weiterte Rohstahlkapazitäten zu schaffen und auf rationellere Weise, als dies bisher allgemein üblich gewesen ist, neue, noch bessere Stahlsorten für die Produktion von Stahlblechen zu entwickeln. Diese Aufgaben konnten im Wege der Er arbeitung des nach Linz und Donawitz benannten „LD-Verfahrens" weitgehend gelöst werden. Jenes Verfahren des Stahlfrischens von Roheisen in einem Kipptiegel durch Aufblasen von Sauerstoff hat entwicklungs mäßig von Linz seinen Ausgang genommen und inzwischen im wahrsten Sinne des Wortes „weltweite Bedeutung" er langt. Es hat gleichsam zu einer „Revolutionierung" der Stahlherstellung auf internationaler Ebene geführt. — Warum? — Weil es einfacher, billiger und besser ist als andere Stahl herstellungsverfahren dieser Qualitätskategorie. Nähere De tails würden ein ganzes Buch ergeben, das aber wieder nur dem Stahlexperten verständlich wäre. — An diesen Ver suchen und Entwicklungen waren nicht nur die Metallurgen und Ingenieure des „LD-Teams" der Linzer Hüttenwerke be teiligt, sondern im Zuge der großtechnischen Gestaltung auch Ingenieure aus anderen Industriebetrieben, welche an der Konstruktion technischer Einzelheiten mitgearbeitet haben. Seit den ersten Versuchen im Jahre 1949 bis zur großtechni schen Verwertung, d. h. bis zum Anlauf des ersten Linzer LD-Stahlwerkes im Oktober 1952, war es ein mühevoller Weg mit Hunderten Versuchen, Analysen etc. Das zweite Linzer LD-Stahlwerk ist im September 1959 in Betrieb ge gangen. In Donawitz war im Mai 1953 eine LD-Anlage angelaufen. Die ersten großen Auslandserfolge dieses patentrechtlich geschützten Stahlfrischverfahrens, dessen großtechnische An wendung eine besonders rationelle Erzeugung hochwertiger Stahlsorten ermöglicht, konnten schon 1954 bis 1956 in Kanada, den USA und im Ruhrgebiet erarbeitet werden. Bis Anfang 1964 standen in 19 Staaten nicht weniger als 64 LD-Stahlwerke mit 48 Millionen Jahrestonnen Gesamt kapazität in Betrieb und in 21 Staaten 65 zusätzliche Werke dieser Art mit fast 67 Millionen Jahrestonnen vorgesehener Kapazität im Bau bzw.in Projektierung. Rechnet man diese Produktionskapazitäten der zum 1. Jänner 1964 ausgewiesenen LD-Anlagen samt Bauvorhaben und Projekten zusammen, resultieren ca. 115 Millionen Tonnen Jahreskapazität, das wären fast 30 Prozent der derzeitigen Welt-Rohstahlproduktion von ca. 385 Millionen Jahrestonnen. — Es ist also wirklich nicht unbescheiden, von einer „Revolu tionierung" der Stahlherstellung zu sprechen. Abgesehen von den Einkünften aus Lizenzgebühren hat sich auch die Errichtung zahlreicher ausländischer LD-Werke be sonders in der angeschlossenen Finalstufe des Linzer Werksgefüges günstig ausgewirkt. Der „Industriebau", d. h. die Produktion von schwerindustriellen Werksanlagen (Stahl- und Walzwerken) bzw. von Teilen derselben, konnte die werks eigene Stahlbauanstalt, die Maschinenfabrik (mit ihr viele andere österreichische Zuliefererindustrien) sowie die zwi schengeschaltete Gießerei und Schmiede stark mit Aufträgen auslasten. Dazu kommen zahlreiche sonstige Aufträge an diese Werke, welche im einzelnen hier nicht angeführt werden können. Das „Sortiment" der Erzeugnisse hat sich stark aus geweitet — vom Bau von Kraftwerksteilen, Brücken, Indu striehallen und von Druckrohrleitungen bis zu Werkzeug maschinen verschiedenster Art und Dimensionen. Wenn auch die nunmehr auf einer Jahreskapazität von 1,8 Millionen Tonnen Rohstahl basierende Erzeugung von Blechen und sonstigen Halbfabrikaten der Schwerindustrie in Linz weiterhin dominiert und z. B. im Jahre 1963 mit 76 Prozent am Gesamtumsatz von 5,79 Milliarden Schilling dieses Werksgefüges beteiligt war, ist der Umsatzanteil der weiteren Verarbeitungsstufen von 1962 auf 1963 von 18 auf 24 Prozent angewachsen. Ein schwerindustrieller Exporterlös von 2,84 Milliarden Schilling, welcher sich