DA S I NN V I E RTE L Dr. Hans Sturmberger, Londesarchivdirektor Das innviertel — zweimal gewonnen. Aus Anlaß seiner 150jährigen ununterbroche nen Zugehörigkeit zu Oberösterreich Hofrat Max Bauböck Hugo von Preen und die Anfönge der Innviertler Heimatbewegung Dr. Benno Ulm Die Innviertler Plastik Im 17. Dahrhundert Dr. Alfred Marks Historische Ortsansichten aus dem Innviertel Rudolf Walter LItschel Zwischen Rautenschild und Doppeladler. Skizzen zu einer Wehrgeschichte des Innviertels Hans Plank Johann Baptist Wengler Prof. Franz Engl Die geschichtliche Entwicklung der Klöster Im Innviertel Prof. Linus Kefer Leben auf dem Dorfe. Erinnerungen aus dem Innviertel Dr. Franz Lipp Richard Blllinger. Gedicht Dr. DIpl.-Ing. Ch. Vinzenz lanik Geologie und Landschaftsentwicklung des Innviertels Reproduktionen noch Originalen Wilhelm Dachauers Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel Die Schriftleitung Ist für vielfache Beratung Hofrat Max Bauböck zu Dank verpflichtet Thema des Winterheftes 1966: Volkskultur In Oberösterreich Umschlag nach einer handkolorier ten historischen Karte des Innviertels „Das Innviertel In dem Erzherzog thum Oesterreich ob der Enns" Im Verlag Toblas Conrad Lotter In Augsburg. Die Schrlftleltung dankt der Direk tion des Oö. Landesarchivs für die Überlassung des Originals zur Druck wiedergabe. Halbjahresschrift — Kunst, Geschichte, Land schaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr. 16. Jahr gang, Heft 1/2, Sommer 1966. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; verant wortlich für den Inhalt Im Sinne des Presse gesetzes: Dr. Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. — Druck: Oberösterrelchlscher Landesverlag, Linz; Einzel verkaufspreis: S 28.—, Jahresabonnement für 2 Hefte S 48,— exkl. Porto.
Hans Sturmberger Das Innviertel - zweimal gewonnen Aus Anlaß seiner 150jährigen ununterbrochenen Zugehörigkeit zu Oberösterreich Napoleons Wort von der Politik als dem Schicksal, hat in weiten Bereichen der Geschichte Geltung. Denn nicht immer sind es nur wirtschaftliche und gesellschaftliche Faktoren, welche die Geschichte gestalten, nicht immer sind allein gei stige Strömungen und Tendenzen wirksam. Oft sehen wir das starke Übergewicht rein politischer Kräfte bei der Formung des großen Geschehens. Auch im 18. Jahrhundert, als bereits die Aufklärung den Geist der Zeit prägte, war noch durchaus das reine Machtdenken des barocken Staates wirksam und ein entscheidender Faktor der geschichtlichen Entwicklung. Dem Spiel machtpolitischer Kräfte des späten 18. Jahrhunderts im deutsch-österreichischen Raum verdankt das Land Ober österreich die Erwerbung des Innviertels. Nun gehört freilich dieser letzte bleibende größere Gebietserwerb des Landes ob der Enns in die Reihe zahlreicher Ereignisse, welche sich aus der jahrhundertealten bayerisch-österreichischen Spannung er gaben. Die Geschichte des Landes ob der Enns ist weitgehend durch die Mittellage dieses Landes zwischen Bayern und Österreich bestimmt. Oberösterreich ist altbayerischer Siedel boden, nur allmählich ging die Lösung vom alten Herzogtum Bayern vor sich, und auch als Österreich — seit 1156 — eigenes Herzogtum war, strebte Bayern darnach, das Land ob der Enns wieder zu erwerben. Anderseits aber bestanden lange Zeit hindurch Bestrebungen Österreichs, Bayern an sich zu ziehen. Schon der Babenberger Herzog Friedrich II. hatte vorübergehend Schärding und Ried erworben. Aber selbst in den letzten Jahrhunderten der Neuzeit war unser Land wieder holt Exerzierfeld der habsburgisch-wittelsbachischen Gegen sätze. Gerade im 18. Jahrhundert waren die Auseinander setzungen zwischen denbeiden Dynastien, welche 100 Jahre vorher der gemeinsame konfessionelle Kampf gegen den Protestantismus zusammengeführt hatte, besonders heftig. Und wie etwa der Wittelsbacher Karl Albrecht von Bayern nach dem Tode Kaiser Karls VI. das Land ob der Enns als „Erzherzog" von Österreich in Besitz nahm, und sich in Linz von den Landständen huldigen ließ, so hatten im spanischen und österreichischen Erbfolgekrieg österreichische Truppen bayerischen Boden betreten, und das Kurfürstentum befand sich damals unter habsburgischer Verwaltung. Der Gedanke, bayerisches Gebiet, ja ganz Bayern für das Haus Österreich zu gewinnen, war gerade am Ende des spanischen Erbfolgekrieges fast vor der Realisierung gestanden, als Max Emanuel von Bayern mit Zustimmung der Franzosen große Teile des Kur fürstentums gegen die habsburgischen Niederlande abzugeben bereit war. Selbst Prinz Eugen von Savoyen hatte daran gedacht, durch eine Heirat Maria Theresias mit dem Wittels bacher, der immer weiter aus dem Reich nach östen hinaus wachsenden Großmacht Österreich eine breitere deutsche Grundfläche zu geben. Der Verlust des reichen deutschen Schlesien an Preußen wog für Österreich ungeheuer schwer, und das Streben nach einem Ersatz im süddeutschen Raum war vor allem bei Kaiser Josef II. sehr bestimmt und ziel bewußt. Nun ist das, was im Jahre 1779 durch kaiserliches Patent als „Innviertel" dem Land ob der Enns angegliedert wurde, durchaus nicht das Ziel der kaiserlichen Politik ge wesen. Josef II. hatte an die Erwerbung großer Teile Bayerns gedacht. Der verhältnismäßig schmale Streifen Landes, das heutige Innviertel, kam nur als spärlicher Rest eines begehrten größeren Gebietskomplexes zu Österreich. Die Erwerbung des kleineren Innviertels ist eine Folge einer großen diplomati schen Niederlage der Außenpolitik Kaiser Josefs II. Wenn der Kaiser nach seinem ersten Besuch in dem neuen Landesteil an seine Mutter, die Kaiserin Maria Theresia, schrieb: „Es ist ein winziger Gegenstand, wenn man denkt, was vielleicht hätte gelingen können", so spricht aus diesen Worten die un geheure Enttäuschung über das Mißlingen eines großen Projektes. Dieses große habsburgische Projekt stand knapp vor seiner Verwirklichung. Der Anlaß war das Aussterben der in Bayern regierenden Wittelsbacher durch den Tod des Kurfürsten Maximilian Josef am 30. Dezember 1777. Josef II. wollte ursprünglich im Falle des Aussterbens der Münchner Wittels bacher die Herzogtümer Ober- und Niederbayern, die Land grafschaft Leuchtenberg und die Herrschaft Mindelheim als Reichslehen, Teile der öberpfalz jedoch als Lehen der Krone Böhmens an sich nehmen. Schon vor dem Tode des bayeri schen Kurfürsten hatte Josef II. Verhandlungen mit dem Erben Bayerns, dem Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, angeknüpft. Der Kaiser reduzierte nun seine Ansprüche. Er begnügte sich mit einem großen Teil Niederbayerns, wobei er seine Rechtsansprüche auf eine Belehnungsurkunde Kaiser Sigismunds für Herzog Albrecht von Österreich vom Jahre 1426 mit dem Straubinger Ländchen stützte. Weitere Teile Bayerns wollte er gegen zerstreute Besitzungen des Hauses Österreich in Schwaben eintauschen. Selbst Kaiserin Maria Theresia hielt den Rechtsanspruch auf Niederbayern für „ver altet und wenig begründet". Doch Katharina von Rußland meinte hiezu etwas ironisch in einem Brief: „Die Frau Mama hat nicht schlucken wollen, der Herr Sohn hat allein großen Appetit gehabt." Der Pfälzer Karl Theodor, dem das baye rische Erbe eher eine Last denn eine Freude war, war bereit, mit dem Hause Österreich eine Konvention über die Auf teilung Bayerns abzuschließen. Knapp vier Tage nach dem Tode desbayerischen Kurfürsten Max Josef wurde in Wien ein Vertrag unterzeichnet (3. Jänner 1778), in welchem der Kurfürst Österreichs Ansprüche anerkannte. Dagegen garan tierte Österreich dem Kurfürsten öber- und Niederbayern mit Ausnahme jenes Gebietes, das es für sich selbst erwerben wollte. Unmittelbar nach der Ratifizierung dieser Konvention setzten sich die bereitgestellten österreichischen Truppen nach Bayern in Marsch und besetzten im Namen Maria Theresias und Josefs II. die im Vertrag Österreich zugesprochenen Landesteile in Niederbayern. Von Böhmen und vom Land ob der Enns aus erfolgte der militärische Einmarsch der Öster reicher. Schärding wurde am 14. Jänner 1778 besetzt, am 21. Jänner desselben Jahres erfolgte in Straubing die feier liche Besitzergreifung des Landes durch Österreich. Das bay rische Wappen wichüberall dem kaiserlichen Adler. Zu dem von Österreich in Besitz genommenen Gebiet gehörte auch bereits jener Teil des späteren Innviertels, der rechts der festgelegten Demarkationslinie lag, welche von Geiersberg über St. Ulrich bei St. Martin und zwischen öbernberg und Katzenberg an den Inn führte. Dieser Teil des Innviertels gehört also bereits seit Jänner 1778 de facto zu Österreich.
