Hans V. Krezmor Die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Aspekte der Sanierung im Bayerischen Wald Das Gebiet zwischen der Donau und dem südlichen Gebirgskamm der böh mischen Masse zeigt, an der ChamFurther Senke beginnend bis weit nach Österreich hinein, landwirtschaftlich und strukturell überraschend ähnliche Züge. Der westliche Teil dieses 30 bis 40 km breiten Gürtels wird als Bayerischer Wald, das südostwärts anschließende Gebiet im benachbarten Österreich als Mühlviertel bezeichnet. Der Bayerische Wald umfaßt ein Gebiet von rund 4500 km^ mit 415.000 Ein wohnern. Die Bevölkerungszahl ist seit 1950 um rund 30.000 Personen zurück gegangen, was nicht allein auf die Ab wanderung der Heimatvertriebenen, sondern auf die allgemeine wirtschaft liche und strukturelle Schwäche zurück zuführen ist. Darüber kann auch die Tatsache, daß es etwa seit 1960 gelun gen ist, die Bevölkerungsabnahme zu stoppen,nicht hinwegtäuschen. Das Bruttosozialprodukt, d. h. die Lei stung sämtlicher Wirtschaftsbereiche, gilt als Maßstab für die Wirtschafts kraft und Wertschöpfung eines Gebie tes. Es ist mit 2980 DM/Kopf der Wohnbevölkerung im Bayerischen Wald nur halb so groß wie der Bundesdurch schnitt(5810 DM). Aufgabe der Raumordnung ist es, die Möglichkeiten nüchtern abzuschätzen sowie die Erfordernisse im wirtschaft lichen, sozialen und kulturellen Bereich aufzuzeigen, die der Bevölkerung das Verbleiben in diesem Gebiet erstrebens wert machen. Die Chance, ein angemes senes Einkommen zu erzielen, ist die unabdingbare Voraussetzung hierzu. Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Handwerk, Verkehr sowie die sonstigen Dienstleistungen, einschließlich Frem denverkehr, bilden zusammen den gro ßen Komplex, den man als „die Wirt schaft" bezeichnet. Jede Einzelbetrach tung eines Wirtschaftsbereiches muß in diesem Gesamtrahmen gesehen werden. Die Landwirtschaft befindet sich mit Mechanisierung und Rationalisierung in einer Phase ent scheidender Umstellung. Die natürlichen Produktionsvoraussetzungen, an den Ausläufern des Bayerischen Waldes zum Donautal als noch gut zu bezeichnen, werden mit zunehmender Höhenlage schlechter. Daraus erklärt sich der Rück gang der landwirtschaftlichen Nutz fläche von 208.000 ha auf rd. 200.000 ha im Zeitraum 1949 bis 1960 besonders im Vorwald und im Hinteren Bayeri schen Wald. Bei einer Sondererfassung wurden außerdem 25.000 bis 30.000 ha land wirtschaftliche Grenzertragsböden fest gestellt, die sich besonders in den Ge bietsteilen häufen, die erst im Verlauf der letzten Rodungswelle (bis 1830) be siedelt wurden. Rückläufig ist auch die Zahl der ständigen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, die sich seit 1949 von 77.000 auf 60.000 verringerte. Unter dem Aspekt der Besitzverhält nisse und des Einkommens lassen sich betrieblich drei Gruppen unterscheiden: a) Neben- und Zuerwerbsbetriebe: gesichertes außerlandwirtschaftliches Einkommen ist gegeben. b) Grenz- bzw. Untergrenzbetriebe: die landwirtschaftliche Fläche ist un zureichend — außerlandwirtschaftli ches Einkommen fehlt noch. c) Vollerwerbsbetriebe: Landausstattung und Einkommen aus der Landwirtschaft reichen aus. Als problematisch gilt die Gruppe der Grenzbetriebe, zumal sie regioned be sonders dort vertreten sind, wo das An gebot an außerlandwirtschaftlichen Ar beitsplätzen sehr beschränkt ist. Für die künftige Entwicklung muß da von ausgegangen werden, daß die älte ren Landwirte ihren Betrieb noch weiter bewirtschaften, die jüngere Generation aber großenteils weniger gewillt ist, sich mit dem erzielbaren bescheidenen Ein kommen zufriedenzugeben. Neben den bereits vorhandenen außerlandwirt schaftlichen Arbeitsplätzen für Neben erwerbslandwirte sind weitere Arbeits plätze auch für landwirtschaftliche Grenzexistenzen und Nachgeborene aus Vollerwerbsbetrieben bereitzustellen. Innerhalb eines Einkommensgefüges aus allen Wirtschaftsbereichen sollen damit auch für die Bewohner des Bayerischen Waldes gesicherte Existenzen geboten werden. Die Forstwirtschaft hat dem Bayerischen Wald seinen Na men gegeben. Mit 190.000 ha Forst fläche steht der Wald hinter der land wirtschaftlichen Nutzfläche kaum zu rück. Die Tatsache, daß allein seit 1958 rd. 6500 ha landwirtschaftliche Flächen aufgeforstet wurden, kennzeichnet die Situation. Der erwähnte Umfang der Grenzertragsböden läßt eine weitere Zu nahme der Waldflächen erwarten. Die ständig Beschäftigten — in den Land kreisen Regen, Grafenau und Wolfstein sind z. Z. noch 920 ständige Arbeits kräfte beschäftigt — dürften zahlen mäßig jedoch nur noch geringfügig zu rückgehen. In den Staatswaldkomplexen sind die Waldwirtschaftswege systematisch aus gebaut, was in Erlössteigerungen seinen Ausdruck findet. Auch die planmäßige Erschließung des Privatwaldes durch Waldwirtschaftswege wird für vordring lich gehalten. Hier werden die wesent lichen Aufgaben der Waldbauernvereinigungen liegen, ebenso wie bei der Gemeinschaftsaufforstung. Die Industrie und ihre Entwicklung bilden den Angel punkt einer wirtschaftlichen Sanierung. Man erwartet von ihr in relativ kurzer Zeit Arbeitsplätze für den landwirt schaftlichen Arbeitskräfteüberbesatz,Ar beit für die Fernpendler in der Heimat, Anhebung der Kaufkraft und dadurch positive Auswirkungen auf Handwerk, Handel und Verkehr. Von 1954 bis 1964 hat sich die Summe der Löhne und Ge hälter der Industriebeschäftigten — je weils das 3. Quartal verglichen — von 18 Millionen auf 62 Millionen erhöht. Prozentual gesehen, liegt die Zunahme sogar über dem Landesdurchschnitt. Im Bayerischen Wald waren vor dem Kriege nur 12.700 Industriearbeitsplätze, vorwiegend in den traditionellen Indu striezweigen Glas und Optik, Steine und Erden, Holzbe- und -Verarbeitung vor handen. Seit Kriegsende bis zum Jahre 1959 stieg die Zahl der Industriebe schäftigten auf 27.000. Im Verlauf der (sogenannten) Industrialisierungswelle von 1959 bis 1965 nahm die Zahl der Industriearbeitsplätze auf derzeit 38.300 weiter zu. Trotzdem liegt der Industriebesatz (In dustriearbeitsplätze auf tausend Ein wohner) mit 92 a. T. noch weit hinter dem Landesdurchschnitt (127 a. T.), den lediglich die Landkreise Regen und Weg scheid annähernd erreichen. Die Land kreise Bogen und Wolfstein rangieren mit einem Industriebesatz von 49 bzw. 59 a. T. am Ende der Skala.
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