Oberösterreich, 14. Jahrgang, Heft 3/4, 1964

1. Juni 1964 genau 202.084 gezählt wurden — konnten seit dem Zusammenbruch 29.347 neue Wohnungen erbaut wer den. Doch hat der von der Industrialisierung ausgelöste und anhaltende beträchtliche Zuzug von Neubürgern bewirkt, daß trotz dieses beachtlichen Bauvolumens noch immer 16.000 Wohnungen fehlen." Linz ist jedoch nicht nur größer, es ist auch anders geworden. Die neuen Linzer Wohngebiete gleichen in nichts den soge nannten Arbeitervierteln alter Fabrikstädte mit ihren an Gefängnisse erinnernden engen, licht- und luftarmen Miet kasernen. Bauwerke sind nicht nur konstruktive Gebilde mit mehr oder weniger ausgeprägten stilistischen Merkmalen und ästhetischen Akzenten, sondern immer auch Ausdruck einer Epoche und der in ihr vorherrschenden Gesinnung und Gesittung. Der Lebensraum des Städters wird nicht von der Natur, sondern von der Architektur bestimmt. In hohem Grade hängt sogar die Qualität seines Lebens von der Qualität städtebaulicher Planung ab. Das wachsende Linz mit seinen Wohn- und Verwaltungsbauten, Schulen, Krankenhäu sern, seinen Bauten der Fürsorge, Kindergärten, Spielplätzen, Sportanlagen, Bädern, Mütter- und Altenwohnheimen, Marktund Versorgungseinrichtungen, innerstädtischen Parks und Erholungsflächen braucht weder soziologische noch — man er schrecke nicht — moralische Beurteilung zu scheuen. Wenn auch die materiellen Existenzbedingungen — also Woh nung, Arbeitsplatz, VerkehrsVerbindungen zwischen beiden sowie Versorgung mit Nahrungsmitteln und sonstigen Ver brauchsgütern — vordringlich geschaffen und der steigenden Einwohnerzahl wie dem sich erhöhenden Lebensstandard an gepaßt werden müssen, so bleiben der Stadt, wie bereits angedeutet, auch zivilisatorische und kultivierende Aufgaben, deren Behandlung dem Tempo der Industrialisierung einiger maßen entsprechen muß, wenn Alteingesessene und Zuge reiste nicht unverbunden nebeneinander bleiben und ver ständnislos gegeneinander zu Polen unfruchtbarer Spannung werden sollen. Maßnahmen einer sozialen Einbindung der Neubürger müssen in der Linzer Situation bewußt auf eine Harmonisierung der nicht biologisch gewachsenen Gesell schaft zielen. Gegen die Gefahren des Verwilderns jener Menschen, die nicht mehr im bäuerlichen Milieu und einem ländlich naturhaften Ordnungsbereich wurzeln, zugleich aber mit der Stadt und ihren Gesetzen weder genügend vertraut noch schon darin geborgen sind, lassen sich nur kulturelle Maßnahmen anwenden, und in besonderem Maße werden es volksbildnerische Bemühungen sein müssen. Der einfache Mensch muß so sicher wie möglich davor bewahrt werden, daß er dem in der Stadt viel ausgeprägteren Betrieb der Ver gnügungsindustrie zum Opfer fällt und Geld wie Feier abend dabei verliert. Häufig neigen ja gerade jüngere Men schen dazu, sich eine Arbeit in der Stadt zu suchen, weil die städtischen Arbeitsbedingungen ihnen nicht nur besseren Lohn, sondern auch geregelte Freizeit gewähren und weil sich in der Stadt außerdem viel mehr Gelegenheit findet, das vergleichsweise leicht verdiente Geld noch geschwinder wieder loszuwerden. Technifizierung und Automatisierung sichern dem Menschen Zeitgewinn; die Vergnügungsindustrie ver spricht und bietet ihm Zeitvertreib. Der Mensch aber, der sich auf solche Weise die gewonnene Zeit vertreiben läßt, anstatt sie tätig und besinnlich zu gestalten und für sich nutz bar zu machen, wird sich immer nur zerstreuen, anstatt sich zu sammeln. Das aber bedeutet Leerlauf und Verschleiß der Substanz, was auf die Dauer weder für das Individuum noch für die Gesellschaft gut ausgehen kann. Angesichts der Möglichkeit einer solchen durchaus nicht un gefährlichen Zuspitzung haben die Volksbildungs-Einrichtun gen in Linz unermüdlich erzieherische Anregungen aller Art zu vermitteln, Menschen zu sich selbst zu führen und zu gleich zu ermutigen, den Teil der ihnen zugemessenen Frei heit sinnvoll zu gebrauchen, um ihr eigenes Leben selb ständig auszufüllen und zu gestalten. Es ist wohl kein Zufall, daß Linz, die vitalste Industriestadt Österreichs, die mit nicht ganz 3 Prozent der Gesamtbevölkerung Österreichs 7 Prozent der österreichischen Industrieproduktion erzeugt und mit 14,5 Prozent am österreichischen Export beteiligt ist, auch die relativ größte und wohl bedeutendste Volkshochschule Österreichs besitzt, deren Ruf weit über die Staatsgrenzen hinausreicht. Im Schuljahr 1963/64 wurden hier 869 Kurse für insgesamt 16.926 Teilnehmer durchgeführt. Außerdem gab es 462 Einzelveranstaltungen, die 60.443 Besucher fanden. Nicht minder wichtig ist die Bücherei der Stadt Linz, die mit einer Hauptstelle, elf Zweigstellen und einem Bücherautobus sämtliche Teile der Stadt mit Leihbüchern versorgt. Diese weit verzweigte Volksbücherei konnte im Jahre 1963 insgesamt 16.434 ständige Leser einschreiben, die 435.134 Bücher ent lehnten, die unter 96.303 Werken ausgewählt werden konn ten. Nicht minder ausgebreitet ist das System der Musik schule der Stadt Linz, an der jährlich rund 1700 Schüler un terrichtet werden. Mit diesen Beispielen sind die allgemein zugängigen Bil dungsgelegenheiten, die es in Linz gibt und geben muß, nicht erschöpft. Diese drei wurden lediglich hervorgehoben, weil an ihnen die Breite der Ausstrahlung, die für das volksbild nerische Wirken in unserer Stadt wesentlich ist, einigermaßen erkennbar wird. Der tatsächliche Effekt kann hingegen nicht als objektive Größe ermessen werden. Die Bemühungen müssen selbstverständlich über die Aktivie rung der Menschen innerhalb einer motivisch wie qualitativ begrenzten Volksbildungsarbeit hinausreichen und wenigstens Für Ihren Bedarf an guten Büchern zur Weiterbildung und Unterhaltung empfiehlt sich die Buchhandlung im Oberösterreichischen Landesverlag Pächter Herbert Breinbauer Linz, Landstraße 41 (an der Mozartkreuzung) • Telefon 20 470 38

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2