Nun schien zunächst alles wohlgeordnet zu sein und der Kaiser mochte hoffen, sein großes Ziel der Erwerbung weiter Teile Bayerns erreicht zu haben. In Bayern selbst herrschte Entrüstung und Empörung über die Zerstörung der Einheit des Kurfürstentums. Der Chronist des Stiftes Suben erwähnte nur in knappen Worten die Huldigung der niederbayerischen Stände in Straubing und meint, der Schmerz verbiete ihm, mehr darüber zu schreiben. Freilich gab es in Bayern auch eine Partei, welche es lieber gesehen hätte, wenn Bayern ganz an das Haus Österreich gekommen wäre, statt daß es zer stückelt werde. Eine patriotisch-bayerische Bewegung zur Rettung der Einheit Bayerns unter dem wittelsbachischen Hause, welche in der Herzogin Maria Anna eine große Stütze gefunden, hatte in dieser Zeit der Kabinettspolitik keinen Erfolg zu verzeichnen. Es ist wie eine Ironie der Geschichte, daß der Retter Bayerns der preußische König war. Friedrich II. von Preußen war entschlossen, eine derartige Machtverschie bung in Süddeutschland zugunsten Österreichs nicht hinzu nehmen. Er bewog den Wittelsbacher Karl August von PfalzZweibrücken, den präsumptiven Erben Karl Theodors, ein Hilfegesuch an Preußen zu richten und beim Regensburger Reichstag Protest gegen die Besetzung bayerischen Territo riums durch Österreich zu erheben. Diplomatische Verhand lungen zwischen dem Berliner und dem Wiener Hof blieben ergebnislos. Am 5. Juli 1778 überschritten preußische Truppen die böhmische Grenze. Zunächst hatte es den Anschein, als würde sich auf dem böhmischen Kriegsschauplatz eine militärische Auseinander setzung größeren Formats entwickeln. Friedrich der Große zog selbst ins Feld und das Kommando der österreichische Armee übernahm der Kaiser. Ganz beträchtliche militärische Kräfte marschierten in Böhmen und dem angrenzenden Sach sen und Schlesien auf, kriegserprobte Heerführer — bei den Österreichern Lacy, Hadik und Laudon — traten in Aktion. Friedrich von Preußen hatte nach seinen eigenen Worten gefürchtet, der Krieg werde ganz Europa in Bewegung brin gen. Aber dieses Europa sollte kein echtes „Kriegstheater" im Sinne des 18. Jahrhunderts mehr auf den alten Schlacht feldern in Böhmen erleben. Die Österreicher hatten eine starke und vorteilhSatfetlelung, der preußische König mußte lange Zeit unbeweglich mit seinem fdeer stehenbleiben — es gab Rekognoszierungen, kleine Scharmützel, und die einge drungenen preußischen Truppen mußten sich schließlich aus Böhmen zurückziehen. Der Spott begann sich der preu ßisch-österreichischen Aktion in Böhmen zu bemächtigen: als „Kartoffelkrieg" oder „Zwetschkenrummel" ging dieser Krieg um das bayerische Erbe in das geschichtliche Bewußt sein ein. Freilich sagte nicht mit Unrecht ein österreichischer Zeitgenosse, es sei „vielleicht noch kein Krieg mit so viel Klugheit und Vorsicht geführt worden" wie dieser. Wenn auch Preußen sein militärisches Ziel nicht erreicht hatte und den Krieg nicht gewann,so gewann es doch den Frieden. In der Friedensfrage war die alte Kaiserin aktiv und be stimmend. In der Weisheit ihres Alters hatte sie „einen kleinen Frieden einem glorreichen Krieg" vorgezogen, wie sie selbst in einem Brief bekannte. Der Krieg hatte kaum be gonnen, als Maria Theresia den Freiherrn von Thugut ins preußische Feldlager bei Welsdorf zu König Friedrich ge schickt hatte, um Friedensverhandlungen in Gang zu bringen. In Braunau in Böhmen wurden die angeknüpften Verhand lungen fortgesetzt, und als Rußland und Frankreich die Vermittlung übernahmen, kam es zum Friedenskongreß in Teschen, wo am 13. Mai 1779 der Friede geschlossen wurde, als dessen Garanten Frankreich und Rußland fungierten. Der Friedensvertrag bestand aus einem ganzen Komplex von Vertragsinstrumenten. Der Kern war der preußisch-öster reichische Friedensschluß, dazu kamen Separatverträge zwi schen Österreich und Sachsen, Österreich und Kurpfalz, dazu gesellten sich die Beitrittserklärung des Herzogs von PfalzZweibrücken, die Sonderverträge zwischen Kurpfalz und Kur sachsen, zwischen Kurpfalz und Pfalz-Zweibrücken, dann die russisch-französische Garantieerklärung über den Hauptver trag und sämtliche Sonderverträge, weiter die zwei AnnahmeErklärungen dieser Garantie durch Friedrich und Maria Theresia, alles mit Datum vom 13. Mai 1779. Später hinzu kam noch Josefs II. Beitritt zum Teschener Frieden als Mit regent der Kaiserivnom 16. Mai 1779 und die entsprechende preußische Annahme-Erklärung und schließlich die Beitritts erklärung des deutschen Reiches vom 28. Februar 1780. Die einzelnen Punkte des großen Vertragswerkes interessieren hier wenig. Entscheidend war, daß Bayerns Existenz unangetastet blieb. Preußen hatte keinen Territorialgewinn und war doch der Gewinner, da es die Vergrößerung Österreichs verhindert hatte. Sachsen erhielt eine Geldablöse für seine Ansprüche an Bayern, und Österreich war schließlich der große Verlierer dieses Spiels: Es mußte nicht nur die besetzten Teile Bayerns räumen und zurückgeben, sondern es mußte auch für alle Zukunft jeden Anspruch auf Bayern aufgeben. Es verlor also viel, aber es gewann das Innviertel: „Der Kurfürst von der Pfalz tritt der Kaiserin-Königin zum Beweise seiner Erkennt lichkeit für die von ihr erfahrene Zuneigung für sich und seine Erben die Ämter Wildshut, Braunau samt der Stadt dieses Namens, Mauerkirchen, Friedburg, Mattighofen, Ried, Schärding und überhaupt den District von Baiern ab, der von den Flüssen Donau,Inn und Salzach begränzt ist." Am 31. Mai 1779 erschien jenes kaiserliche Patent, welches die Besitznahme des von Bayern an Österreich übergegange nen Landesteiles am Inn proklamierte, dessen Eingliederung in das Erzherzogtum Österreich ob der Enns und dessen Bezeichnung „Innviertel" verkündete. Die Groteske, daß das Land ob der Enns auf diese Weise nunmehr fünf Viertel hatte, wurde beseitigt, indem man etwas später die nördlich der Donau gelegenen Viertel, das Mühl- und das Machland viertel, als „Mühlviertel" vereinigte. 