Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

läßliches Vergleichsstück dafür bringen, würde er behaupten: diese Eggelsberger Türen haben etwas von der herben Klar heit der siebziger Kunst und zeigen bereits Strömungen des „ersten gotischen Barocks". (Das wäre etwa die Situation der achtziger Jahre.) Verläßlich sehen wir: Dieser Schmied ist keineswegs konservativ, starke Stilverschleppung scheidet also bei der Datierung aus. Eben jetzt wurde auch ein Flügelaltar (der Hochaltar) für Eggeisberg in Auftrag gegeben®. Dieser kommt aus Braunau®. Dort befindet sich der Bäckeraltar; er ist eine Arbeit desselben Meisters, die er nach dem Eggelsberger (1481 datiert) geschaffen hat. Sollte nicht der Beschlag ebendort bestellt worden sein? Braunau ist kaum weiter als Burg hausen entfernt, und die Straße ist weniger bergig. Wie schaut es in Braunau mit gotischen Beschlägen aus? Erwartet uns dort dieselbe Enttäuschung wie in Burghausen? Die Braunauer Stephanskirche ist mit ihren fünf herrlichen Toren ein Juwel an gotischer Beschlagskunst, ja der spätgotische Höhepunkt, was die Eisenkunst im ganzen Land Oberösterreich betrifft! Eggeisberg liegt mit seinen Beschlägen zeitlich vor Braunau, genauso wie mit seinem Altar. Soll dort der Meister, die Werkstatt, zu suchen sein? Um dies erhärten zu können, muß das weitere Inntal nach anderen Arbeiten der angenommenen Werkstatt abgesucht werden. Wer zahlt dieses reiche Be schlagswerk? Die Moor- und Moränenbauern um das Ibmer Moor können das nicht. Das sind die Herren von Ihm, die Sonderndorffer. In Eggeisberg hatten sie ihre Grablege. Sie haben die stolzgelegene Kirche ausgestattet. Ihr Wappen zeigt die gelbe Sumpflilie der Moorseen. Es ist die Lilie ihrer Hei mat, nicht die heraldische. Vielleicht spielt dieses Wappenbild auslösend in der Lilienfreudigkeit der Beschläge mit, denn zweifellos ist Eggeisberg weiterhin Vorbild. Seine überragen den Türbeschläge gehören außer jedem Zweifel einer Ur banen Werkstatt an. Wie schön wäre es, den Namen der Werkstatt zu wissen, er wird wohl ebenso unbekannt bleiben wie der Name des Meisters der Flügelaltäre. Die Qualität der Eggelsberger Beschläge läßt sich an Hand des heute noch vor handenen Materials nur mit Braunau in Verbindung setzen, auch die Sakristeitüre von Ranshofen gehört dazu; mit dieser Arbeit tritt wohl die Braunauer Werkstatt zum erstenmal auf den Plan. Ihre Arbeiten gefielen, wurden nachgeahmt, endlich auch mißverstanden. Die Ausgewogenheit der Komposition ging verloren (Uttendorf), der Typ jedoch blieb. Da der Inn nicht Grenze war, wurde auch über den Inn geliefert. Damit wird ein neues Problem berührt. Es erhebt sich die Frage: Gehört die Innviertier Eisenkunst der Spätgotik zu einer entsprechenden niederbayerischen Verbreitungsgruppe, die sich weithin nach Westen erstreckt, oder handelt es sich um ein bloß inselartiges Vorkommen im weiteren Inntal, was die Bedeutung Braunaus nur noch stärker unterstreichen würde? Aus dem mir zugänglich gewordenen Material, das ich aus der Literatur oder durch Augenschein kennenlernen konnte, läßt sich noch keine sichere Entscheidung treffen, ob sich etwa eine „Inntalkunst", die auch westwärts über den Inn greift, herausarbeiten läßt, ob also auch westwärts wie ost wärts im Hausruckviertel diese Gruppe des Innviertier Furiosos rasch abklingt, oder ob doch das Innviertel nur als Teil der niederbairischen Kunst, im Sinne der historischen Situa tion zur Zeit der Gotik, anzusprechen wäre und die bekannte „Traungrenze" auch für dieses Thema zutreffen würde? Nach einer Enttäuschung wie der mit Burghausen wird man ver ständlicherweise sehr vorsichtig. Was sagt die Wirtschafts geschichte?