Oberösterreich, 14. Jahrgang, Heft 3/4, 1964

V Illustrationsprobe aus Kästners „Die Krippe": Anbetung mit Königen, Kind in Holzkrippe, von Josef Huber (Linz) aus dem Jah•re 1956. Otfried Kastner: Die Krippe. 204 Seiten Text, 121 Abbildungen, davon 23 Vierfarbenbilder, 93 Zeich nungen im Text, mit einem Nachwort von Dr. Franz Lipp. Ladenpreis 5 298.—. Nach jahrelangen Vorarbeiten gab Ot fried Kastner nunmehr nach seinem grundlegenden „Eisenbuch" ein Krip penbuch heraus. Ausgangspunkt war für ihn, wie für sein gesamtes bisheriges Lebenswerk, die heimische Landschaft mit ihrer Kunstvergangenheit und -gegenwart. Der Verfasser ist in seiner Methodik bekannt unorthodox. Sein Tun ist stets mit Schwärmerei verbun den. Anlaß zur Forschung ist für ihn zunächst die Begeisterung über ein Kunsterlebnis. Er wandert und schaut, begeistert sich und sucht sodann erst nach der wissenschaftlichen Erkenntnis. Auf diesem Wege hat er sich ein ganz persönliches Wissen angereichert, das fernab der Schulweisheit und verbücherten Kunstgeschichte liegt. Was er weiß, ist Eigenwissen, sowohl in der Bestands aufnahme der Tatsachen als auch in der Interpretation. Dadurch bleiben Kastners Schriften in vielem nicht unangefochten, so wird es auch seinem Krippenbuch ergehen. Wir wollen jedoch in erster Linie die staunenswerte Leistung würdigen. In diesem vorzüglich ausgestatteten Kunst buch findet der Leser eine Materialfülle, die den höchsten Ansprüchen genügt. Wort und Bild werden überreich gebo ten. Die Darstellung beginnt mit der Skizzierung der religionsgeschichtlichen Entwicklung der Krippe. Tief gräbt der Verfasser nach den Wurzeln. „Ihre Ver flechtung mit der Antike" stellt den ersten Abschnitt seiner Untersuchungen dar. Aus einer Vielzahl von Kapiteln verdienen hervorgehoben zu werden: die Untersuchungen über den Christbaum und seine Vorläufer und über „das göttliche Kind". Hier erweist der Autor eine Kombinationsgabe, die Zusammen hänge und Verflechtungen glaubhaft und mit reicher Sachkenntnis aufzeigt. Ob alle Thesen einer fachlichen Kritik stand halten können, wird noch zu prüfen sein. Zu skizzenhaft und in ihren Be ziehungen zum Thema nicht immer ganz verständlich muten die in den anderen Kapiteln dieses Abschnittes gebotenen Hinweise auf die alten Religionen des Mittelmeerraumes an. Sicheren Boden betritt der Autor im zweiten Abschnitt, in dem er „Die Dar stellung des Weihnachtsgeschehens in der Kunst" behandelt. Hier gelingt ihm mit seinem Wissen und mit einer sehr beachtlichen Bildauswahl die Befreiung des Krippenthemas von der bloßen Folklore. Die Gestaltung des Weih nachtswunders wird von ihm als ein Urthema der Kunst herausgearbeitet. Die Fäden der Entwicklung verlieren sich oft im Geheimnis der Vorzeit. Als Roman tiker und volkskundlich geschultem Schwärmer gestattet man dem Autor jedoch gerne manche kühne Verknüp fung, manche Deutung des vorzeitlichen Dunkels. Er versucht geradezu leiden schaftlich, überall hinter die Dinge zu sehen,und kommt zu einer Gesamtschau, die zum Thema der Krippe längst not wendig war. Einzelne Partien dieses Ge samtbildes werden vielleicht da und dort noch genauere Konturen erhalten müs sen, es ist aber unzweifelhaft eine im ponierende Leistung, daß überhaupt ein mal diese richtige Einordnung der Krippe in die abendländische Kunst gewagt worden ist. Reizvoll und liebenswert wirkt der Aus klang des Buches mit den mehr volks kundlich orientierten Kapiteln: Die Krippe — „Ihre Entfaltung in Ober österreich". Hier breitet nun der Ver fasser seinen ganzen Reichtum an er70

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