16 Tage nach dem Friedensschluß — am 2. Juni 1779 — räumten die österreichi schen Truppen die besetzten Gebiete Niederbayerns, und am gleichen Tag huldigte das neue „Innviertel" in Braunau am Inn dem neuen Landesherrn, als dessen Vertreter der ober österreichische Landeshauptmann Christoph Wilhelm Graf Thürheim die Huldigung entgegennahm. Das Innviertel ge hörte nun zu Österreich. Schon im Herbst des Jahres 1779 kam Josef II. von Böhmen her über Linz, durch das Salzkammergut und über Franken markt in das Innviertel, um den neu gewonnenen Landesteil zu besichtigIen. einem mehrtägigen Ritt durcheilte er das Land am Inn, übernachtete in Perwang, in der Stadt Braunau, in Schärding und im Gerichtsdienerhaus zu Schardenberg. In einem „Journal von Der Reyse Anno 1779" hielt der Monarch den Verlauf seiner Besichtigungsreise im Innviertel in knappen Zügen fest. Wenn es in der Instruktion für den anschließen den Aufenthalt des Kaisers in Engelhartszell heißt, der Kaiser wolle im Gasthaus übernachten, man solle guten weißen und roten Wein, Weißbrot und etwas Viktualien für ihn bereit stellen und trockenes Gerstenstroh zum Strohsack vorbereiten, man dürfe die Zimmer für den Kaiser nicht heizen — so ist hieraus der Stil dieser Kaiserreise durch das Innviertel zu ersehen, welche nichts mehr mit einer barocken Hofreise zu tun hatte. Von dieser Reise schrieb Josef jenen Brief vom 31. öktober 1779 aus Schärding an Maria Theresia, in wel chem sich das Wort vom „winzigen Gegenstand" findet. Aber er fügte noch hinzu: „Aber an und für sich ist dieser Land strich schön und gut und für Oberösterreich sehr gelegen." Josef II. war mit seiner Reise durch das Innviertel — „nouvelle Partie"oder „nouvelle acquisition" hieß es bei ihm — sehr zufrieden, vor allem über die Beweise der Zuneigung, die ihm
von Seiten der Bevölkerung erbracht wurden. „Ich bin ent zückt", schrieb er von Linz aus an die Kaiserin, „dieses Land gesehen zu haben und ich glaube, auch auf die Bewohner einen guten Eindruck gemacht zu haben. Alle haben den Unterschied besprochen, daß der Kurfürst während 40 Jahren nie auch nur auf einige Stunden gekommen sei, sein Land zu sehen, während hingegen ich nach erst 6 monatlichem Besitz herkam, mich persönlich um ihr Wohl und Wehe zu erkundi gen." Der „Volkskaiser", der ein Doktrinär und ein Praktiker des aufgeklärten, despotischen Fürstenabsolutismus war, hielt etwas auf Volksstimmung, Popularität und Anhänglichkeit der niederen Gesellschaftsklassen, des einfachen Volkes. Es ist ganz natürlich, daß Kaiser Josef II., dieser klassische Repräsentant rationalen Staatsdenkens, dieses Innviertel frei haben wollte von Sonderbezirken und Enklaven, in denen fremde Hoheitsrechte Geltung hatten. Nun konnte Bayern im Teschener Friedensvertrag naturgemäß nur ein Gebiet abtreten, in welchem es selbst die Souveränität besaß. Inner halb dieses neu erworbenen Gebietes gab es aber zwei Enkla ven, in welchen dem Hochstift Passau die Landeshoheit zu kam: der reichsunmittelbare Burgfried Obernberg am Inn und die reichsunmittelbare Herrschaft Viechtenstein an der Donau. Schon in sein Reisejournal hatte der Kaiser eine Ein tragung gemacht, in welcher er die Notwendigkeit des Über ganges der beiden Passauischen Herrschaften an Österreich betonte. Erst im Staatsvertrag zwischen dem Bischof Leopold Ernst von Passau und Kaiser Josef II. vom 27. Juni 1782 trat das Hochstift seine Hoheitsrechte über Obernberg und Viechtenstein an Österreich ab. Mit diesen beiden Herr schaften waren die letzten Gebietsteile des heutigen Inn viertels zu Österreich gekommen. Noch einmal hatte der Kaiser dann trotz des „ewigen Verzichts" von Teschen ver sucht, Bayern gegen die österreichischen Niederlande einzu tauschen. Auch damals ist Preußen durch die Errichtung des sogenannten Fürstenbundes im Jahre 1785dem österreichi schen Vorhaben entgegengetreten. Es sollte beim Innviertel bleiben, das ein bayerischer Landesfürst der Kaiserin Maria Theresia aus „Erkenntlichkeit" überlassen hatte. Für das neue Viertel des Landes ob der Enns begann bald nach der Besitznahme und Huldigung der Alltag. Die Liebe zum Kaiser, den man in Perwang stürmisch gefeiert hatte, wich bald einer Ernüchterung. Es war klar, daß man bestrebt war, sobald als möglich, das Land am Inn „österreichisch" zu machen. Eine Landes-Einrichtungs-Kommission unter der Leitung des Landrates Franz Xaver Pocksteiner von Woffenbach ging an die Arbeit, das Gerichtswesen und die Ver waltung des Innviertels dem System der habsburgischen Erb länder anzugleichen und das neue Landesviertel zu einem integrierenden Teil des Erzherzogtums Österreich ob der Enns zu machen. Auch ein Kreisamt wurde zunächst in Braunau errichtet, bald aber nach Ried verlegt. Für die Stimmung im neuen Landesteil war es von großer Bedeutung, daß neben diesen Bestrebungen, das bisher bayrische Land in die öster reichische Verwaltung einzugliedern, als zweites Moment noch dazukam, daß mit dem Tode der Kaiserin Maria Theresia die josefinische Verwaltungsreform freie Bahn gewonnen hatte und selbst über die alt-habsburgischen Erbländer wie ein Sturm fegte. Auch in den alten Ländern des Hauses Öster reich gab es einschneidende Änderungen, die tief in das Leben der Menschen eingriffen, auch dort gab es Mißmut und Un zufriedenheit mit den hektischen Maßnahmen eines überbürokratisierten Systems, das vor Gewohnheit und Tradition, vor manchem Liebgewordenen nicht haltmachte, und den Untertanen in doktrinärem Zwang das allgemeine Wohl förm lich aufzwingen wollte. So ist es nicht zu verwundern, daß dieser zweifache Ansturm auf das Innviertel dort noch mehr als in den alten Erbländem Mißstimmung hervorrief, daß nicht nur der Abschied vom „guten alten Bayern" schwer war, sondern daß die josefinischen Reformen die Unzufrieden heit im neuen Landesteil zusätzlich steigern mußten. Ver ständlicherweise gingen daher die Blicke der Innviertier noch oft über den Inn, alte Bindungen waren über die neuen Grenzen hinweg bestehen geblieben, und gelegentlich mag die Sehnsucht durchgebrochen sein, wieder zurückkehren zu können zum alten Bayern, zu welchem Erinnerung, Gewohn heit, Verwandtschaft und auch starke wirtschaftliche Kontakte hinzogen. Es würde nun ganz gewiß nicht richtig sein, wenn man sozusagen von einer bayrischen Irredenta im Innviertel spräche. Aber so etwas Ähnliches gibt es gelegentlich, wenn alte Sehnsüchte und Wünsche nach Verwirklichung trachteten, obschon es eine größere politische Bewegung zugunsten einer Wiederangliederung an Bayern nicht gegeben hat. Doch hielt man österreichischerseits ein wachsames Auge auf das neu zu Österreich gekommene Innviertel, und man registrierte mit Sorgfalt und