Oberösterreich, 14. Jahrgang, Heft 3/4, 1964

wanderter weihnachtlicher Wunderwelt vor uns aus. Die alten Stuben und Lie der werden lebendig, die herzliche Phan tasie unseres Volkes, vor allem unserer Salzkammerer, wird vor unsere Seele gezaubert. Aber auch hier verzichtet Kastner nie auf die Sinnbezüge, wenn er zum Beispiel schreibt: „Der Vogel, der seit den Hallstätterbronzen in sinn bildlicher Weise unser Volk begleitet und außerdem in den apokryphen Evan gelien erwähnt ist, der besonders als Stieglitz auf das innigste mit dem Jesuskind verbunden war . . ." Die reiche und vorzügliche Bildausstat tung des Werkes nimmt die Mitte des Buches ein. Sie reicht, wie die Anlage der literarischen Darstellung es fordert, von antiken Beispielen über großartige Dokumentationen der Hochkunst bis zu den namenlosen Volkskrippen. Sogar die Gegenwartskunst wird nicht übersehen. Ein verdienstvolles wissenschaftliches Werk und ein bleibendes Geschenkbuch! Dr. O. W. F.H.König:Alt-Gmundner Fayencen. Eine Handwerkskunst aus dem Salz kammergut (17. bis 19. Jahrhundert). Mit 33 Farbtafeln und 2 Ansichten. 115 Seiten. Ganzleinen, mehrfarbiger Umschlag. — Linz: Wimmer, 1964. La denpreis S 144.—. Die Zeitschrift „Oberösterreich" hat es sich zur Aufgabe gemacht, interessante Neuerscheinungen auf dem Gebiete der Landeskunde kurz anzuzeigen. Neben dem im Oö. Landesverlag erschienenen und hier auch besprochenen Werk „Die Krippe" ist als weiterer wichtiger Bei trag das reizvolle Büchlein von F. H. Kö nig, „Alt-Gmundner Fayencen" zu nen nen. Der Verlag Wimmer setzt mit ihm als Herausgeber die Reihe von Kunstbüchern fort, die mit den „Hinter glasbildern" begann. Es ist ein köst licher Band! In gediegener Wissen schaftlichkeit, aber leicht lesbar und flüssig geschrieben, wird der Kunst freund über die großartigen Leistungen und die Entwicklung des alten Gmund ner Hafnerhandwerks informiert. Wir werden in eine Glanzzeit des heimischen Kunstgewerbes eingeführt. Technik und Stileigentümlichkeiten werden für uns lebendig, historische Zusammenhänge deutlich gemacht. Am kostbarsten ist der Bildteil, in dem in ausgezeichneten Farbreproduktionen besonders schöne alte Gefäße — Krüge, Schüsseln, Figu ren, Geschirr, Ampel, Kanne, Schraub flasche etc. — wie in einem imaginären Museum zur Schaustellung gebracht werden. Ein ideales Buch für Sammler! Vorankündigung ! Im kommenden Sommerheft 1965, das dem Thema „Die Kunst der Donau schule in Oberösterreich" gewidmet sein wird, kann die Redaktion eine Neuerscheinung auf dem Gebiete des deutschen Kunstbuches besprechen, die für Oberösterreich von besonderer Wich tigkeit ist. Für Interessenten wird eine Vorankündigung gegeben: Alfred Stange: Malerei der Donau schule. Mit 25 Farbtafeln, 212 einfarbigen Ab bildungen und 23 Illustrationen im Text. — München: Bruckmann, 1964. 300 S., Ganzleinen, mehrfarbiger Umschlag. Vom neuen literarischen Antlitz Oberösterreichs Es sind einige im Lande am Werk, die einer neuen literarischen Generation angehören. Diese strebt von der „Hei matdichtung" hinweg, sucht Anschluß an die geistige Erschütterung unserer Zeit und leugnet dennoch nicht ihr obderennsisches Herkommen. Im besten Sinne macht sie somit wahr, was auch im Raketenzeitalter noch gelten muß: daß Wirkung in die Tiefe nur möglich ist, wenn man auf eigenem geistigen Grund und Boden steht. Hermann Friedl legt einen neuen Erzählband vor: Kleine Gesellschaft am Abend (Sigbert-Mohn-Verlag, Güters loh, 1964). Im Untertitel gibt er die nähere Bezeichnung: Geschichten und Kürzestgeschichten. Diese „Kürzestge schichten" sind Gedankensplitter, oft nicht länger als neun Zeilen, Aphoris men und Skizzen zu Stoffen, aus denen echte Novellen gemacht werden könnten. Seine „Geschichten" beginnen mit einer konventionellen Ehebruchstory, eben der „Gesellschaft am Abend". Aber bereits die Erzählung „Hochzeit" erweist den reifen Beobachter und gereiften Novelli sten. Die Themen kommen aus der Menschenkenntnis und Erfahrung des Arztes, welchen Beruf der Autor haupt beruflich ausübt. Sie werden von ihm objektiviert und somit zum Zeitbild er hoben. Dieses ist kritisch geformt, manchmal von zynischem Spott durch setzt, im allgemeinen aber ergriffen von menschlichem Mit-Gefühl und Mit-Leid. (Die versäumte Entscheidung.) Sprachli ches und darstellerisches Zentrum dieses Bandes ist unzweifelhaft die Erzählung „Die Verkrustung". Hier offenbart sich am deutlichsten die enorme Begabung des Autors, aus dem Alltag heraus die meist so unbegreifliche menschliche Psyche bloßzulegen. Herbert Eisenreich legt eben falls bei Sigbert Mohn unter dem Buch titel „Reaktionen" Essays zur Literatur vor. Es ist ein imposantes Kompendium von 358 Seiten, in dem ein Dichter über die „Sprache als Organ", „Das schöpfe rische Mißtrauen", über den „Dilletantismus des Genies", über „Bücher von gestern" und „Im Anblick der Ruine" spricht. Es sind Gedanken, dann wieder bloße Gedankensplitter, ausgereifte Überlegungen, daneben unfertige Ver suche. Der Autor erweist in diesen Essays ein staunenswertes Wissen und eine kritische Belesenheit. Der Tatsa chenbestand der behandelten Fakten und Schriften aus der Weltliteratur wird geistreich durchleuchtet und in persön licher Anschauung interpretiert. Die Zu sammenstellung der ausgewählten Mo tive erscheint zufällig. Eine „Erinnerung an Kurt Absolon" (den früh verstorbe nen hervorragenden Zeichner) zum Bei spiel steht neben einer Studie über Nestroy, nicht minder gescheit und herz lich geschrieben. Unter den „Büchern von gestern" fehlen nicht Knigge und Clausewitz! Robinson befindet sich in Nachbarschaft der Schriften des Leonardo da Vinci! In der Summe dieser Zufällig keiten ergibt sich jedoch das Weltbild eines echten Humanisten unserer Zeit. Problematischer, viel problematischer er scheint die ebenfalls bei Sigbert Mohn erschienene Erzählung „D er Ur großvater" (76 Seiten). Sie fordert unwillkürlich die Frage heraus, wohin die heutige Literatur mit manchen Pro dukten eigentlich will. Ist der Mensch wirklich nur mehr eine „Spottgeburt von Dreck und Feuer"? Ist kein normaler Atemzug mehr erlaubt? Muß die aus gewählte dichterische Thematik unbe dingt Übelkeit erregen? Offensichtlich will Eisenreich den Weg einer Selbstrei nigung aufzeigen. Einerseits übt er in der Milieuschilderung den Realismus bis zur Peinlichkeit, andererseits werden banale, psychologische Unmöglichkeiten vorgesetzt. Oder sollte es wirklich glaub haft sein, daß ein ausgewachsener Mensch zwei privaten Detektivbüros plump auf den Leim geht und schließlich sogar ein Grab heimlich öffnen will, um dem Geheimnis seines Urgroßvaters auf die Spur zu kommen? Der Rechtsanwalt, den er sich nach diesem Abenteuer neh men muß, ein alter Studienkollege, äußert wohl mit einigem Recht: „Ich hab' dich wirklich nicht für so einen Trottel gehalten, damals, in Wien." Wozu das Ganze? Im krampfhaften Suchen nach dem Übersinnlichen geht auf diese Weise der Literatur mancher Sinn verloren. Dr. O. W. 71

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