Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

Angesichts der wenig günstigen land wirtschaftlichen Produktionsbedingun gen und der vorherrschenden kleinen Betriebsgrößen, denen in der EWG ein harter Konkurrenzkampf bevorsteht, und der rund 15.000 Fernpendler wird angestrebt, den durchschnittlichen In dustriebesatz des Landes zu erreichen. Das bedeutet, daß noch etwa 15.000 Industriearbeitsplätze geschaffen wer den müssen. Dabei erwartet man eine daraus resultierende Lohn- und Ge haltssumme in Höhe von ca. 100 Millio nen DM als zusätzliche Kaufkraft der Wirtschaft des Gebietes. Unberücksichtigt sind in dieser Zahl Änderungen innerhalb der Industrie struktur, die sich beschäftigungsmäßig um so stärker auswirken,je geringer der Industrialisierungsgrad des jeweiligen Teilgebietes ist. Beschäftigungsmäßig lassen sich drei große Gruppen unter scheiden; a) Branchen mit zurückgehenden Be schäftigtenzahlen, wie Holzbearbei tung, Steine und Erden sowie auch Brauereien u. a. b) Branchen mit relativ konstanten Be schäftigtenzahlen, wie Glas, Berg bau u. a. c) Branchen mit expansiver Entwick lung der Beschäftigtenzahlen. Zu die ser Sammelgruppe zählt man im Bayerischen Wald Textil- und Be kleidung, Chemie, Kunststoff, Elek trotechnik, Feinmechanik, Optik so wie alle Sparten der Metallverarbei tung, voran Maschinen- und Fahr zeugbau. Die expansiven Industriezweige sind die eigentlichen Träger der Beschäftigungs expansion. Vereinzelt haben in neuan gesiedelten Betrieben geschaffene Ar beitsplätze nur die Rationalisierungsfrei setzungen der zurückgehenden Branchen zu kompensieren vermocht. Das Handwerk hat nach starken Umschichtungen in den letzten zehn Jahren nunmehr eine rela tiv ausgewogene Gesamtstruktur. Die Zahl der Handwerksbetriebe ist zwar von 1956 bis 1963 von 7270 auf 6030 zurückgegangen, die Beschäftigtenzahl im gleichen Zeitraum aber von 26.000 auf 30.000 angestiegen. Der zahlen mäßige Rückgang der Betriebe wird hauptsächlich von den Gruppen Beklei dung, Leder sowie Holzverarbeitung ge tragen, die allein um 1020 Betriebe ab nahmen. Den Zuwachs an Handwerks beschäftigten haben fast vollständig das Bau- und Ausbauhandwerk sowie die Gruppe Metall aufgenommen. Augenfällig ist die regionale Konzen tration des Handwerks in den Stadttmd Landkreisen Fassau und Deggendorf, auf welche die Hälfte der Hand werksbeschäftigten des Gesamtgebietes trifft. Eine gewisse Häufung ist ferner in den Kreisstädten und größeren Märk ten zu verzeichnen. Im Jahre 1955 wurden im Handwerk und in der Industrie gleich viele Be schäftigte (25.600 bzw. 25.800) gezählt. Seither steht der kontinuierlichen Zu nahme der Handwerksbeschäftigten um 4000 das wesentlich stärkere Wachstum der Industrie mit einer sprunghaften Zu nahme um 13.000 Arbeitsplätze gegen über. Beide ergänzen sich insofern, als das Handwerk fast ausschließlich Män nerarbeitsplätze, die neu angesiedelten Industriebetriebe bisher zum größeren Teil Frauenarbeitsplätze bieten. Der Fremdenverkehr hat erst nach dem Kriege im Bayerischen Wald größeres Gewicht erlangt. Das schöne Mittelgebirge mit seinen klimati schen und landschaftlichen Gegebenhei ten läßt eine positive Weiterentwicklung erwarten. Als Besonderheit werden in jüngster Zeit die „Ferien auf dem Bauernhof" mit recht gutem Erfolg pro pagiert. Auch Feriendörfer köimen, so fern sie läge- und ausstattungsmäßig allen Ansprüchen gerecht werden, zur Belebung des Fremdenverkehrs beitra gen. Entscheidende Bedeutung wird dem Ausbau der Wintersaison beigemessen. Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist die Errichtung von etwa zehn größeren Skilifts mit entsprechenden Abfahrten im Vorderen und Hinteren Wald. Der Handel ist in seiner Entwicklung nur schwer zu prognostizieren, da er wie der übrige Dienstleistungssektor vom Umfang der Kaufkraft abhängt. Im Jahre 1960 wurden insgesamt 5000 Handelsniederlassungen mit rd. 15.000 Beschäftigten, davon allein 780 Nieder lassungen mit 5100 Beschäftigten in den beiden Städten Deggendorf und Passau, gezählt. Der Umsatz ist in den genann ten Städten höher als in den Landkrei sen des Bayerischen Waldes, wo er sich nur auf 32.000 bis 38.000 DM je Be schäftigten beläuft. Er liegt jedoch weit unter dem Durchschnitt Gesamtbayerns (60.600). Die Probleme der Infrastruktur liegen im Bereich der volkswirtschaft lichen Grundinvestitionen. Die Verkehrslage des Bayerischen Wal des wird gedankenlos oft als „von Na tur aus" abgelegen bezeichnet. Das gilt insbesondere für die Straßenverbindun gen. Diese Ansicht ist unrichtig. Richtig dagegen ist, daß infolge der bisherigen Unterlassung des Ausbaus überregiona ler Schnellverkehrsstraßen der moderne Anschluß an das europäische Grundnetz noch aussteht. Dazu ein Beispiel: Während man von München aus mit einem mittleren PKW in drei Stunden etwa Heidelberg er reicht, benötigt man für die Fahrt in das kilometermäßig viel nähere Regen (161 Kilometer) im Bayerischen Wald eben falls drei Stunden. Es fehlt eben an überregionalen Verbindungen,auf denen neuzeitliches Tempo durchgehalten wer den kann. Für die Verkehrserschließung des Baye rischen Waldes ist der Bau einer Schnell straße von München nach Deggendorf und die Weiterführung der Autobahn von Regensburg nach Passau eine un abdingbare Forderung. Die erwähnte Fahrzeit von München bis Regen würde bei vierbahnigem Ausbau einer Schnell straße nur noch eineinhalb Stunden be tragen. Ähnliches gilt für die Autobahn. Die „natürliche Abseitslage" würde durch diese Maßnahmen halbiert, d. h. der Bayerische Wald den Verbrauchs zentren München und Nürnberg fünfzig Prozent näher sein als bisher. Erforder lich erscheint ferner die Weiterführung der B 85 (Ostmarkstraße) sowie ihre Vermaschung mit der Autobahn durch Zubringerstraßen, wobei Ausbauge schwindigkeiten von mindestens 80 km vorzusehen wären. Auch vom RheinMain-Donau-Kanal als einzige durch gehende Ost-West-Binnenschiffahrtslinie zwischen Magdeburg und der Adria verspricht man sich eine wichtige wirt schaftliche Belebung. Die Wasserversorgung, trotz des Wald reichtums auf Grund der geologischen Verhältnisse unzureichend, wird durch ein großes Regionalprojekt in spätestens acht Jahren für das Gesamt gebiet gelöst sein. Aus den ergiebigen Quellbereichen im Donautal und einem Trinkwasserspeicher im Hinteren Wald wird praktisch jedem Zukunftsbedarf Rechnung getragen werden können. Die Ahwasserheseitigung soll schwer punktmäßig in den Unterzentren und ländlichen Kernsiedlungen, und zwar so weit als möglich in Grappenlösungen erfolgen. Für die Müllheseitigung sind je drei zentrale Anlagen im Mittleren Bayer wald und im Donautal in Betracht ge zogen. Neben der vorhandenen elektrischen Energie soll noch eine Ferngasleitimg in den Bayerischen Wald geführt werden, um den insbesondere für die Industrie wichtigen Energieträger zur Verfügung zu haben. Im kulturellen Bereich sollen die beste henden 320 Volksschulen stärker zusam-

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