gelegentlichem Mißtrauen alle bayernfreund lichen Äußerungen aus dem Innkreis. Manche Schwierigkeiten traten schon in der josefinischen Ära zutage, als die einschneidenden Maßnahmen der österreichi schen Bürokratie Unruhe und Widerstand hervorriefen. So haben die Innviertier Landstände sich offen gegen die neue josefinische Steuergesetzgebung gewandt und Kaiser Leo pold II. darauf hingewiesen, daß sie im Jahre 1779 der Kaiserin nur auf deren Versicherung, sie bei ihren alten Rechten zu belassen, gehuldigt hatten. Doch das war nur eine offizielle ständische Stellungnahme. Viel tiefer in die Schichten des Volkes mag die Bewegung gegangen sein, die an die französische Revolution anknüpfte. Der Geist, welcher von Frankreich aus über Deutschland sich zu verbreiten begann, nährte die Hoffnungen manches Innviertiers, daß durch kommende Umwälzungen das Land am Inn allenfalls wieder zu Bayern zurückkehren könne. Bei der Regierung in Linz herrschte Unmut über Berichte aus dem Innviertel, welche besagten, daß dort die Bauern vor allem an der Grenze „sehn lichst wünschen, daß die Neufranken nach Baiern kommen , weil sie sich hiedurch eine Wiedervereinigung mit Bayern erhofften. Der Linzer Polizeidirektor Schoppine berichtete von einer Reise ins Innviertel, daß sogar der Kreishauptmann des Innkreises franzosenfreundlich gesinnt sei. Nun, die Neufranken kamen, und der Wunsch mancher Innviertier erfüllte sich für ein halbes Jahrzehnt. Denn durch den Wiener Frieden von 1809 wurde Österreich gezwungen, das Innviertel und einen großen Teil des Hausruckviertels an Kaiser Napo leon abzutreten, „damit dieses Territorium künftig einen Teil des Rheinischen Bundes ausmache und zugunsten der Fürsten dieses Bundes darüber disponiert werden könne". Das Inn viertel kam also nach dem Pariser Vertrag vom 7. März 1810 wieder zu Bayern. Mit einer gewissen Genugtuung berichtet die Linzer Polizei im Jahre 1811 an die oberösterreichische Landesregierung, daß die Innviertier, welche sich von einer Rückkehr zu Bayern „Wunderdinge" versprochen hätten, nun mehr enttäuscht seien über die Wirklichkeit im neuen Bayern des Rheinbundes. Beim Zusammenbruch des napoleonischen Empire mußte sich naturgemäß auch für das Innviertel wieder eine Änderung ergeben. Denn das Schicksal des zum König reich erhobenen bayrischen Staates war an Gedeihen und Verderben seines Protektors, des Kaisers der Franzosen, ge bunden. Daran konnte auch eine im Innviertel vorhandene pro-bayrische Propaganda kaum etwas ändern. Es sei in die sem Zusammenhang hingewiesen auf die Flugschrift „Der Inn, Baierns Strom, aber nicht Baierns Grenze", welche um das Jahr 1815 in Braunau aus der Feder eines unbekannten Autors erschien. Die Parallele zu Ernst Moritz Arndts Schrift „Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Grenze" ist offenkundig. Die Braunauer Flugschrift wirbt für den Verbleib des Innviertels und auch der an Napoleon abgetretenen Teile des Hausruck-Kreises bei Bayern. Sie
wandte sich an die „Cisönanischen Landsleute", ganz beson ders aber an die „Angränzer des Innstromes", sie suchte die Notwendigkeit und die Naturgegebenheit der Zugehörigkeit dieser Gebiete zum Königreich Bayern zu erweisen und meinte „die beyden Ufer des Inn müssen baierisch seyn". Aber die Geschicke der Länder und der Menschen werden nicht vom Willen der Bevölkerung bestimmt. Bayern, welches sich im Vertrag von Ried im Jahre 1813 an die Seite Napoleons gestellt hatte, zögerte nach dem endgültigen Zu sammenbruch der napoleonischen Herrschaft lange, das Inn viertel und den Hausruckanteil an Österreich zurückzugeben. Erst unter dem Druck der Mächte und beeindruckt von einer militärischen Demonstration Österreichs, welches 30.000 Mann in Oberösterreich aufmarschieren ließ, war es bereit, den Vertrag von München vom 14. April 1816 abzuschließen. Das Innviertel mit den seinerzeit abgetretenen Teilen des alten Hausruck-Kreises und ein Teil des alten Erzstiftes Salzburg — das heutige Land Salzburg — kam damals zu Österreich. 37 Jahre nach der Braunauer Huldigung von 1779 konnte am 1. Mai 1816 der Regierungspräsident von Ober österreich, Baron Hingenau, in Salzburg als ÜbernahmeKommissär auch das Innviertel nunmehr wieder in öster reichischen Besitz als Teil des Landes Oberösterreich über nehmen. Der Münchner Vertrag von 1816, derim histori schen Bewußtsein der Österreicher eine bescheidene Rolle spielt, bedeutete immerhin einen großen Wendepunkt, weil er endgültig den Jahrhunderte hindurch dauernden Zwist zwischen Österreich und Bayern endgültig aus der Welt schaffte. Nun war nicht mehr viel zu hören von den bayrischen Sehn süchten im Innkreis, nur wirklich „einzelne, welche in Rückerinnerungen schwelgen" — so berichtete der Landes-Chef Oberösterreichs, Graf Ugarte, nach Wien — verbreiteten im Jahre 1833 Gerüchte über eine Rückkehr des Innkreises zu Bayern, welche sich offenbar an ein Treffen des Königs von Bayern mit dem Kaiser von Österreich in Linz anlehnten. Aber der jahrhundertealte Gegensatz, die bayrisch-österreichi sche Rivalität, schien einer neuen Freundschaft der beiden Nachbarstaaten gewichen zu sein, und Familienbande der beiden Dynastien bestärkten den Geist der Versöhnung. Als im Jahre 1848 der oberösterreichische Landtag den Ent wurf einer Landesverfassung für Oberösterreich schuf, da stellte er an die Spitze den Satz „Oberösterreich ist ein einzi ges, unteilbares Erzherzogtum". Die junge oberösterreichische Volksvertretung wollte damit Bestrebungen entgegentreten, welche sich im sogenannten Kremsier Verfassungsentwurf manifestierten, welche das Innviertel an das neu entstehende Land Salzburg angliedern wollten. Es ist vielleicht von einem gewissen Interesse, daß noch einmal, und zwar nach dem Krieg von 1866, als Österreichs deutsche Stellung sich wesent lich verändert hatte, das Problem Innviertel — Bayern auf tauchte. Aber vielleicht lagen damals auftretenden Gerüchten mehr Befürchtungen österreichischerseits zugrunde als Tat sachen. Die Berichte der lokalen Behörden zeigen, daß es sich keineswegs beiprobayrischen Stimmungen im Innviertel um politische Dinge handelte, daß es nicht um die Sympathien oder Antipathien bezüglich der Landeshoheit ging, sondern vielmehr um materielle Dinge, wie die angeblich niedrigen Steuern in Bayern. Auch Sitten und Gebräuche im Innviertel