Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

Bildungsgesellschaft entscheiden über die Bedeutung eines Volkes nicht Kohle- oder Erzvorkommen, nicht E-Werke und Getreidefelder, sondern die Zahl der ausgebildeten Bega bungen. Nicht umsonst hat die UdSSR mit aller Energie das Schulwesen ausgebaut, und zwar von der Elementarschule bis zur Hochschule. Die USA haben in diesen Jahren ein Pro gramm beschlossen, das vorsieht, daß bis zum Jahr 1970 die Studienplätze an Hochschulen um 50 Prozent vermehrt wer den sollen. Präsident Johnson hat diese Planungen mit folgenden Worten begründet: „Nichts ist wichtiger für die Zukunft xmseres Landes — nicht unsere bewaffnete Macht, denn bewaffnete Macht ist wertlos, wenn wir nicht die geistige Kapazität auf bringen, um eine Welt des Friedens aufzubauen. Nicht unsere produktive Wirtschaft, denn wir können ohne ausgebildete Arbeitskräfte ihr Wachsen nicht gewährleisten, nicht unser demokratisches Regierungssystem, denn die Freiheit ist zer brechlich, wenn der Staatsbürger ungebildet ist." Wollen wir Österreicher mit der Welt Schritt halten, dann muß vor allem das Schulwesen den modernen Anforderungen entsprechen. Unser Bundesland Oberösterreich hat im Augenblick auch den Anschluß an die anderen österreichischen Bundesländer nicht gefunden. In der Anzahl der Schüler, die eine höhere allge meinbildende Schule besuchen, steht Oberösterreich in Oster reich an siebter Stelle. Es ist besonders auffallend, daß Bau ernkinder und Arbeiterkinder aus Landgegenden in viel zu geringer Zahl an den höheren Schulen und an den Hochschulen vertreten sind. Vor einigen Jahren noch befanden sich in der Mittelschule einer Landstadt unter 100 Schülern nur zwei Bauemkinder, im gesamten waren es acht von hundert. Unter den Landkindern gibt es sicher ebenso viele begabte Kinder wie unter den Stadtkindern. Man darf diese Begabungen nicht ungenützt lassen. Es wäre ein Unrecht am Kind und am Volk. Es wird eine Forderung bleiben, noch mehr höhere Schulen auf dem Land zu bauen. Jene Kinder, die auch, wenn Schulen in größerer Streuung auf dem Land errichtet werden, noch keine Möglichkeit haben, eine höhere Ausbildung zu genießen, müs sen die Möglichkeit haben, in Internaten zu für die Eltern zu mutbaren Bedingungen zu wohnen. Grundsätzlich muß es un ser Bestreben sein, jedem begabten Landkind den Weg in eine höhere Schule und auf die Hochschule zu ermöglichen. Die Volksschulen auf dem Land scheinen eine besondere Sorge zu sein. Immer wieder taucht die Frage auf: Sollen kleine Volksschulen aufgelassen und sogenannte Zentral schulen geschaffen werden? Zentralschulen sind Schulen, in denen die Kinder mehrerer Pfarren und Gemeinden in einer Schule ihren Unterricht erhalten. Wir sind der Meinung, daß im allgemeinen überall dort, wo eine Pfarre ist, auch eine Volksschule sein soll, damit die Kinder nicht schon mit sechs Jahren zu Pendlern werden und die nächsten gesellschaftli chen Mittelpunkte Gemeinde, Pfarre, Pfarrkirche nicht ken nenlernen. Wenn heute gemeldet wird,daß in Niederösterreich mit einem Schlag etwa 90 einklassige Schulen geschlos sen worden sind, so darf daraus nicht gefolgert werden, daß man auch in Oberösterreich rasch eine so große Anzahl von Schulen zusperren sollte, da die Verhältnisse in Ober- und Niederösterreich sehr verschieden liegen. Niederösterreich hatte mehr als 300 einklassige Volksschulen, Oberösterreich hat nur 16. Daß ganz kleine Schulen geschlossen werden, ist in einzelnen Fällen wahrscheinlich zu begrüßen. Fachleute sind bei uns übereingekommen, man möge die Schulfrage auf dem Land so regeln, daß Kinder vom 1. bis 4. Schuljahr auf alle Fälle die Heimatschule besuchen können. Für Kinder, die sehr weit von der Schule entfernt sind, müßten Schulauto busse eingesetzt werden. Für Kinder vom 5. bis 8. Schuljahr, also für die Volksschuloberstufe, sind