vor allem auf Bleche bezog, wurde 1963 durch mehr als 700 Millionen Schilling Exporterlöse des Industriebaues, des Stahlbaues und der Maschinenbauanstalt sowie anderer Werksabteilungen er gänzt. Aus diesen Vergleichsdaten ist eine der wichtigsten gegen wärtig wirksamen Entwicklungstendenzen zu entnehmen: — Gegenüber dem hohen Potential der Halbfabrikate-Erzeugung gewinnt die Finalstufe immer mehr an Bedeutung. — Das ist eine durchaus wünschenswerte Entwicklung, besonders im Hinblick auf die höhere Produktivität der Finalstufe. Die künftigen Erfolge der VÖESt werden daher nach wie vor von der Produktion und dem Absatz hochwertiger, durch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der werkseigenen Ver suchsanstalt qualitätsmäßig immer wieder zusätzlich verbes serter Stahlbleche abhängen. — Man denke zum Beispiel an all die Linzer Bleche aus „Sonderstählen", welche sich in den letzten Jahren auf den Weltmärkten im Karosserie-, Schiffs-, Kessel-, Brücken-, Druckrohrleitungs-, Kraftwerks- und In dustriebau sowie im sonstigen Stahl- und Maschinenbau so eindrucksvoll durchsetzen. Von zunehmender Bedeutung wird aber auch die ebenfalls von der Forschung, Entwicklung und Konstruktion her be stimmte Finalstufe sein, wobei hier manches davon abhängen könnte, ob es gelingt, das LD-Verfahren und den Bau von Walzwerken in technischen Details noch weiter zu verbessern, zu ergänzen und alles in allem forschungsmäßig die bisherige ausgezeichnete Position der VÖEST im internationalen Wett bewerb noch zusätzlich zu festigen. Eine gewisse Vorstellung von der Intensität der Erfinder initiative in Linz kann aus der Information gewonnen wer den, daß in der Zeit seit Kriegsende bis Mitte 1964 für von Linz aus angemeldete Erfindungen insgesamt mehr als 1300 Inlandspatente und ca. 2800 Auslandspatente erteilt wurden. Auf die VÖESt bzw. auf deren Werksangehörige und Mit arbeiter entfielen bis August 1964 insgesamt 389 Inlands und 1252 Auslandspatente. Die restlichen ca. 900 Inlands und 1500 Auslandspatente verteilen sich auf die chemische Industrie, auf Mittelbetriebe des Maschinenbaues sowie auf viele andere Sparten der Industrie und des Gewerbes. Die Gesamtzahlen für das Landesgebiet konnten noch nicht voll ständig ermittelt werden. Außerdem sind in Linz und in ganz öberösterreich zahlreiche bedeutsame Entwicklungsarbeiten in Betrieben und Instituten durchgeführt worden, welche nicht in Patenten zum Ausdruck kamen. Ein großer Teil dieser Arbeiten bezieht sich auf vor bereitete Neuerungen, welche bisher noch nicht realisiert wurden und gleichsam betriebliche „Reserven" darstellen. Schließlich wäre noch darauf hinzuweisen, daß seit Kriegs ende 64 Werksangehörige der VÖESt bisher insgesamt 151 wissenschaftliche Arbeiten in einschlägigen Fachzeitschriften veröffentlicht haben. Ebenso eindrucksvoll sind die Zahlen der Publikationen der Mitarbeiter der Stickstoffwerke und anderer Autoren. Vieles wird noch in Archiven verwahrt oder weiter bearbeitet, um zum richtigen Zeitpunkt an die Öffent lichkeit zu gelangen. Auch in diesen Arbeiten liegen beacht liche „Reserven", deren Bedeutung erst in Zukunft beurteilt werden kann. Jedenfalls waren und sind die VÖESt forschungsmäßig, tech nisch und kommerziell, wie die Erfolge der letzten Jahre be wiesen haben, in ihrer Entwicklung auf dem „richtigen Weg". Es wird in Hinkunft darauf ankommen, diesen Kurs einzu halten und vor allem die Forschungs- und Entwicklungsar beiten in einer Zeit des schärfsten geistigen und materiellen Wettbewerbs, der fortschreitenden Erschließung neuer Märkte, der Technisierung und Automation, aber auch der weltpoli tischen Spannungen und Entspannungen in Abkehr von klein politischen Verwirrungen und Behinderungen mit aller In tensität weiter durchzuführen. 52
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