Oberösterreich, 14. Jahrgang, Heft 3/4, 1964

Die allgemeine Hebung des Lebensstandards hat jedoch auch die Beschäftigung in den meisten anderen Gewerbezweigen begünstigt. Sowohl der Österreicher selbst wie auch das Ausland greifen in wachsendem Umfang nach Erzeugnissen, die dem persönlichen Geschmack entsprechen und nach indi viduellen Anweisungen handwerklich hergestellt werden. Ne ben den gewerblichen Produktionsbetrieben sind auch die mei sten Dienstleistungssparten voll beschäftigt. — Wohl ist das Gewerbe jene Wirtschaftsgruppe, die von den großen Um wälzungen, die in der Wirtschaftsstruktur eingetreten sind, am meisten betroffen wurde — so ging etwa infolge der Stillegung von Werkstätten alter Handwerkmeister nach Einführung der gewerblichen Fensionsversicherung und da durch, daß manche der traditionellen ländlichen Gewerbe weitestgehend ihre Existenzgrundlage verloren haben, die Zahl der Sektionsmitglieder des Gewerbes bei der Han delskammer Oberösterreich in den letzten zehn Jahren von 24.072 auf 19.066 zurück. Die Zahl der Fachgruppenmitglied schaften hingegen hat sich fast nicht verändert. Hieraus ist zu ersehen, daß die Verringerung der Betriebe mit einer Un ternehmenskonzentration verbunden war, die ihrerseits durch das Ausscheiden vieler Elendsbetriebe, deren Inhaber sich nach Verwirklichung der Altersvorsorge zur wohlverdienten Ruhe setzen konnten, eine Gesundung des Gewerbestandes bedeutete. So ist der Anteil der Kleinstbetriebe im oberöster reichischen Handwerk von etwa 80 Prozent auf 50 Prozent zurückgegangen und rekrutieren sich viele Sparten nunmehr bereits aus lebensfähigen bzw. hinsichtlich ihrer Größe opti malen Betriebseinheiten. Durch die großen wirtschaftlichen und bevölkerungsmäßigen Schwergewichtsverlagerungen im oberösterreichischen Raum ergab sich für den heimischen Handel, der mehr als 16.000 selbständige Kaufleute zählt und insgesamt rund 45.000 Menschen beschäftigt, eine Fülle neuer Aufgaben und Funk tionen. Ein Zeichen für die Aufgeschlossenheit der oberöster reichischen Kaufmannschaft ist die Tatsache, daß in jenen Sparten, in denen der moderne Selbstbedienungsladen mög lich ist, der Anteil der Geschäfte mit diesen neuen Einrich tungen größer ist als im Bundesdurchschnitt. Nicht zuletzt durch die im Bildungsheim Schloß Hochscharten der Handels kammer Oberösterreich veranstalteten Bundesfachkurse des Lebensmitteleinzelhandels ist Oberösterreich ein Zentrum der Bestrebungen, die neuen Vertriebsformen, die das Zeitalter des Massenbedarfes und der Motorisierung hervorgebracht hat, in einer Weise zu realisieren, die den Möglichkeiten des mittelständischen Kaufmannes ebenso gerecht wird wie den Wünschen der Konsumentenschaft. Es liegt auf der Hand, daß die wirtschaftliche Expansion des Landes auch eine entsprechende Ausweitung des Geld-, Kre dit- und Versicherungswesens nach sich zog. Erfreulicherweise befassen sich die oberösterreichischen Geldinstitute in zu nehmender Intensität mit jenen Agenden, die einer Aus weitung und besseren Betreuung des Außenhandels zugute kommen. — Oberösterreich ist aber auch ein Gebiet der ra schen Verkehrsentwicklung. Etwa die Hälfte des Güterbe förderungsvolumens der Osterreichischen Bundesbahnen kon zentriert sich auf den Direktionsbereich Linz, die oberöster reichische Landeshauptstadt ist zum größten Umschlag- und Hafenplatz an der oberen Donau geworden und auch der Kraftfahrzeugverkehr hat gewaltig zugenommen. Der Bestand an Kraftfahrzeugen in Oberösterreich beträgt derzeit rund 215.000 Personen- und Lastkraftwagen. Er hat sich seit 1950 mehr als vervierfacht. Nicht berücksichtigt sind hierbei die etwa 100.000 Mopeds, die in Oberösterreich in Verwendung sind. Die Zunahme der Wirtschaftskraft des Landes und der rege Export brachten erweiterte Anforderungen an den Güter und an den Personenverkehr mit sich sowie insbesondere an die weltumspannende Aktivität des Speditionswesens. Der wirtschaftliche Aufstieg des Landes zwischen