Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 1/2, 1966

Thomas Schioanthaler (1634—1707) fällt das Erbe der Brüder Zürn zu, und er knüpft zunächst an den Manierismus und die Monumentalfigur des Martin an. Von seinem Vater, Hans Schwabenthaler, ist kein gesichertes Werk überliefert, aber er dürfte seinem Sohn wohl eine traditionelle Kunst, ähnlich jener der Vogl, gelehrt haben. Deshalb war er auch für die Aufnahme der Art des Martin zuerst aufgeschlossener. Das Malerische und Weiche, das Barocke des Michael empfängt er stufenweise. So ließe sich auch die anfängliche Abneigung gegen die Gestaltung weiblicher Heiliger oder deren trockene Durchformung erklären. In seinem ersten großen Werk steht er noch auf der manieristischen Stufe, obwohl die Weichheit der Durchbildung und die noch zaghafte Bewegung in die Zukunft weisen. Er erreicht 1669 im Floriani-Altar von Ried den ersten Höhepunkt seines Schaffens. Das Motiv — der Heilige rettet das brennende Ried — ermuntert Thomas zu einer hochreliefartigen Bildhaftigkeit, wie sie von Michael Zürn ausgebildet worden war. Er steht hier an der Schwelle des Hochbarock, aber er zerfetzt und zerreißt trotz aller freigewordenen Kräfte Gewand und Körper nicht, obwohl das Gewand und das Haar Träger der Bewegung sind. In der Rahmung des Reliefs findet der Schnitzer eine neue, ihm bis zum Tode eigentümliche Ausformung des Knorpelwerkes. Von diesem Altar geht aber sofort eine Rückbeeinflussung in die Zürnnachfolge, zum Meister von St. Florian bei Hei pfau und zu Sebastian Hagenauer, der die weich schwellende Fleischigkeit der Zürn mit der weich wallenden Haarflockc des Thomas verbindet. 1672 arbeitet er am riesigen Altar der jetzt abgebrochenen Barbarakirche in Schalchen, von welchem einzig die Gruppe der Enthauptung der Kirchenpatronin überkommen ist. Diese Szene, fast vollplastisch ausgeführt. // ist von unheimlicher Dramatik erfüllt. Der Kontrast der gottergebenen Heiligen zum wild ausholenden Henkersknecht, dessen Ausdruck der terribilitä in der italienischen Kunst in nichts nachsteht, wird verstärkt durch die schon angedeutete Befangenheit dem Weiblichen gegenüber. Thomas wird seinen späteren Madonnen ein weit über die Koketterie der Zürn hinausgehendes Maß von Hoheit und Fraulichkeit geben. In dieser Epoche schafft er das Hauptwerk seines Lebens, den gewaltigen Doppelaltar von St. Wolfgang (1676). Alle seine Figuren werden beweglicher und schlanker, er kehrt sich vom illusionistischen Hochrelief ab und ringt um die unbedingte Freiplastik. In dieser Blütezeit dürfte der junge Meinrad Guggenhichler (1649—1723) von Thomas die entscheidenden Eindrücke er halten haben. Der Verlust aller Arbeiten vor 1680 versagt den Beweis, obwohl der von Thomas erst um 1690 geschaffene Rochus in Mehrnbach solche Vermutungen unterstützt. Mein rads Wesen ist empfindsamer und sonniger, sein Jubel und sein Leid, seine Versunkenheit sind still und lyrisch, selbst der Schmerzensmann ist ihm ein Dulder von überirdischer Schön heit. Seine Werke im Innviertel überschreiten die hier gesetz ten Zeit- und Stilgrenzen. Von Guggenhichler führt die Ent wicklungslinie weit in den Spätbarock, zu Josef Matthias Goetz aus Passau oder Josef Stammel in Admont. Die Kunst des Thomas führt vom zaghaften Tasten über einen Sturm und Drang seines jungen Vollbewußtseins zur Selbstsicherheit. Erst in seinen späteren Altarbauten steht die Figur gleichwertig neben Architektur und Ornament. Er schlägt die Brücke zum Spätbarock und zur Freiplastik. Die Lebensfreude steigert sich auch in der Altararchitektur, deren gewundene Säulen von kräftigem Laubwerk umwunden sind. Aus dem Schwarz-Gold der Architekturglieder leuchten die klaren Farben der Fassung der Figuren. Diese, und nicht die Schnitzerei, die der Bewegung dient, ist schließlich und endlich für den Ausdruck verantwortlich. Sein Faßmaler war Franz Gamon aus Ried, der fast ausschließlich von ihm heran gezogen wurde. Aufschlußreich für die entwicklungsgeschichtlfche Bedeutung des Thomas dürfte ein Vergleich zeitgleicher Werke seines Bruders Matthias (1645—1686) sein, die dieser um 1680 in Krems schuf. Da empfindet man den Jüngeren als zurück geblieben in der Verwendung der Stilmittel, die etwa auf der Stufe des Thomas des Rieder Hochaltares halten. Matthias ist zum Teil noch von den Zürn befangen, aber die Weichheit der Gewandmassen bestimmt ihn als Schwanthaler. Am 8. Juni 1679 erhält Thomas einen Wappenbrief, in welchem der Aussteller erzählt, wie er ihm „sonderbar nicht allein mit seiner berühmten Kunst der Bildhauerei als Holz, Bein, Stein und Stahl, sondern auch für einen Maler, Inventur und Zeichner von hohen und vornehmen Leuten bestermassen rekommandiert worden" sei. Thomas hat, wie ergänzend zu der Angabe des Wappenbriefes gesagt werden kann, auch in Elfenbein, also en miniature, gearbeitet. Er bestreitet zu einer Schuldforderung vom Jahre 1679 nicht den Betrag von 58 fl, „die vom H. Klell zu Niemberg ratione aines helffenpainenen Zants herriehren". Auch die Reichersberger Prälaturrechnung von 1698 „von H. Schwanthaller ein helffenbainens bild Jesus Maria Jos erkauft p 30 fl" bekräftigt die Angabe des Wappenbriefes. An Steinmetzarbeiten sind die Grabsteine der Reichersberger Pröpste Anton Pichler (+ 1675), Chrysostomus Simon (t 1683), Anton Ernst (t 1685) und Theobald Antießner (t 1704) urkundlich oder stilkritisch gesichert. In „Stahl" schuf er das Modell zur erzenen Brunnenfigur des heiligen Michael im Stiftshof von Reichersberg 1694. Sein Talent als Zeichner wurde seit der Auffindung von Skizzen, die er selbst signierte, bewiesen. Nun fehlt noch seine Ent deckung als Maler und Porträtist.

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