischen Anklängen in den Schallfenstern und im Rundbogenfries darüber, ragt noch immer beherrschend über das Inntal. Das Innere des ein schiffigen Kirchenraumes ist von vollendeter Harmonie; sie ist ein Werk bedeutender Münchner und Passauer Künstler in vornehmem und beruhigtem Rokoko mit leisen klassizisti schen Einflüssen, spätes Zeugnis einer noch in sich geschlosse nen Welt. Reichersberg Mit Suben hat Reichersberg die Lage gemeinsam, steil über dem Fluß und einem einmündenden Bach (Senften- oder Hartbach), sowie die Stiftung aus einer adeligen Burg. Diese war um die Mitte des 11. Jahrhunderts im Besitz des edlen Wernher von Reichersberg; ob er ein Nachkomme jenes Reicher (Richer, Richard) war, von dem Ort und Berg den Namen haben, ist ebenso wenig geklärt, wie die angebliche Abstammung aus dem Geschlechte der Grafen von Piain. Wernhers Gattin Dietburga war eine Schwester des schon in der Einleitung genannten Erzbischofs Gebhard von Salzburg. Als der einzige Sohn Gebhard früh starb, wandelten die Eltern ihren Besitz 1084 in ein Kloster um. Die Verwandt schaft mit dem Erzbischof mag es wohl gewesen sein, daß Wernher und Dietberger ihren Besitz und ihre Stiftung — trotz der Nähe Passaus — Salzburg unterstellten. Wie in Suben hemmten auch hier Investiturstreit und gewalt tätige Erbansprüche von Verwandten jede Entwicklung, so daß Erzbischof Konrad I. das Kloster 1110 praktisch von neuem errichtete und Augustiner Chorherren übergab. Doch erst der dritte Versuch hatte Erfolg, als nämlich der Erz bischof 1132 den Magister Gerhoch als Propst nach Reichers berg sandte. Der aus Polling an der Ammer stammende Gerhoch war theologisch und weltlich feinst gebildet, hatte im Dienst der Bischöfe von Augsburg und Regensburg sowie von Salzburger Erzbischöfen gestanden, war früh durch diese Dienste nach Rom gekommen und dort mit der kurialen Politik vertraut und Mittler für sie geworden. Als Zeitgenosse Bernhards von Clairvaux war er ein glühender Verteidiger der Reform, welcher mit scharfer Feder in zahllosen Schriften in die geistigen, politischen und sozialen Kämpfe seiner Zeit eingriff. Seine ungewöhnliche Arbeitskraft setzte er aber auch ebenso stark für sein Kloster ein, das er aus bescheidensten Ver hältnissen in zäher Arbeit zu Wohlstand und Ansehen führte. Dank seiner guten Beziehungen zu den Erzbischöfen gelang es ihm, die salzburgischen Zehenthöfe zwischen Hausruck und Höhnhart für Reichersberg zu gewinnen, ebenso Lehens güter in der Steiermark und eine Salzpfanne in Reichenhall. Ungünstig gelegene Lehen tauschte er gegen nähere um, wie etwa das Gut Münsteuer aus bambergischem Besitz, wo Reichersberg später auch die Pfarrechte erhielt. Eine neue, entscheidende Aufgabe konnte Gerhoch seinem Kloster ge winnen, als Erzbischof Konrad 1. 1144 dem Stift den Zehent in den Pfarren Pitten und Bromberg, in der sogenannten Waldmark (heute Bucklige Welt, zwischen Wr. Neustadt, Wechsel und burgenländischer Grenze), schenkte und 1160 " , , "•'"■'»'''mm r 15 • na Detail aus dem stimmungsvollen äußeren Hof von Stift Reichersberg auch die Pfarre Bromberg übergab. Daraus erwuchs ein großes Rodungs- und Missionswerk, und jetzt noch verwaltet dort Reichersberg eigene und Patronatspfarren. Eine kulturtech nisch bedeutende Tat vollbrachte Gerhoch, als er für den Senftenbach ein 9,5 Kilometer langes Bett graben ließ und ihn zum Kloster leitete. Gleich hervorragend war sein Ruhm als Theologe. In vielen Schriften, Briefen und Abhandlungen tritt uns hier ein über aus reiches literarisches Werk entgegen, in dem er zu den brennenden religiösen Problemen Stellung nahm. Im Mittel punkt seines religiösen Schrifttums steht die „Psalmenaus legung"; acht dicke von seiner Hand geschriebene Pergament bände in prachtvollen Initialen sind heute noch im Besitz des Klosterarchivs. Für den Ruf, den er zu seiner Zeit besaß, spricht wohl nichts deutlicher als die Tatsache, daß Napoleon 1. während seines Aufenthaltes in Ägypten (1798—1799) eine Schrift Gerhochs in der Bibliothek eines Adelssitzes am Berge Sinai fand, der den Nachkommen des französischen Kreuz fahrers, dem Marquis de Villeharduin, gehörte. Seine Gelehrsamkeit wie seine unerschrockene Haltung zogen viele große Geister in sein Stift, dem er 1138 auch ein Frauenkloster angefügt hatte. So scheint es nicht vermessen, wenn es von ihm heißt, „er habe Reichersberg zu einem deutschen Cluny gemacht." Konnte auch das Kloster diese geistige und wirtschaftliche Höhe auf die Dauer nicht halten, so brachte es das Stift im Ablauf seiner wechselvollen Geschichte doch immer wieder zu beachtlichen Leistungen in Wirtschaft und Wissenschaft. Bald nach Gerhoch wirkte der Chorherr Magnus als Geschichts schreiber und Förderer des Weinbaues. Um 1300, um 1570 und

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2