Enns und Inn in den letzten Jahrzehnten zog auch mancherlei proble matische Begleiterscheinungen nach sich. So wurde zunächst vor allem der Sog, den die neuen industriellen Produktions zentren auf ihre Umgebung ausübten, infolge der hierdurch bewirkten siedlungsmäßigen Zusammenballung und starken Pendlerbewegung zu einem Faktor, der viele schwierige Fragen aufwarf. Der Strukturwandel der oberösterreichischen Wirtschaft führte zu einem Strukturproblem, das sich vor allem in einer starken Konzentration der industriellen Wirt schaftskapazität auf einige wenige Standorte manifestiert und im weiteren Probleme des Wohnungsbaues, der Schaffung neuer VerkehrsVerbindungen, der Umschichtungen in der Konsumtion und bei den Versorgungseinrichtungen aktuell werden ließ, die ihr Gegenstück in Entwicklungshemmungen und einer Gefahr der Verödung abseits gelegener Gebiete finden. Ein Sonderproblem, das vor allem den Handel, nicht minder aber auch das Gewerbe berührt, ist das Eindringen ausländischer Kapitalkonzerne in den Bereich der großen oberösterreichischen Wirtschaftszentren durch die Gründung von Großkaufhäusern und Unternehmen des Versandhan dels. Auf Grund dieser Gegebenheiten sind in Oberösterreich von heute strukturpolitische Maßnahmen zugunsten der wirt schaftlich ins Hintertreffen gelangten Landesteile Aufgaben, denen sowohl seitens der Wirtschaftsvertretung wie auch des Landes ein Vorrang eingeräumt wird. Das gute Einver nehmen, das hier zwischen Landesregierung und Kammer organisation wirksam ist, verbürgt, daß die Bemühungen auch von einem entsprechenden Erfolg begleitet sind. Bedingt durch die Besatzungsverhältnisse der Nachkriegszeit und an derweitige Ursachen, wie z. B. der langen Verzögerung einer Entscheidung über den Kraftwerksbau an der mittleren Enns oder die Erschöpfung von Kohlengruben bzw. infolge der nahegelegenen Staatsgrenze, sind das Mühlviertel, das Ennstal, das Hausruckkohlenrevier sowie das Sauwaldgebiet im Bezirk Schärding jene Gegenden, denen die Entwicklungs förderung primär zugute kommen muß. Aber nicht nur in regionaler Beziehung gilt es, allen Landesvierteln und Be zirken einen gleichmäßigen Anteil an der Konjunktur zu sichern und damit ein ausgewogenes Wirtschaftsgefüge zu erreichen, sondern auch hinsichtlich der Realisierung einer aktiven Mittelstandspolitik, die den Klein- und Mittelbetrieb in seiner volkswirtschaftlich und staatspolitisch so eminent wichtigen selbständigen Existenz sichert. Der Konzentrations prozeß der letzten Jahrzehnte in Oberösterreich hat sich, wie schon erwähnt, in manchen Wirtschaftssparten bereits sehr spürbar ausgewirkt. Die Zahl der Sektionsmitglieder der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich ist von 1953 auf 1963 um rund 2400 von 50.668 auf 48.236 zurückgegangen. Die Zahl der Fachgruppenmitglieder nahm hingegen im gleichen Zeitraum erheblich zu, und zwar von 62.831 auf 67.134. Einem Weniger an Unternehmungen steht daher ein bedeutendes Größenwachstum der Einzelbetriebe gegenüber. Sicherlich ist dieser Wandel zum überwiegenden Teil eine Folge der Einführung der gesetzlichen Altersver sicherung für die gewerblich Selbständigen sowie zum an deren Teil dadurch bedingt, daß die technischen Errungen schaften in vielen Produktionssparten eben zu umfangreiche ren Betriebsgrößen zwingen. Andernteils bedeutet die Ver ringerung der Zahl der Selbständigen jedoch stets auch eine Schwächung der Grundelemente des freien Wirtschaftens an sich sowie mancherorts eine Beeinträchtigung des Wettbe werbs und der VersorgungsWirtschaft. Mehr denn je kommt es aber angesichts der europäischen Integrationsbewegung und damit dem Fallen der Außenhandelsschranken auf lei stungsfähige örtliche Versorgungseinrichtungen und auf eine möglichst große Anpassungsfähigkeit nicht nur der exportie renden,sondern aller Wirtschaftszweige an. Gerade in diesem Sinn hat die Entstehung neuer Großpro12

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2