Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

Alfred Sighartner t Rohstoff: Schönheit der Landschaft A n m. d. Red.: Nachstehender Aufsatz des bereits verewigten ehemaligen Landesbaudirektors von Oberösterreich, Hofrat Dip.- Ing. Alfred Sighartner, erschien bereits 1954 in der Zeitschrift „Natur und Land", 40. Jg., H. 4 bis 6 (Naturschutz in Oberöster reich. Eine Festschrift zur 2. österreichischen Naturschutztagung in Gmunden, 6. bis 8. Mai 1954). Der Abdruck erfolgt mit ge ringfügigen Kürzungen. Diese Abhandlung besitzt heute dokumentarischen Wert. Sie soll deshalb in diesem Heft, das der Raumordnung in Oberösterreich gewidmet ist, als Mahnruf eines Pioniers des Landschaftsschutzes in Erinnerung gebracht werden. Österreich ist, wie wir leider nur allzugut wissen, ein an Rohstoffen armes Land. Die wichtigsten und daher nennens wertesten von ihnen sind gar bald aufgezählt: das Salz unserer Salinen, das Eisen des steirischen Erzberges und das Holz unserer Wälder. Zu ihnen tritt in neuerer Zeit noch die aus unseren Flüssen und Bächen gewonnene weiße Kohle und das unserem Verfügungsrechte bekanntlich entzogene Erdöl. Nach der landläufigen Ansicht ist hiemit die Auf zählung unserer Rohstoffe beendet. Und dennoch hat uns die Natur zusätzlich mit einer boden gebundenen Gabe bedacht, die zwar von der breiten Masse unserer heimischen Bevölkerung nicht als Rohstoff im übli chen Sinne erkannt wird, die aber tatsächlich als Bodenschatz in der wahren Bedeutung dieses Begriffes zu werten ist: es ist die Schönheit unserer Landschaft. Daß ihr in der Regel nicht die Eigenart und die Funktion eines Bodenschatzes, eines wertvollen Rohstoffes, zuerkannt wird, hat seine Begründung darin, daß ihr Vorkommen und ihr Nutzertrag nicht, wie etwa bei Erzlagern und Kohlen flözen, vorweg mengen- und wertmäßig in Ziffern eindrucks voll darstellbar ist. Auch sind die meisten von uns an den Anblick der Schönheit unserer Landschaft von Kindheit an derart gewöhnt, daß sie ihr Vorhandensein als eine Selbst verständlichkeit hinnehmen und ihm keinerlei Seltenheitswert beimessen. Wie sehr eine solche Wertbeurteilung unseres Rohstoffes „Schönheit der Landschaft" unangebracht ist, zeigt am klarsten der Umstand, daß eine große, stets zunehmende Zahl von Auslandsgästen unser Land besucht, um sich an seinen landschaftlichen Vorzügen zu erfreuen. Daß sie dies unter Aufwendung der Mühen mitunter weiter Reisen und nicht geringer Kosten unternehmen, weil sie in ihrer Heimat diese für sie begehrenswerten Vorzüge entbehren, ist ein Maßstab für den Wert, den sie dem Genüsse derselben bei messen. Es ist aber auch gleichzeitig ein Beweis dafür, daß es sich bei der Schönheit unserer Landschaft um einen realen oder realisierbaren Wert und nicht etwa nur um das Trugbild einer Fata Morgana handelt, die dem Einbildungsvermögen einzelner verkrampfter und blutleerer Ästheten phantasti sche Bilder vorgaukelt. Tatsächlich ist der Wert des Rohstoffes „Schönheit der Land schaft" ein doppelter: ein ästhetischer und ein materieller. Wir wollen uns im Rahmen dieser Ausführungen in Ver folgung praktisch auswertbarer und daher vermutlich auch allgemeinverständlicher und einprägsamer Erwägungen nur mit der materiellen Wertkomponente befassen, wobei selbst verständlich in erster Linie auf den andeutungsweise bereits erwähnten Auslandsfremdenverkehr als willkommenen Devi senbringer zu verweisen ist. In gedanklicher Gleichsetzung dieses Wertes mit jenem eines Rohstoffes materieller Art drängt sich bei konsequenter Ver folgung dieses Gedankens eine Reihe von Fragen auf, deren wichtigsten etwa wie folgt zu formulieren wären: 1. Haben wir im Hinblick auf unsere allgemeine Wirtschafts lage nicht allen Anlaß, dem Vorhandensein und der Nut zung eines zusätzlichen, wenn auch immateriellen Natur schatzes unsere besondere Obsorge angedeihen zu lassen und ihn vor ungezügeltem Raubbau zu schützen? 