Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 1/2, 1966

r\v Vu»::n'; w:m\m Oben: Johann Kiain, Engelkopf vom rechten Seitenaltar In der Wallfahrtskirche Brunnenthal, Bez. Schärding, 1677. — Rechts: Thomas Schwanthaler, Henker aus der Gruppe „Ent hauptung der hl. Barbara" in der damaligen, jetzt abge brochenen Filialkirche Schalchen, Bez. Braunau a. I. maßen werden in ihrem Muskel- und Knochenbau über steigert und selbst knorpelig schwellend gebildet. Durch den Schwedeneinfall gelangen Mitglieder dieser Familie über Wasserburg und Burghausen nach Braunau. Im Hoch altar von Überlingen (1613—1616) leitete Jörg Zürn eine neue Epoche der süddeutschen Schnitzkunst ein. Als Mitarbeiter an diesem Riesenwerk gewinnt er außer seinem Vater auch seine beiden Brüder Martin und Michael. Dargestellt ist im Schrein in einer bühnenartigen Komposition die Anbetung Christi durch die Hirten. Das Thema wird dramatisch auf gefaßt; stärkste Bewegungsakzente und scharfe Charakteri stik der Einzelfiguren verbinden die Agierenden zu einem geschlossenen Ensemble. Die Brüder Martin und Michael ziehen weiter nach Osten, sie arbeiten im Kloster Seeon, dann an der berühmten Kanzel in Wasserburg (1636—1639) und tauchen danach im Innviertel auf. Martin ist in Braunau bis um 1665 nachweisbar, während der jüngere Michael schon um 1649 gestorben sein dürfte. Das Schaffen Martins kon zentriert sich auf die monumentale Einzelfigur; der ehemalige Hochaltar von Braunau um 1642 darf als sein Hauptwerk angesehen werden. Die Monumentalität und Größe erhält bei Frauen Beseelung durch die Koketterie des Blickes und der gezierten Bewegung der Hände, bei männlichen Heiligen Belebung durch weitausgreifende und energiegeladene Ge bärden und oft wilde Gesichtszüge. Aber alle diese Tendenzen wirken in der Figur eingefangen, die Bewegung gekünstelt und auferlegt. Die strenge Einbindung der Skulpturen in das Altarganze lähmt besonders die Bewegungstendenz. An den gern verwendeten Engelskindern aber kann gesehen werden, was als Manierismus bezeichnet wird: Flammenhafte Haar büschel, zu gewaltigen Perücken geordnet, bedecken das Haupt, und die Gesichtchen werden durch eine von innen schwellende Fleischigkeit mit Grübchen und den kokett schalkhaften Blick belebt. Das Gewand wirkt wie aus Blech geschneidert und steht zum Haupt und zu den gespreitzten Handgesten in scharfem Kontrast. Martin Zürn wird in kei nem seiner Werke den Manierismus zum Frühbarock hin überschreiten, aber für die weitere Entfaltung besonders der österreichischen Plastik von größter Bedeutung sein: Die Generation um 1700 nimmt die manieristischen Ideale noch mals in einer Synthese mit anderen Stilstufen auf und greift auf die Kunst Martins zurück. Sein Bruder Michael ist der empfindsamere, er ist malerisch, voll blühenden Lebens und gesunder Fleischigkeit. Er liebt das kleine Format mit genremäßigen Erzählungen, wie es sein Hauptwerk überliefert hat. In St. Georgen an der Mattig schuf er von 1645 bis 1649 den Hochaltar mit dem Drachen kampf des Titelheiligen, den linken Seitenaltar mit der Mantelteilung des heiligen Martin und der Marter des heili gen Sebastian auf dem rechten. Bezeichnenderweise geht er bei der Konzeption der Schreindarstellungen vom gemalten Bild aus: Das Altarbild der Sebastianskapelle in Aspach, das wieder auf ein Werk des Hans von Aachen zurückgeht, wird hier ins fast Rundplastische und Bühnenartige übersetzt und weit über das Vorbild hinaus mit Spannung geladen. Die Bewegung wird übersteigert, die Komposition durch harte Kontraste und verschlungene Kraftlinien zusammengebunden: Dadurch läßt der Künstler den Manierismus hinter sich und steht im Frühbarock. Die Einzelfigur wird wie früher liebevoll durchgearbeitet und kostbar geschmückt, aber die größere geistige Vertiefung der Heiligenlegende bedarf ihrer Befreiung aus dem Altargefüge und bedingt eine neue Beweglichkeit. Die neue Ekstatik und die Schönformigkeit gemahnen an Bernini, die naive Gläubigkeit in der Schilderung, der Eegendenton und formal die verbindenden Kraftlinien sind das Erbe spätgotischer Gestaltungsgesetze. Der Barock bricht im Innviertel mit Michaels Altarwerken durch, aber seine Nachfolger leben weiterhin bis 1672 im Manierismus und behalten besonders den Altaraufbau, das Knorpel- und Ohrmuschelornament und die Blockhaftigkeit bei. In St. Florian bei Heipfau erreicht der Knorpelstil dann seine stärkste Verwilderung, wobei auch die Draperie zerwühlt und zerschraubt wird. Von dem Spitzigen und den Splitter flächen bleibt nichts mehr übrig, das Malerische wird an gestrebt. Schließlich scheidet der Meister von Ranshofen und der Braunauer Spitalskirche — wahrscheinlich der Braunauer Sebastian Hagenauer — das Knorpelwerk ganz aus und bindet seine Figuren um 1690 mit den modernen Akanthuswedeln zusammen. Bis dahin gab es überall eine wechselvolle Entwicklung zum Hochbarock hin, mit Rückschlägen des Manierismus, besonders in den ansässigen Werkstätten. So übernimmt Johann Klain aus Schärding in Blumenthal nach 1668 verschiedene Requisiten der Gebrüder Zürn, wie die Engelsköpfchen, die flammend züngelnden Haarbüschel und das Ohrmuschelornament und garniert damit seine steifen Heiligen. Aus dieser Werkstattgebundenheit und von den Epigonen her folgt, entwicklungsgeschichtlich gesehen, kein weiterer Schritt in die Zukunft, obwohl hier einige reizvolle Werke entstehen.

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