Zentralschulen wohl eine gute Lösung, weil dort für jeden Jahrgang eine eigene Klasse geschaffen werden kann. Menschen vom Land sollen sich also nicht unter allen Um ständen dagegen wehren, wenn kleine Schulen geschlossen werden. Die Entwicklung wird das wohl in manchen Fällen notwendig machen. Die Behörden aber müssen mit sehr großer Sorgfalt an diese Frage herangehen. Zu der Frage Fachschule: Es ist längst Gesetz, daß alle Ju gendlichen, die einen nichtlandwirtschaftlichen Beruf anstre ben, eine Berufsschule zu besuchen haben. Für die Landwirt schaft gibt es leider noch immer keine Pflicht zum Besuch einer berufsbildenden Schule. Seit Jahren aber ist der Ruf im Land gehört worden: Keine Hofübernahme ohne Fachschule. Es ist sehr erfreulich, daß in diesem Jahr mehrere neue, einst weilen provisorische landwirtschaftliche Fachschulen für Bur schen und Mädchen eröffnet worden sind. Der Strom jener, die freiwillig eine Fachschule besuchen wollen, wurde immer größer. Es muß das Ziel bleiben, daß jeder kommende Hofübernehmer die Möglichkeit hat, unter zumutbaren Bedin gungen eine landwirtschaftliche Fachschule zu besuchen. Es ist nicht einzusehen, warum der Besuch einer Fachschule für Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, nicht längst zur Pflicht gemacht worden ist. Landwirtschaft verlangt heute, wenn der Betrieb bestehen soll, eine große geistige Wendig keit und umfangreiche fachliche Kenntnisse. Der Städter hat es verhältnismäßig einfach, sich außerhalb der Schule Wissen zu holen. Es gibt dort eine große Zahl von Kursen und Tagungen. Wer fleißig und bildungshungrig ist, kann für alle Wünsche auch am Abend verhältnismäßig leicht etwas finden. Bildungsarbeit auf dem Land ist viel schwerer, weil es viel schwieriger ist, genügend gute Referen ten und in den dünn besiedelten Gebieten genügend Men schen, die sich für Erwachsenenbildung interessieren, zu fin den. In der kommenden Bildungsgesellschaft bleibt aber auch für das Landvolk eine gründliche systematische Erwachsenen bildung dringend notwendig. Der Fremdenverkehr Der Gast bringt Geld ins Haus. Für viele Bauern und Arbeiter auf dem Land ist ein zusätzliches Einkommen aus dem Frem denverkehr notwendig geworden. Der Fremdenverkehr hat vielen Orten des Landes ein neues Gesicht gegeben. Häuser werden renoviert und modernisiert, neue Häuser und Straßen werden gebaut. Schulen werden vergrößert usw. Sehen Sie sich Orte an wie Traunkirchen, Waldzell, Cortina d'Ampezzo, Scenna bei Meran. In wenigen Jahren haben diese Siedlungen ein neues Gesicht bekommen. In unseren Erholungsorten findet der Städter Erholung und Ruhe. Er bezahlt dafür mit gutem Geld, in vielen Fällen auch mit Freundschaft und an deren Diensten, die dem Landvolk erwiesen werden. Leider kommt mit dem Gast aber auch manche Versuchung (Kultur ausverkauf, Vernachlässigung der Familie, Gefährdung der Ehe, sexuelle Unmoral) in das Dorf. Das kann nicht geleugnet werden. Dies darf uns jedoch nicht hindern, unsere Orte dem Gast weit zu öffnen. Die Menschen im Dorf können dennoch wertvoll und gut bleiben. Viele beweisen das. Daß die Men schen bei der Betreuung dieser Gäste gut bleiben, ist eine Aufgabe der Bildung und der Seelsorge, des Apostolates der Laien. Wir haben die Aufgabe, die Menschen unserer Dörfer fremdenverkehrsreif zu machen. Wir können sie auch in ande ren Belangen vor der Gefahr, vor Versuchimgen nicht bewah ren. Denken Sie an Buch, Zeitung, Film und Femsehen. Wie die Menschen dort fest gemacht werden müssen, daß sie in der Versuchung sich für das Gute entscheiden, ebenso muß es in Fragen des Fremdenverkehrs geschehen. Wir brauchen mehr Bildung, mehr Glauben, mehr Selbständigkeit. Wir wollen nicht, weil mit den Gästen Gefahr ins Dorf kommt, eine Chinesische Mauer um die Dörfer aufführen.

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