^ Gibt es in Niederbayern eine ähnliche Kette von Eisenhämmern wie an unserer Mattigtallinie? Wollen wir in den drei Innviertier Bezirken, von denen der Braunauer mit Abstand der reichste ist, Gruppen zusammen stellen und diese zeitlich zu reihen versuchen, so werden uns die Lilien sehr dienlich. Wieder müssen wir zu dem einzig Sicheren zurückkehren: zu den technischen Grundlagen. Auch die Lilien formt man in Spalttechnik. Einzelne Formdukten setzen sich voneinander ab. Unterzieht man sich der Arbeit in jeder Kirche, die als Beschlag verwendeten Lilien abzupau sen, so ergibt sich ein leicht voneinander absetzbarer Typen schatz, der die einzelnen Werkstätten abzugrenzen erlaubt. Dies setzt freilich einen persönlichen Besuch, eine ausgespro chene Feldforschung voraus. Auf jeden Fall helfen diese Pau sen, die Lichtbilder sicherer zu gruppieren. Die Zeit, die uns interessiert, umspannt nur ein Menschen alter. Ich würde vorschlagen,zu überlegen, ob nach Eggeisberg nicht der Sakristeitorbeschlag von Weng mit seinen mehrfach getreppten Stengeln, die die Lilien tragen, etwa um 1490 an zusetzen wäre. Jedenfalls liegt er vor der Donauschule, weist noch keine expressiven Elemente auf und greift noch nicht mit jener barocken Kühnheit über die Türfläche, wie es der Donau schulstil wagt. Nun würden sich die Beschläge des Süd- und Westtores der Braunauer Stephanskirche anschließen. Die nun verzinkten Lilien sind noch „klassisch" ruhig. Die dortige Nordtür bringt zweifellos die Zwischenstufe zu den zeitlich folgenden Sakristeitüren, die am Ende unserer Reihe stehen. Diese sind durch die zusätzliche Verwendung von Schellen charakterisiert. Verwendung von Schellen findet sich auch drüber dem Inn im niederbayerischen Raum. Eine weitere späte Gruppe, die die Schellen durch Scheiben in den Bändern er setzt, hat sich in Lochen, Gebertsham und Kirchberg fest stellen lassen. Es handelt sich hier nicht etwa um einen tech nischen Abstieg, eher um wesentlich schwächere Mittel bei der Anschaffung. Auch zeitlich werden wir ziemlich gleich mit Braunau liegen. Die Verwendung der Scheibe setzt natürlich die Dynamik herab, doch wird durch zahlreiche Lilien und rundköpfige Nägel bei sehr dichter Feldführung eine klar be stimmte Komposition, wie eine geradezu musikalische Linien führung, erreicht. An „Aststummeln" werden meist in Dreier bündeln die Lilien angesetzt. Sie spalten sich in der Verlänge rung des Astes ab, wobei stets die erste Lilie in schönem Rhythmus zurückgebogen wird. Uttendorf bringt eine auffallende Verwendung von verschie den großen Lilienformen, während es früher — wie etwa in Eggeisberg — der besondere Stolz war, durch möglichst große Gleichmäßigkeit der Lilien das Können zu zeigen. Auch Feld kirchen und Heipfau, die die scharfe Rückbiegung mit Lochen gemeinsam haben, gehören hierher, weil sie ihre Musikalität schon verloren haben und so den Ausklang anzuzeigen be ginnen. In der Munderfinger Westtür treffen wir eine weitere Gruppe an, die die Lilienornamentierung noch durch eingestreute Zier blumen erhöht. Vormoos läßt zwischen ihnen Blätterpaare von den Bändern absprießen, auch Tarsdorf arbeitet in diesem Sinne. Roßbach füllt leere Flächen mit je zwei Lilien aus. An der Schalchner Tür kommt dies nur einmal vor. Die durchschnittlichen und zugleich führenden Vertreter des Donauschulstiles im Innviertel stellen jedoch jene Beschläge dar, die die Lilienbündel aus einer Form herausspringen las sen, die ich (schon 1954 in meinem Buch „Eisenkunst im Lande ob der Enns") mit „Vogelkopf" bezeichnet habe. Hier sind etwa Heipfau, Munderfing, Höhnhart, Schwandt u. a. zu nennen; in Hochburg ist er noch nicht voll entwickelt, wenn auch schon die Feldfüllungen sich dieser Stilrichtung zuneigen. Die Bänder der beiden Türen in Aurolzmünster haben zusätz lich noch ausgestanzte Dreipässe; in Bayern entspricht das zweiästige Sakristeitor von Stammham dem „Vogelkopftyp". Dieser Typ muß sich nicht immer mit der Spalttechnik ver binden, so setzt Hohenwart in Bayern an die drei Bänder in einem gewissen Rhythmus fertige Gebilde an, die gleichsam kommende C-Bügelformen vorwegnehmen. Ein Beispiel des „Vogelkopftyps" weist das Linzer Schloßmuseum auf. Unter diesen mir bekanntgewordenen Vorkommen stellt die Nordtüre von Geiersberg die höchste Steigerung dieses „Vo46

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