2. Wem kommen die Eigentumsrechte über diesen Natur schutz zu? 3. Wer verfügt über seine Nutzung und 4. Wem.obliegt seine Betreuung? Die erste Frage ist wohl in Anbetracht der Beengtheit unserer wirtschaftlichen Verhältnisse — die nicht zuletzt der Klein heit unseres Wirtschaftsraumes entspringt — sowie bei unserer sonstigen Rohstoffarmut vorbehaltlos mit einem Ja zu beant worten. Dies um so mehr, als es für unsere wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung zwingend geboten ist, alle verfügbaren Reserven zu mobilisieren, als der bereits mehrfach erwähnte Auslandsfremdenverkehr in gewissem Sinne eine Auswei tung unseres Wirtschaftsraumes und eine Förderung unserer wirtschaftlichen Beziehungen zum Auslande im Gefolge hat, ein Sachverhalt, der ja auch in dem oft gebrauchten Wort vom „unsichtbaren Export" seine Bestätigung findet. Es emp fiehlt sich, im Zusammenhang hiemit festzuhalten, daß zwar der wirtschaftliche Nutzen des Fremdenverkehrs in der brei ten Öffentlichkeit schon weitgehend erkannt wird, daß aber die Notwendigkeit, auch einer seiner wichtigsten Existenz grundlagen, des Landschaftsschutzes und der Landschafts pflege, zu gedenken, verhältnismäßig wenig Verständnis be gegnet. Zur zweiten, das Eigentumsrecht betreffenden Frage wäre festzuhalten, daß die Schönheit unserer Landschaft, wenn überhaupt, nur in sehr beschränktem Maße an das Boden eigentum gebunden ist; sie ist oder soll zumindest Gemein gut aller sein. Die Naturschutz- (Landschaftsschutz-) Gesetze erklären denn auch die Erhaltung und Pflege des Landschafts bildes für ein öffentliches Interesse und verbieten im allge meinen störende Eingriffe in dasselbe. Hier drängt sich un willkürlich abermals ein Vergleich mit den Bodenschätzen ma terieller Art auf, da das Bergrecht deren Nutzung (Abbau) ebenfalls unabhängig vom Bodeneigentume regelt. Die dritte Frage ist in großem Umrisse wie die zweite zu beantworten: Das Nutzungsrecht soll, gleich dem Eigentums rechte, in erster Linie der Allgemeinheit zustehen. Dies schließt selbstverständlich Sondernutzungen für bestimmte private Zwecke — auch für solche gewinnbringender Art — nicht gänzlich aus. Derartige Sondernutzungen sollen aber in einer Weise erfolgen, die das allgemeine, öffentliche Interesse nicht beeinträchtigt. Hier liegen die größten Gefahren für die Erhaltung und Pflege des ungestörten Bestandes der Schön heit unserer Landschaft verborgen, zumal der Beurteilung der Zulässigkeit solcher Sondernutzungen begreiflicherweise sehr weite Grenzen gezogen sind. Wir wissen ja leider nur zu gut, welcher Raubbau bisher aus eigennützigen Gründen an der Schönheit unserer Landschaft betrieben wurde. Bei diesem Sachverhalte kommt der vierten Frage nach der Betreuung dieses Naturschatzes eine besondere Bedeutung zu. Die an sich aktionsunfähige, wehrlose Landschaft bedarf zum Schütze ihrer Schönheit eines sehr aufmerksamen und vor allem eines tatkräftigen Anwaltes. Diese Anwaltschaft hat auf freiwilliger Grundlage und in selbstloser Weise der „Österreichische Naturschutzbund" mit seinem „Institut für Naturschutz" übernommen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit

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