waren weitgehend ähnlich dem Brauchtum jenseits des Inns, und bis zum Erscheinen des neuen österreichischen Münz gesetzes hatte das Innviertel z. B. immer noch die Münzen mit Bayern gemeinsam. Diese und andere gemeinsame Bande, welche aus der jahrhundertelangen Zugehörigkeit dieses Land striches am Inn zu Bayern sich ergeben hatten, waren auch nach einem Jahrhundert noch lebendig geblieben. Man hat diese alte Anhänglichkeit des konservativen Inn viertels an Bayern in späterer Zeit in Österreich nicht mehr mit Mißtrauen betrachtet, sondern stets richtig zu verstehen gewußt. Schon bei der Jahrhundertfeier im Jahre 1879 in Ried im Innkreis hat der damalige Landeshauptmann von Ober österreich, Dr. Moritz Eigner, darauf hingewiesen, wie schwer ehedem die Innviertier sich von Bayern trennten. Aber er meinte dazu: „Wer könnte diese Gefühle tadeln, die ja den edelsten Regungen menschlichen Fühlens, der Treue und Beständigkeit entspringen?" In diesem Jahre können wir die 150jährige ununterbrochene Zugehörigkeit des Innviertels zu Österreich feiern. Und heute ist dieses schöne Land an Inn und Salzach so sehr ein lebendiges Glied Oberösterreichs ge worden, daß wir Landschaft und Menschen, Geist und Schön heit des Innviertels wie selbstverständlich unser eigen nennen. Was ist bezeichnender für dieses Hineingewachsensein des Innviertels in das alte Land ob der Enns, als die Tatsache, daß der Schöpfer des „Hoamatland", der oberösterreichischen Landeshymne, welche Symbol der Einheit des Landes und Ausdruck der Liebe zur Heimat geworden ist, — daß Franz Stelzhamer aus dem Innviertel kam? Literatur: K. Meindl: Die Vereinigung des Innviertels mit Österreich infolge des Friedensschlusses zu Teschen am 13. Mai 1779 (1879). — Gedenkblatt an die am 12., 13. und 14. Mai 1879 in der Stadt Ried stattgehabte Säcularfeier der durch den Teschener Frieden arn 13. Mai 1779 erfolgten Vereinigung des Innviertels mit Öster reich (1879). — F. X. Pritz: Geschichte des Landes ob der Enns 2 (1847). —A. Unzer: Der Friede von Teschen (1903). — M. Doeberl: Entwicklungsgeschichte Bayerns, 2 (1928). — P. v. Mitrofanow: Josef II., 1 (1910). — P. V. Radics; Die Reisen Kaiser Josephs II. und die Volkswirtschaft in Österreich-Ungarn (1890). — J. Strnadt: Innviertel und Mondseeland (1912). — 1. Zihermayr: Noricum, Baiern und Österreich, 2. A. (1956). — Maria Theresia und Jo seph II. Ihre Korrespondenz etc., 3 (1868). — L. Bittner: Chrono logisches Verzeichnis der österreichischen Staatsverträge, 2 (1909). — R. Pleninger: Der Anfall des Innviertels an Österreich, Diss., Graz 1949. — F. Martin: Kaiser Joseph II auf dem Haunsberg, in; Mitt. d. Gesch. f. Salzburger Landeskunde 92 (1952). — H. Sturm herger: Das Innviertel und Bayern, in: Sonderbeilage der Neuen Warte am Inn, Nr.30 v. 1960.— Journal von der Reyse Anno 1779. Haus-, Hof- u. Staatsarchiv Wien (Familienarchiv). Topographie oder kurze Beschreibung .. . Wien. J. v. Kurzböck 1779. iAufh'iaLirmIjM"Ver/us acctctf^
Es trifft wohl gar nicht so selten zu, daß eine Landschaft volkskundlich zunächst von einem Außenseiter entdeckt wer den muß, ehe die „introspektive Methode" einsetzkenann; ja, daß es nicht einmal unbedingt ein Bauernstämmling sein muß, der hier die Bahn bricht. — Stelzhamer, der seine Lands leute gewiß genau kannte, wäre nicht imstande gewesen, sich über das Innviertier Volkstum theoretisch zu äußern. Dazu saß er zu tief in ihm drinnen. Lr ist sogar an dem Versuch einer lexikalischen Erfassung seiner Mundart rasch gescheitert. Der Pionier der Innviertler Volkskunde ist vielmehr wirklich ein Außenseiter, ist Hugo von Preen, dessen Name schon keineswegs nach einem eingeborenen Innviertler klingt. Sein Geschlecht war mecklenburgischer Herkunft, allerdings be reits mit vielen süddeutschen, mütterlicherseits auch öster reichischen Beimischungen. Lr selbst wurde am 25. Mai 1854 im Innviertel geboren, auf dem Sitz Osternberg bei Braunau, der seinem Vater gehörte. Dieser, Friedrich Otto von Preen, hatte zuerst in badischen, dann in österreichischen Offiziers diensten gestanden, bevor er von seinem Schwiegervater, dem Obersten von Seidl, das Gut Osternberg übernahm und als Hauptmann den Dienst quittierte. Auch mit dem Sohne war es auf eine „junkerliche" Erziehung abgesehen. Lr wurde nach einer auf Osternberg verlebten Kindheit in eine adelige Privatschule, die Bandersche Anstalt in Weinheim (Baden), geschickt, die damals internationalen Ruf hatte. Hier erhielt er im Unterricht und auf vielen Ausflügen ins badische Land die ersten heimatkundlichen Anregungen, aber auch sein künstlerisches Talent blieb nicht unentdeckt, so daß sein Zeichenlehrer dem Vater riet, ihn Künstler werden zu lassen. Der Vater bestand jedoch auf der militärischen Laufbahn, für die allerdings erst eine staatliche Matura notwendig war, die er 1872 in Karlsruhe ablegen sollte. Daß er sie nicht bestand, wurde zunächst als eine Familienkatastrophe emp funden, bedeutete aber letzterdings für Preen eine glückliche Lebenswendung. Nachdem auch andere Persönlichkeiten die künstlerische Laufbahn angeraten hatten, gab der Vater end lich nach, und Hugo ging nach München, zuerst ans Poly technikum, dann an die Akademie, an der er zehn Jahre ver blieb. Seine Lehrer waren Ludwig von Loefftz, Alexander Strähuber und vor allem Wilhelm Lindenschmidt. Sein Haupt gebiet war die Landschaftsmalerei. Lr kam in München be reits auch mit Museums- und Galerie-Direktoren in Ver bindung. Türfüllung 1632, gemalt In Rot-Schwarz In der Art der Re naissance-Einlegearbeiten. Motiv aus Schwand, Bez. Braunau am Inn. Max Bouböck Hugo von Preen und die Anfänge der Innviertler Heimatbewegung Sämtliche Aufnahmen von Max Eiersebner noch Originalen aus der Sammlung „Alte Bciuernhousverzlerungen" von Hugo V. Preen im Heimathaus Braunau am Inn, die in dankens werter Weise für diesen Aufsatz zur Verfügung gesteilt wurden. Als der Vater 1881 starb, hatte es der Sohn noch immer nicht auf eine Seßhaftigkeit in Osternberg abgesehen, sondern verpachtete die Gutswirtschaft und pendelte nach wie vor mit den Jahreszeiten zwischen Osternberg und München hin und her. Aus den sommerlichen Besuchen seiner Münchner Künstlerfreunde, von denen nachher Ludwig Herterich, Karl Becker-Gundahl, Theodor Schmidt u. a. zu Bedeutung ge langten, entstand das fröhliche, aber