JOHANNES HAUER OBERÖSTERREICH,das klassische Land der Mundartdichtung. Ein literarischer Versuch Bevor wir auf die wesentlichsten Mundartdichter unseres Bundeslandes zu sprechen kommen, scheint ein Rückblick auf frühere Jahrhunderte geboten, in denen die Anfänge von Mundartdichtung auf unserem Heimatboden so ziem lich zuerst zu verzeichnen sind beziehungsweise in denen die Erkenntnis erstmalig Platz greift, daß es überhaupt Mundart gibt, durch die sich die in diesem Räume woh nenden Menschen voneinander unterscheiden. Ein solcher Rückblick scheint erst einmal geboten, weil Oberösterreich für die ersten Anfänge wiederholt zu nennen ist, dann aber auch, weil ein solcher Rückblick im Interesse der lebenden oberösterreichischen Mundartdichter liegen muß, daß einmal eine eingehendere Darstellung von den ersten An fängen bis auf unsere Zeit versucht wird. DIE ERSTEN ANFANGE Schon um 1300 weiß der Bamberger Hugo von Trimberg, 1235 bis 1315, als so ziemlich einer der ersten, in seiner Spruchsammlung „Der Renner", einem Buch, das unge heuren Fleiß erkennen läßt, daß in Österreich verschiedene Mundarten gesprochen werden. Er erwähnt für unser Gebiet die Steirer und Kärntner ausdrücklich. Vierzig Jahre später, 1340, lesen wir im „Buch der Natur" eines Konrad von Megenberg, daß das Bayrisch-Österreichische seinen eigentümlichen Wortschatz hat. Beide Handschriften sind uns aus Mondsee erhalten, es sind also die am weitesten zurückliegenden Quellen, die bis jetzt auf oberösterreichi schem Boden gefunden wurden. Eine genauere Äußerung über unsere Mundarten macht 1557 der Wiener Gelehrte Wolfgang Lazius, 1514 bis 1560, in seinem Werk „De gentium aliquot migrationibus". Im 3. Buch dieses Werkes, das er gesondert mit „De Marcomannis" überschreibt, vergleicht er die österreichisch bayrische Mundart mit der schweizerisch-schwäbischen und stellt dabei in längeren Ausführungen das Eigentüm liche der österreichischen Aussprache fest. Er erbringt außerdem einen Beweis dafür, indem er eine größere An zahl von österreichischen mundartlichen Ausdrücken an führt. Und darin wieder dürfen wir den ersten Versuch eines österreichischen Idiotikons erkennen. Bewußt „österreichisch-teutsch", und es handelt sich dabei wieder um Mundart, schreibt der öberbayer Wolfgang Schmellzl, 1500 bis 1560, der in Wien seine zweite Heimat fand, seinen „Lobspruch der Stadt Wien" 1548. Im Gefolge Schmeltzls leben weitere Lobspruchdichter, die alle zahl reiche Idiotismen (wie man damals die Mundartausdrücke bezeichnete) verwenden. Zuerst soll der Linzer Seiler und Pritschenmeister Hans Weitenfelder mit seinem Erstlingswerk „Ein schöner Lobspruch und Heyrats-Abred zu Wien und in dem Land öesterreich undter der Enns gebreuchig, Wie man die Weyher die Zeit jhres Lebens halten und jhnen aufwarten soll, damit Sie lang schön bleyben und jhren Männern nicht abgünstig werden" 1571 erwähnt sein. Dieses Werk erfuhr nachweislich schon zur damaligen Zeit und gleich anschließend mehrere Nachdrucke. Land und Leute von Tirol preist der „Tiroler Landreim" 1558, für den vermutlich Georg Rösch, 1501 bis 1565, als Verfasser namhaft gemacht werden kann. In der Steiermark besingt Siegmund Bonsiingl mit seinen Lob- und Preisdichtungen 1588 und 1589 die Bergwerke von Eisenerz und Vordernberg im schlichten volkstümlichen Ton. Den Höhepunkt erreicht zur damaligen Zeit der 1539 in Schwaz in Tirol geborene und 1605 in Linz verstorbene Georg Scherer mit seinen „Schriften, Bücher und Traktätlein" in zwei Bänden. Die Literarhistoriker sind sich über die Verwendung der Mundart in seinen Schriften fast einig. Der eine (J. W. Nagl) nennt seine Schriften „eine wahre Fundgrube für die Erkenntnis des österreichischen Dialekts", der andere (J. Nadler) meint: „Georg Scherer, der nur deutsch schrieb, schrieb eine schöne österreichische Mundart." Und einen Lobspruch von uns verdient die angesehene Bürgersfrau aus Graz, Elisabeth Stampfer, 1700 gestorben, für ihr über die Jahre 1666 bis 1694 geführtes Hausbuch, das „ein in seiner Wahrheit und Innerlichkeit ergreifendes Bild des Lebens einer deutschen Hausfrau" zeichnet. ORDENSDRAMA UND VOLKSSCHAUSPIEL Die eigentliche Mundart hatte immer mehr in die Literatur Eingang gefunden. Noch gab es keine geschlossenen Werke in Mundart, in der Art, wie wir sie heute kennen. Im 16. und 17. Jahrhundert verwendeten die Jesuiten- und Piaristendramen gerne die Mundart. Sie wiesen oft ganze Szenen in Mundart auf. Meist sind es Bauerngespräche oder eingelegte Volkslieder in Mundart. Auch die lateini schen und später dann auch deutsch geschriebenen Dramen hohen Stils der Salzburger Universitätsbühne nahmen immer mehr dei'bkomische Szenen in Mundart auf, in denen auch der Hanswurst in seiner Urform schon die Nase auf die Bühne steckte. Je mehr sich diese Bühnen das alte Fastnachtsspiel dienstbar machen, desto größeren Umfang gewinnt damit die Mundart. Der Salzburger Benediktiner pater Marian Wimmer aus Mühldorf, 1725 bis 1793, ein nennenswerter Singspieldichter, mit der Familie Mozart befreundet, hält sich mit seinen Singspielen in Salzburger Mundart, „Der wachend-träumende König Riepel" 1749 und „Die geadelten Bauern" 1750, ganz an die Wiener Volksposse. Ein Ordensbruder zu Wimmer, Pater Florian Reichsiegel, 1735 bis 1793, hat ebenfalls in Salzburg gewirkt. Von ihm wurde 1768 das Schäfergedicht „Die Hochzeit auf der Alm", von Michael Haydn in Musik gesetzt, als Drama melicum aufgeführt. Für Tirol stellt auf gleicher 45
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