Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 1/2, 1965

Linz von Kaiser Maximilian zum Dichter gekrönt und vor allem berühmt geworden durch seine Vorlesungen über Litera turgeschichte, die ihn zum „Begründer der modernen Lite raturwissenschaft" erhöhten. Was aber beide — Cuspinian und Watt, bzw. Vadian — so wesentlich machte, ist ihr Welt bild, das keine Grenzen kannte und eine literarische Situation erzeugte, die den Übergang vom gotischen Spielmann zum barocken Schauspieler fast selbstverständlich erscheinen läßt. Wie sehr das stimmt und wie sorgsam das Feld bestellt war, zeigt der Schuldramatiker Wolfgang Schmeltzl (um 1500 bis nach 1557), für dessen Wirken man allerdings zumeist nur den berühmten „Lobspruch auf die Stadt Wien in Österreich" zitiert. In Wirklichkeit aber war Schmeltzl nach Joachim von Watt der erste, der mit sieben dramatischen Arbeiten das Tor zur Bühne aufstieß wie ein frischer Frühlingswind, und daß von 1540 bis zur Gegenwart das Wiener und das öster reichische Theater klangvoll in der Welt genannt werden, ist weitgehend ein Verdienst des katholischen Schulmeisters und Pfarrers Wolfgang Schmeltzl aus Kemnat im Pfälzischen. Freilich: er war bei all dem nicht allein geblieben, er hatte Freunde, begabt wie er und treu wie er. Der eine, der Niederösterreicher Paul Rebhuhn (um 1500 bis 1546), saß in Sachsen, der andere, Johannes Prasch (gestorben 1544), arbeitete als Schreiber in der Kanzlei des Wiener Bischofs Nausea. Rebhuhn — glühender Protestant und Haus genosse Luthers, dem er schließlich eine Anstellung als Pfarrer im vogtischen ölsnitz verdankte — gilt nicht nur als der Schöpfer des evangelischen Dramas, sondern auch „bis auf Grillparzer als der beste Spielbuchdichter, den Österreich hervorgebracht hat". Kein Wunder also, daß sich Schmeltzl — ungeachtet aller konfessionellen Mauern — an Rebhuhn dicht anschloß und Rebhuhns „Hochzeit zu Cana" (1538) bear beitete. Für die Verbindung zwischen Wolfgang Schmeltzl und Johan nes Prasch gab es hingegen überhaupt keine Hindernisse. Beide waren dem katholischen Glauben eng verbunden, beide arbeiteten in Wien und beide waren davon überzeugt, daß dem Schauspiel die Zukunft gehöre. Prasch — aus Hallein stammend — beschäftigte sich allerdings zunächst mit der Übersetzung von vier Büchern der Odyssee ins Lateinische, aber schon sein Trauergesang für den Wiener Bischof Faber aus dem Jahre 1541 offenbart einen hochtalentierten Drama tiker, der mit dem Trauerspiel „Philaemus" sogar ins Poli tische und Zeitkritische vorstieß: der Wunsch, daß sich die getrennten Kirchen wieder vereinen mögen, ist nämlich genau so unverkennbar und stark wie der Appell an das Menschliche, an den Bruder im anderen Lager. Wolfgang Schmeltzl ließ das Stück vier Jahre nach dem Tode seines Freundes Prasch drucken, obwohl er wußte, daß die Zeit für solche Töne taub war. Auf einer völlig anderen Ebene als das Triumvirat SchmeltzlRebhuhn-Prasch arbeitete Benedictus Chelidonius: in Nürn berg vor 1490 geboren und schon mit verhältnismäßig jungen Jahren Abt der Wiener Schotten, wurde Chelidonius zum Vertreter jenes typischen Klosterhumanismus, der nur wenig später, im Jesuitenspiel, Kaiserbühne und Stiftsbühne aufs innigste verband. Den Weg, den Chelidonius dabei ging. zeigt am besten sein 1515 uraufgeführtes Drama „Voluptatis cum virtute disceptatio": vor Erzherzog Karl von Burgund als Richter streiten sich Venus und