auch künstlerisch frucht bare Treiben der sogenannten ,,Osternberger Künstlerkolonie , die in der Entwicklung der Münchner Kunst eine gewisse Rolle spielte. Becker-Gundahl schuf hier, angeregt von der bäuerlichen Umgebung, sein Bild „Der Austräglerin Ende , das sofort von Defregger angekauft wurde und später Richard Billinger zu seinem Gedicht „Tod der Auszüglerin" das Motiv abgab. Fast sämtliche Landschaften des Sezessionisten Franz Stuck, dem dort erst „der Knopf für die Landschaft auf gegangen war", sind hier entstanden, unter anderem auch der berühmte „Forellenweiher" nach dem Motiv der Osternberger Teiche. Auch Franz von Defregger und Toni Stadler, Leo Samberger und Karl Stockmann kamen wiederholt nach Osternberg. Preens schriftlich niedergelegte Erinnerungen an diese Zeit sind noch ungedruckt. Daraus nur ein Absatz: „Linen Sommer ohne Waldfest gab es bei uns nicht. Einmal, als fröhlicher Abschluß, ging es ins Braunauer Theater. Unsere Gesellschaft war etwas durchs Waldfest in Stimmung ge bracht und beteiligte sich zur Freude der Zuschauer lebhaft an der Aufführung. Den Schluß des Theaters bildeten lebende Bilder, darunter „Odysseus belauscht die Nymphen im Bade" und der Tod irgendeines antiken Helden. Da konnte sich Stuck nicht mehr halten und setzte dem bengalisch beleuch teten Helden seinen steifen schwarzen Hut auf. Der Direktor war wütend, die Zuschauer das Gegenteil. Um den Direktor zu besänftigen, spendierte ihm Stuck, nobel wie er immer war, einige Maß Bier und etliche von den langen Sargnägeln, Virginier genannt." Der künstlerische Sturm und Drang Preens ging zu Ende, als er 1887 in Graz die Tochter des Komponisten Heinrich Esser heiratete, die hochverständige Frau Sophia, die ihn dann wirklich in Osternberg seßhaft machte und bis zu ihrem Tode, 1930, der Mittelpunkt eines gepflegten Kreises von. künstlerischen und wissenschaftlichen Gästen blieb. Schon von Anfang der achtziger Jahre datieren seine ersten Bemühungen um die Erfassung der Innviertler Volkskunde.
Türfüllung und Türumrahmung 1722, städtischer Einfluß (Burghausen?). Motiv vom Kastenbergergut,Gilgenberg,Bez.Braunau a. I. Er begann sie sozusagen ab ovo; bei der Vorgeschichte! Dazu die Schätze Attilas erhofft hatte) gemacht worden waren, verlockte freilich auch der Boden, auf dem er als Schloßherr kamen zahlreiche Neugierige von nah und fern, darunter saß: die Inn-Salzach-Stufenlandschaft und das breite Mattig- auch eine „volkskundliche" Gegenfigur zu Preen, der „Tuifital, zweifellos die am frühesten und am kontinuierlichsten hans", der Wunderdoktor, Anwender, Teufelsbeschwörer und die Schätze Attilas erhofft hatte) gemacht worden waren, kamen zahlreiche Neugierige von nah und fern, darunter auch eine „volkskundliche" Gegenfigur zu Preen, der „Tuifihans", der Wunderdoktor, Anwender, Teufelsbeschwörer und besiedelten Teile des Innviertels. Pfarrer Saxeneder, der in Überackern bei seinem Pfarrhof eben eine römische Villa freigelegt hatte, zeigte Preen die Hügelgräber am Gansfuß, Gemeinde Gilgenberg, mit ihren zwölf Reihengräbern eine der bedeutendsten keltischen Hügelnekropolen des Weil hartgebietes. Wenn Saxeneder gewünscht hatte, „man möge die Ruhe der Toten nicht stören", so konnte Preen dem An gebot des Gilgenberger Gasthofbesitzers und Feuerwehr hauptmannes Hirschlinger, ihm seine Feuerwehrleute für die Ausgrabung zur Verfügung zu stellen, doch nicht wider stehen. Nachdem er sich in einer kurzen „Anleitung zum Ausgraben" von einem Verfasser, der freilich selber nie Hügelgräber ausgegraben, Rat geholt hatte, begann man an einem Bauernfeiertag des Jahres 1882 mit der Arbeit. Bei allem wissenschaftlichen Ernst, um den es sich für Preen dabei handelte, war es doch ein wochenlanges frohes Gemein schaftsfest. Nachdem die ersten Bronze- und Keramikfunde (zur Enttäuschung des Grundbesitzers, der sich das Grab und Schatzgräber aus der Frankinger Gegend, der in Preen miß trauisch einen Konkurrenten seiner Schatzgräberei sah. Die Zuschauer wurden von Zeit zu Zeit mit einem Seil zusammen gefangen und zu einem Obolus für die Feuerwehr verhalten, und abends wurden die Ergebnisse des Tages im Gasthaus Hirschlinger gefeiert. Es kennzeichnet die Auffassung nicht nur Preens, sondern auch seiner Mithelfer, wenn bei einer solchen Nachfeier ein lustiger Gilgenberger Schuster mit Spieß und Pelz und einer witzigen Ansprache als der Häupt ling des Volkes auftrat, den sie heute ausgegraben. Es handelte sich ihnen eben nicht so sehr darum, die MuseumsSchaukästen mit Fundgegenständen zu füllen, sondern, das Urvolk dieses Heimatbodens kennenzulernen. Vorläufig wur den die Funde in einem „Gilgenberger Feuerwehrmuseum" gestapelt. Zuerst wurde der Münchner Archäologe Prof. Naue auf die Gansfuß-Funde aufmerksam und veröffentlichte Preens Be richte darüber in seinen damals gegründeten „Prähistorischen
Bemalte Nistkästen. Motiv aus Neuratting, Bez. Ried i. I. Blättern". Ihm stellte Preen die Funde auch für eine erste prähistorische Ausstellung in München zur Verfügung. Dem Wiener Fiofmuseum, das sich dann für die Erwerbung der Funde interessierte, kam um Nasenlänge das Linzer Landes museum zuvor. Dessen Konservator, von Kolb, besuchte mit dem Verwaltungsrat Josef Straberger im Jahre 1885 den „halbwilden" Ausgräber Preen, als er gerade wieder in einem Grabungsloch am Gansfuß hockte. Zuerst aufeinander wegen der Münchner Verbindungen Preens etwas spießig, schreibt sich dennoch von dieser Begegnung die lebenslange Freundschaft mit Straberger her, die nicht nur auf der Archäo logie und dem warmen volkskundlichen Interesse, sondern vor allem auf einem gegenseitigen herzlichen Verständnis auf gebaut war, — Die nächste Grabung, in der Lonau bei Uttendorf, stand schon unter der Ägide Strabergers und des Landesmuseums. Nachdem sich die Verhandlungen mit dem Besitzer des größten dort befindlichen Hügels zerschlagen hatten, wurde ein kleinerer, abseits gelegener in Angriff genommen, und dieser stellte sich als ein „Fürstengrab" aus Fensterumrahmung 1710 vom Vögelhofergut in Neukirchen an der Enknach, Bez. Braunau a. I. m-f . der Hallstattzeit heraus: Man fand darin neben anderen Beigaben einen goldenen Halsschmuck und einen „Streit wagen". Dieser Uttendorfer Goldfund wurde dann erst recht eine Sensation, was sich schon darin ausdrückte, daß nunmehr am Bahnhof