Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

förmig die Raumzone über den Figuren®. Die Ranken sind entweder geschnitzt oder in den Goldgrund eingepreßt. In solcher Weise finden sie nicht nur als Hintergrund der Schreinfiguren und aufgelegten Flügelreliefs, sondern auch der Gemälde Verwendung. Weiter liebt es Guckh, die Heili gen auf den Flügeln außer durch ihre Attribute auch noch durch Nennung der jeweiligen Namen auf einer unter den Figuren angebrachten gemalten Schriftleiste kenntlich zu ma chen. Auch Szenen werden durch solche Schriftleisten (Nonn berg, Flügelaußenseiten) oder durch von schwebenden Engeln gehaltene Inschriftbänder (Wonneberg) erläutert oder bi blisch belegt (vgl. Abb. 52/53). Bevor auf die künstlerisch-formalen Qualitäten der Altäre eingegangen werden soll, sind vielleicht noch einige allge meine Hinweise auf die Bildinhalte angezeigt. Der Gepflogen heit des späten Mittelalters entsprechend, nimmt die Dar stellung von Heiligen den breitesten Raum ein. Vorwiegend treten die Vierzehn Nothelfer auf, die durch weitere landes übliche Heilige ergänzt werden. Ein ausgesprochener Nothelfer-Altar ist der von Pfarrwerfen, wobei auf den Flügel außenseiten das Thema der Apostel vorgetragen wird. Das zweite Hauptthema umfaßt das Leiden Christi. Der Altar von Gebertsham ist ganz diesem Thema gewidmet, sonst tritt es mehrfach auf den Flügelaußenseiten auf. Die Predella ist fast ausschließlich diesem Bildkreis vorbehalten. Einmal steht Maria inmitten einer Schar von Heiligen: im Altar von Sankt Koloman. Da Maria aber auch, obzwar in besonderer Weise, zum erweiterten Kreis der „Nothelfer" gehört, kann auch dieser Altar zur Gruppe der Nothelfer-Altäre gerechnet wer den. Ähnlich verhält es sich beim Oberndorfer Altar, nur erhebt sich die Mittelgruppe des Gnadenstuhls, die zwar kleiner als die Assistenzfiguren ist, seinsmäßig weit über den Rang der Heiligen hinaus, was in dem gestuften Sockel und dem zusätzlichen Postament seinen sichtbaren Ausdruck fin den mag. Auch die Marienfigur des St.-Koloman-Altares ist etwas „erhaben" gegenüber den beiden Heiligen ihr zur Seite, weil Maria den Vorrang vor allen Heiligen hat'. Ein Thema eigener Art schlagen die Flügelaußenseiten des Nonnberger Altares an. Einerseits sind es Christus, das Kreuz als Sieges zeichen tragend, und die Apostel, anderseits die bei ihrem göttlichen Kind Fürbitte einlegende Jungfrau Maria und weibliche Heilige, an die sich, geteilt nach Geschlechtern, die Stände der Welt in ihrer Not und Bedrängnis wenden. Man erinnert sich an Dürers Allerheiligen-Bild und wird sich der Drangsal jener Zeitenwende bewußt, aus der heraus die Hilfe rufe der Menschheit „um genad und um parm" und das Stoß gebet „O Maria pit dein chind für uns arm sünder" sich ver stehen lassen®. Zu beachten sind auch die Darstellungen auf den Rückseiten einiger Altäre. In Nonn sind es fünf Medail lons mit Ranken, wobei im mittleren der hl. Georg erscheint und ein Hymnus auf den „Streiter Christi" angestimmt wird. In Tengling sind bei gleicher Medaillonsanordnung die „Vier Wesen" und in der Mitte das „Lamm" wiedergegeben, alles von entsprechenden Texten, wie z. B. dem zweiten Teil der Konsekrationsworte aus dem Canon der Messe, begleitet®. So zeigen die Altäre Guckhs ein zwar auf wenige Haupt themen begrenztes, aber durchaus vielfältig abgewandeltes Bildprogramm, das auf die religiöse Vorstellungswelt des frühen 16. Jahrhunderts im Salzburger Raum ein erhellendes Licht wirft. Schließlich sind noch einige Bemerkungen zum „Stil" Gordian Guckhs und seiner Werkstatt im engeren Sinne angezeigt. Auch sie können nur allgemeiner Natur sein, da für eine verfeinerte Behandlung dieser Frage noch die Voraussetzun gen fehlen'. Hier wäre vorerst noch die Frage anzuschneiden, wie denn das Verhältnis des „Malers" Gordian Guckh zu seiner Werkstatt und den bei ihm beschäftigten Bildschnitzern bestellt gewesen sein mag. Ohne einer genaueren Untersuchung vorgreifen zu wollen, wird man sagen können, daß Guckh als das bestimmende Haupt der Werkstatt anzusehen ist, das die „Visierung" der Altäre geschaffen und damit auch dem Schnitzer den Weg vorgezeichnet hat. Ob Guckh auch selbst das Schnitzmesser geführt hat, läßt sich schwer ent scheiden, die Quellen schweigen darüber. Aus den Werken ist abzulesen, daß das innere Gefüge der Altäre und ihre Ver wandtschaft untereinander eine einheitlich formende Kraft voraussetzen, und die Analyse der Malerei wie der Plastik verrät den gleichen Stilwillen. In diesem Sinne darf Guckh, im Sprachgebrauch einer späteren Zeit ausgedrückt, als „In ventur" und „Pictor" angesehen werden'®. Der Stil Guckhs läßt sich als malerisch, flächenhaft-dekorativ, ruhig-geschlossen und ausgeglichen bezeichnen. Das Male rische hat Guckh weitgehend mit dem Zeitstil gemeinsam, die übrigen Eigenschaften kennzeichnen ihn als Angehörigen des Salzburger Kunstkreises. Die persönliche Eigenart des Malers mag man in der Verwendung zarter Farben mit zu rückhaltendem, kühlem Kolorit, in dem Streben nach groß zügigen geschlossenen Linien und Flächen, in der Spannungslosigkeit der Figuren und ihrer milden und freundlichen Stim mung sehen. Sehr aufschlußreich ist zum Beispiel dafür die Darstellung der Auferstehung Christi am Wonneberger Altar (siehe Abb. S. 53). Das Wunder der sieghaften Überwindung des Todes aus eigener Kraft wird wie eine Idylle erzählt. Der Auferstandene erhebt sich nicht aus dem geöffneten Grab oder schwebt gar wie eine lodernde Flamme empor, sondern er ist auf wunderbare Weise durch das riesige, versiegelte Steingrab hindurchgegangen und steht nun davor auf einer Wiese mitten unter den zwar verdutzten, aber keineswegs zu 51

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