Pallas, und daß schließlich dem hochadeligen Richter der Lorbeer gebührt,ist vom Dichter wohlerwogen und ausgesponnen. Aber nicht nur in Wien hatten der Humanismus und die mit ihm verbundene Literatur eine Blütezeit erreicht, sondern auch im übrigen Österreich fanden sich Männer, die aufgeschlossen und rege neuen Zielen zustrebten. In Tirol war es vor allem Petrus Tritonius (um 1475 bis 1524), der eigentlich Peter Treibenraiff hieß und in Brixen und in Schwaz als Lehrer und Musiker an Lateinschulen unterrichtete. Die Verbindung mit Celtis, für den er lateinische Oden vertonte („Melapolae" 1507), führte ihn zum Humanismus — allerdings in kon servativ-gläubigem Sinn; so ist Tritonius das erste katholische Gesangsbuch, der „Hymnarius" von 1524,zu verdanken. Sein Landsmann Georg Rösch von Geroldshausen (1501 bis 1565) — gleich Tritonius zunächst Lehrer an einer Lateinschule, später aber Beamter in der Innsbrucker Residenz — erwies sich mehr der Welt zugetan: er errichtete die erste Druckerei in der Tiroler Hauptstadt und wurde durch den „Wunsch spruch zu allerlei Welthändel" zum Begründer der neuzeit lichen Tiroler Literatur. Eine merkwürdige Form erhielt die Dichtung zur Zeit des Donaustils in Böhmen und Mähren. Merkwürdig deshalb, weil sich das revolutionäre Element schon von Beginn an kundtat, immer kräftiger und unverhohlener, und wer die Dichtungen aus dieser Epoche und aus diesem Raum auf merksam studiert, ahnt das Ende am Weißen Berg bei Prag schon voraus. Bei Bohuslav von Lobkowitz (1462 bis 1510) allerdings ver läuft noch alles in ruhigen Bahnen. Dieser Weltmann, der zu Bologna als Student oft genug um einer Liebelei wegen den Degen zog und als Doktor des römischen und des canonischen Rechtes Ansehen in sämtlichen Ländern des Abend- und Morgenlandes genoß, dachte zu global, um zum Sektierer zu werden, obwohl er in seinen Dichtungen — ver faßt in einem bestechend schönen Latein — bereits den Kampf mit dem „türkischen Erzfeind" prophezeite. Aber in den Schriften des Ladislaus von Boskowitz (gest. 1522) und vor allem in der Lyrik des Egerländers Kaspar Brusch (1518 bis 1559) sind die Anklagen gegen die sozialen, nationalen und konfessionellen Mißstände und Ungerechtigkeiten nicht mehr zu überhören, und der Ruf nach Freiheit rauscht wie Orgel töne auf. Ähnliches ist aus Siebenbürgen zu berichten, wo Johann Honter (1498 bis 1549) als evangelischer Pfarrer in Kronstadt wirkte. In seinen literarischen Arbeiten, die er selbst druckte und verlegte, verfocht er nicht nur die neue Lehre „mit Furia", sondern forderte auch alle Rückständigen und Lauen zum Kampf heraus, wobei er sich fast ausschließlich der deutschen Sprache bediente. Er wird deshalb mit Recht als jener Dichter bezeichnet, der die gemeindeutsche Schrift sprache in Siebenbürgen einführte. Am anderen Ende des Reiches, in den Ländern des ehemaligen Vorderösterreichs, starb rund zehn Jahre vor Honter ein nicht minder bedeutsamer Humanist und Literat: Melchior Pfinzing 00..^einiotlücrf ßin^/Sotiau Das Oö. Heimatwerk Linz/Donau pflegt die Sachgüter der Volks- und Handwerkskultur unseres Bundeslandes. Wir beraten und vermitteln auf den Gebieten der TRACHT, der VOLKSKUNST und der WO H N R A U MGESTALTUNG. Bitte besuchen Sie uns, wir freuen uns darauf! Heimatwerk-Geschäfte: Linz, Landstraße 31 (Ursulinenkloster) und Mozartstraße 22(Handelskammer). 28

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