in Salzburg der Zug ins Mattigtal so ausgerufen wurde: „Zug in der Richtung Steindorf—Uttendorf—Braunau! — Er hatte ein tragikomisches Widerspiel: Der Besitzer des großen Hügels, ein Söldner, weigerte sich nun erst recht und verband sich mit einem Uttendorfer Bürger vertraglich zu einem Konsortium. Als der riesiEgerdwall mit viel Aufwand an Geld und Ochsenkraft abgetragen war, hatte man nichts als einen tönernen Spinnwirtel gefunden: Es war gar kein Grabhügel, sondern ein „Hausberg", ein Fluchtplatz vor dem Mattig-Hochwasser, gewesen. Aus dem unklaren Vertrag entwickelte sich ein Prozeß, in dem der Söldner seinen Besitz an den Teilhaber verlor, der freilich der mit totem Erdreich überschütteten Wiesen auch nicht froh wurde. Es ist wieder bezeichnend für das Vertrauen, das Preen in der Bevölkerung genoß, daß der gegen die Exekutoren mit der Waffe drohende rabiate Söldner niemand anderen zu einer vernünftigen Ver handlung ins Haus ließ als Preen. In den folgenden Jahrzehnten hat Preen bis in sein hohes Alter als „Handlanger der Archäologie", wie er sich beschei den nannte, in zahllosen Begehungen — er war immer ein großer Wanderer — das ganze obere Innviertel durchforscht. Die wichtigsten noch folgenden Ausgrabungen waren die am Siedelberg bei Mattighofen (Bronze- und Eisendolche), in Nöfing bei Hagenau, am Ochsenweg bei Rottenbuch, im Roiderholz bei Ranshofen (26 Hügel, darunter auch solche aus der Römerzeit), in Sunzing (etruskische Schnabelkanne und Becken); schließlich hatte er 1904 die Freude, auch in Osternberg ein La-Tene-Grab zu finden. Die Fundgegen stände gelangten zum größeren Teil ins Landesmuseum, zum kleineren ins Braunauer Heimathaus. — Preen wandte sein Interesse auch den eigentümlichen Erdaufschüttungen und Umwallungen zu, wie sie oft mitten im tiefsten Forst an zutreffen sind, den sogenannten „Tennen" oder „Hochäckern . Preens Aufzeichnungen über ihre Standorte sind heute noch dienlich. Einen ähnlichen Anstoß wie durch Pfarrer Saxeneder für die Archäologie, erhielt Preen durch einen anderen Laien für ein anderes Gebiet: für das Innviertier Bauernhaus, seine Ein richtung und seinen Schmuck. Der Lehrer Max Schlickinger hatte die archivalischen Belege zur Lokalisierung des „Meier Helmbrecht" und des Helmbrechtshofes in der Gilgenberger Gegend beigebracht. Von Germanisten, wie Keinz und Panzer, bekräftigt, ist zwar diese Auffassung nicht unwidersprochen geblieben (merkwürdigerweise gerade im eigenen oberöster reichischen Hause durch Konrad Schiffmann), hat sich aber jetzt doch durchgesetzt und bestätigt noch einmal die alte Kulturträchtigkeit dieses Gebietes. Preen nahm an diesen Entdeckungen lebhaften Anteil und schon in die Zeit der ersten Gilgenberger Grabungen fallen seine Zeichnungen vom Kastenbergergut, einem besonders reich verzierten Bauernhof dieser Gegend, die den Anfang zu einer systematischen Auf sammlung der Bauernhnusverzierungen im oberen Innviertel machten. Seine Zeichenkunst kam ihm dabei in noch viel stärkerem Maße zugute als bei der Aufnahme der prähistori schen Funde. Das Ergebnis ist in drei großen Sammlungen niedergelegt: einer im Heimathaus Braunau, einer im Linzer Landesmuseum und einer dritten, die er im Auftrag des bekannten kunstsinnigen Möbel-Industriellen Bernhard Lud wig angefertigt hat. Es ist das am alten Innviertier Bauernhof so gut wie ausschließlich verwendete Holz, das in Schnitzerei und Bemalung das Substrat für die Verzierungen bildet. Da das meiste davon seither durch Brand oder Abbruch zugrunde gegangen ist, sind diese Aufzeichnungen Preens von unschätz barem Wert. — Ebenso noch rechtzeitig, bevor er der Ver-
5 ■ ^ ■^.;:"r ' ' .i}M/^^^.-r' ■■ ■ :v ---/f: «ü ''' rifr'"^*!« ■ ^■'." .^-K; f.—— ■'■; 'V'-- -'JtSBH . . .;;44;^^v«r;'; -1. ^•.■„.■-,'t;f' .. -;,.Ä. .-■ Türumrahmung 1710 vom Vögelhofergut in Neukirchen a. d. Enknach, Bez. Braunau a. I. nichtung oder Verschleuderung anheimfiel, wurde von ihm alter bäuerlicher Hausrat in auserlesenen Mustern gesammelt. Das Gilgenberger Feuerwehrmuseum füllte sich zunächst da mit, und dieser Teil ging bei seiner Auflösung — wie die prähistorischen Funde ans Linzer Landesmuseum — an das Burghausener Museum (die Feuerwehr Gilgenberg und ihre Musik wurde von diesen Erlösen vorbildlich ausgestattet!). Eine zweite, größere Sammlung füllte und überfüllte bald die Räume des Osternberger Schlosses. Es war insbesondere eine vollständige Bauernstube, die Straberger dann anregte, nach dem Neubau des Linzer Landesmuseums in dessen Kellerraum mit dem von Preen gelieferten Material ebenfalls eine Innviertler Bauernstube einzurichten. Sie fand beim Besuch Kaiser Franz Josefs dessen besonderes Gefallen und wurde später das gemütliche fieim wöchentlicher Zusammenkünfte der Heimat- und Museumsfreunde um Straberger, wie Reischek, Bancalari, Viktor v. Handel-Mazzetti, Edward Samhaber, Susi Wallner-Scheibl u. a., an denen Preen, sooft er nur konnte, teilnahm und die erst nach dem Tode Strabergers, 1905, aufhörten. Straberger selbst hatte seit den ersten Gra bungen in Uttendorf zu diesem Ort eine besondere Liebe ge faßt und verbrachte dort alle Ferienzeiten in einem Freundes kreis im „Schmidhammerkeller", zu dem neben Preen auch der Maler Alois Forstmoser und der Mundartdichter Josef Reischl gehörten. Hier wurden auch Strabergers „Befehle" für die nächstjährigen Grabungsaktionen ausgegeben. Die dankbare Marktgemeinde Uttendorf hat Straberger einen Gedenkstein gesetzt. Als Preen seine eigene Sammlung wegen Raummangels in Osternberg abgeben mußte, bot er sie der Stadt Braunau an. Aber man hatte dort für das „alte Gerümpel" noch kein Ver ständnis, und so verkaufte Preen seine Sammlung durch Ver mittlung Richard Andrees an das Volkskunde-Museum in Berlin. Es konnte sich dann freilich nur mehr um eine zweite Lese handeln, die Preen beibrachte, als 1917 das Braunauer Heimathaus in der alten Glockengießerei eröffnet wurde. Zahllos sind seine Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder von Alt-Braunau, mit Motiven, wie sie heute vielfach schon ver-
ap..y IWI Oben: Sölde mit umlaufendem gedrednseltem Schrot (Ronshofen). — Rechts: „Abgebundener Stadel" aus dem Weilhartsgebiet. schwunden sind. Als Denkmalpfleger hat er sich erfolgreich, sogar mit einem Brandbrief an den Thronfolger, für die Erhaltung der barocken Braunauer Orgel eingesetzt. Ein anderes Gebiet der „gegenständlichen" Volkskunde er faßte Preen mit seinen Innviertier und oberösterreichischen Trachtenbildern, die als beliebte Kartenserie des Deutschen Schulvereines erschienen sind. Daran schlössen sich zahl reiche Studien in öl, Pastell und Bleistift von Volkstypen und Originalen aus seiner Umgebung. Aber auch der münd lichen Volksüberlieferung, den Sagen, dem Brauchtum, der Volksmedizin, besonders dem Volksglauben, gehörte von vornherein sein Interesse. Als erster ging er den für die Oberinnviertier Valentinskirchen eigentümlichen Tonkopf urnen und ebenso der Löffelopferung nach, für die er Paralle len in Baden fand. Mit dem jungen Rudolf Kriß zusammen „erwanderte" er die Wallfahrtskapellen des Innviertels und benachbarten Bayerns, und das Ergebnis war wieder eine den Bauernhausverzierungen gleichwertige Reihe von Zeichnun gen. Längst war er mit den frühen Vertretern der wissenschaft lichen Volkskunde in Verbindung getreten, in Salzburg mit Richard Andree und dessen Gattin Marie Andree-Eysn, in Wien mit Matthäus Much, Michael Haberlandt u. a., in Baden mit Ernst Wagner. Sein Ruf trug ihm den Auftrag ein, die oberösterreichische Trachtengruppe beim KaiserJubiläums-Festzug 1908 in Wien zusammenzustellen, wie er dann 1910 selbständig das erste Innviertier Trachtenfest in Taufkirchen an der Pram gestaltete, auch dies eine Pioniertat. Niemand hat Preens Wesen und Umwelt plastischer geschil dert als sein volkskundlicher Schüler, der heutige Haupt vertreter der religiösen Volkskunde, Dr. Rudolf Kriß, der als angehender Student zufällig auf einer Wanderung in Preens Haus gekommen war, das ihm dann zur zweiten Heimat wurde. Er erzählt in seinem weltanschaulichen Entwicklungs roman „Freiheit und Bindung" etwa von einer Wallfahrts wanderung mit Preen (unter dem Decknamen Albert von Egg) ins Bayrische hinüber zu einer Wendelins-Wallfahrt mit den um diese Zeit noch voll ausgebildeten Votiv- und Umrittsbräuchen. Und während der Junge den ganzen Tag allen Verzweigungen dieses Brauchtums nachlief, saß der Alte schon am Mittag im Wirtshaus, mit den Bauern disku tierend, und erfuhr dabei wohl mehr von der inneren Volks gläubigkeit als der andere. Und das, obwohl er den bairischen Dialekt nie gebrauchte und wohl auch gar nicht beherrschte, und trotz seines unverkennbaren adeligen Timbres. Preen war kein Forscher aus Leidenschaft oder gar aus Ehrgeiz, kein abgekapselter Gelehrter, sondern ein vollrunder Mensch von innerer Harmonie, kein großer Redner, aber ein „kamoter Mann", und daher befähigt, die Leute anzusprechen und anzuregen. Mit diesen Eigenschaften war er auch geeignet, einen Kreis um sich zu sammeln und für die Heimatsache zu begeistern. 1908 gründete er mit Max Schlickinger den Verein „Alt Braunau"; Ried folgte noch im selben Jahr mit einer „Gesell schaft zur Pflege der Rieder Heimatkunde", Schärding, wo schon seit 1905 ein vom Apotheker Kyrie gegründetes Stadt-
museum bestand, 1909 mit einem „Heimatbund" unter Direktor Fritz Holzinger. Jede dieser Vereinigungen schuf sich ein Publikationsorgan als Beilage zu den Lokalzeitungen der drei Städte. Dafür wurde die besonders glückliche Form gefunden, daß die heimatkundlichen Aufsätze auf eine Doppelseite (!) der Wochenzeitung so gesetzt wurden, daß man sie falten und in Heften sammeln konnte. Ohne diese vorbildliche Unterstützung durch die Presse wäre die Ausweitung dieser Ideen,zu einer Heimatbewegung nicht denkbar gewesen. In Ried waren vor allem Professoren des Gymnasiums die treibenden Kräfte, an der Spitze Dr. Franz Berger, der nach malige Landesschulinspektor, der die Tradition der Innviertier Geschichtsschreiber Johann Ev. Lamprecht und Konrad Meindl fortsetzte, aber auch schon damals als Bezirksschulinspektor starken Einfluß auf die heimatkundliche Bildung der Lehrer schaft nahm; der Direktor Dr. Franz Thalmayr, dem das 1911 errichtete Stelzhamer-Denkmal in Ried zu verdanken ist, das wiederum mit einem großen Trachtenfest enthüllt wurde; der Geograph Dr. Franz Schöberl, der als erster die Geologie des Innviertels klärte; der Germanist und Kunsthistoriker Doktor Wilhelm Gärtner, der der Bewegung auch eine Wendung zum Heimatschutz gab. 1909 erfolgte der lose Zusammenschluß der Innviertier Heimatvereinigungen zu einer „Innviertier Heimatkunde", die nun an größere Aufgaben gehen konnte, so an die Herausgabe von „Innviertier Heimatkarten" mit alten und neuen Ortsbildern, durch die der Ansichtskarten schund verdrängt werden sollte, dann eines „Innviertler Heimatkalenders" seit 1910, auch dieser ein in Österreich erstmaliger Versuch. Für ihn schuf Preen nach heimatlichen Landschaftsmotiven seine Monatsbilder, mit denen er die Tradition der alten Bauernkalender wieder aufnahm. In zahl reichen „Heimatabenden" — ein seither leider stark ab gesunkener Begriff —, die fast jedes Innviertler Dorf erreich ten, wurde den Landsleuten die Geschichte des Ortes, aber auch heimatliches Lied, Spiel und Brauchtum vor Augen ge führt. Dazu kamen „Heimatausstellungen", wie die Schwanthaler-Ausstellung in Ried, 1910, oder eine von Dr. Gärtner aufgebaute Ausstellung von Bauernhausverzierungen aus der Rieder Gegend, deren mit Hilfe der Rieder Studenten ge sammeltes Material nun ebenfalls im Linzer Museum gelan det ist. Endlich wurde 1912 nach unermüdlichen Vorarbeiten Dr. Gärtners (seine an Schultze-Naumburg anknüpfende, richtungweisende Schrift „Das Bauwesen im Innviertel") ein „Landesverband für Heimatschutz und Denkmalpflege" gegründet. Seine Bauberatungsstelle hat in das ländliche Bau wesen bald segensreich eingegriffen. Denn auch hier galt es, das bessere Heimatliche an die Stelle von hergelaufenen Maurermeisterplanungen zu setzen, wenigstens zunächst bei den Schul- und Gemeindehausbauten und bald auch bei den Kriegerdenkmälern. Knapp vor dem ersten Weltkrieg stand diese Innviertler Heimatbewegung, an der in zunehmendem Maße die Geistlich keit und die Lehrerschaft teilnahmen und die besonders auch in der Form der Veröffentlichungen bald ebenso im Eferdinger Bezirk und im Mühlviertel Nachfolge fand, auf ihrem Höhepunkt. Aus der Erinnerung eines damaligen Rieder Mittelschülers, der von ihr mitergriffen wurde und unter anderem auch an Preens Ausgrabungen mit dem Spaten und
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