Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

Jer oljfr0(ifrreid)i|*d)e 3tiöen^ftettttK Cefe^unö ®ecfamoüons6iic5, ein fMi? ^ttgsecc^^ Sott /mitj Jlfib0r |)r0fd)h0, !. f. ö3evveid()if(^)en ©taatobeamten, Soctor ber S^itofot'^ic unb SJlo' gijier ber freien Äünfle an ber Uniöerjität ©te^en, SÄitter be3 grof^ l^crjogl. ]§effifd&en Drbeng S^ilibp beS ©ropmüt^igcn, Stifjaber bc3 I. t. öjletrei^. golbenen a3erbienjt!:eujeä mit ber Ärone unb ber gro; pen literarifcben 2(nerfennungSmebait(c @r. f. f. 9loo(lol. SJlaiejiät, ©etretär be« ratertänb. Museum Francisco-Caroluium in £inj. SKit ^o^er Spproüatton. 3)ruä unb Serlag oon |)uemer'ö $3ittoe. 1833. dahinsterben sehen, Zedlitz habe ich die Augen zugedrückt - alle vier sind tot!" Stifter schätzte Daniel von Binzers Werk „Venedig im Jahre 1844" sehr, sonst hätte er es nicht in seine Bücher sammlung aufgenommen. Stifters Bibliothek war nicht groß, und er verleibte ihr nur das ein, was ihm lieb und wert war. Emilie von Binzer schrieb selbst unter dem Namen Ernst Ritter, und zusammen mit ihrem Gatten, unter dem Pseudonym A. T. Beer. Ihre zweibändig gesammelten No vellen „Mohnkörner", von Stifter in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung" wohlwollend besprochen, sind heute - völlig zu Unrecht - ebenso vergessen wie ihre „Erzäh lungen" oder die mit Achtungserfolgen am Wiener Burg theater aufgeführten Dramen „Die Gauklerin" und „Die Neuberin". Emilie von Binzer nimmt innerhalb der li terarischen Gattung der österreichischen Dorf- und Schloß geschichte, die bei Marie von Ebner-Eschenbach und Ferdinand von Saar ihre Gipfelpunkte findet, eine hervor ragende Stellung ein. Auf Empfehlung Grillparzers wurde Emilie von Binzer die literarische Beraterin von Erzherzog Maximilian, dem späteren unglücklichen Kaiser von Mexiko. Wir kennen den ergreifenden Brief, den der Kaiser knapp vor seiner Hinrichtung an Emilie von Binzer geschrieben hat. In Linz war das Ehepaar Binzer bald wieder Mittelpunkt eines literarischen Kreises, in dem Stifter reiche Anregungen zu seinem Schaffen empfing und selbst ein oft dozierender, oft aber ein hinreißender Erzähler war. Was Emilie von Binzer für das geistige Linz bedeutete, kann man ermessen, wenn man bedenkt, daß sie im Kreise ihrer Ziehmutter schon in jungen Jahren und später im Gefolge ihres Gatten mit allen Geistesgrößen Deutschlands und Österreichs in Beziehung gekommen war. Namen wie Goethe, Theodor Körner, Herzog Wellington, Marschall Blücher, Anselm Feuerbach, Laube, Freiligrath, Simrock, Dingelstedt, Im mermann, Schücking, Kinkel, Auerbach und Liszt können sehr wohl einstehen, welchen geistigen Umgang diese Frau pflegte. Wenig bekannt dürfte sein, daß Emilie von Binzer, ohne es wohl selbst jemals erfahren zu haben, die Urgestalt der „Komtesse Hortensie" in dem Roman „Die Großmutter" der tschechischen Nationaldichterin Bozena Nemcovä dar stellt. Auf Schloß Ratiborschitz in Böhmen, einem weiteren Besitztum der Herzogin von Sagau, erregte Emilie von Binzer die Aufmerksamkeit der Tochter des Stallmeisters, der Barunka Panklovä, die später unter dem Dichternamen Bozena Nemcovä in die tschechische und europäische Literatur einging. Auch die Herzogin ist unter dem Namen „Frau Fürstin" in diesem klassischen tschechischen Roman verewigt. Von Emilie von Binzer stammt die wohl beste Charakteri sierung Stifters, aus eigener Erfahrung und tiefer Freund schaft. In ihrem am 16. Februar 1868 in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung" erschienenen Nekrolog auf Stifter heißt es: „Vor drei Jahren begann die Krankheit, die ihn getötet hat, gleich mit solcher Intensität, daß der behäbige, untersetzte, immer wohlge kleidete Mann, mit weißer wohlgepflcgter Hand, blendenden Zähnen und einem Auge von so bedeutendem Ausdruck,daß es einen besonderen Reiz über sein unschönes, von Blattern durchfurchtes Gesicht ergoß, in wenigen Monaten unkenntlich geworden war ... Tral man ihn in einer Stimmung, die es ihm möglich machte, von etwas anderem als seinen Leiden zu sprechen, die er dem Besucher haarklein erzählte, oder hatte man das Talent, ihn davon abzulenken, so leuehtete eine so edle Fassung, eine abgeklärte Anschauung irdischer Dinge, die Stimmung einer reinen Seele, die fühlt, daß ihr die Fli'gel wachsen, die sie in ein unbekanntes Land tragen sollen, aus seinen Worten hervor, er sprach es aus, daß dieses körperliche Leiden ihn in sein Inneres zurückgeführt habe und daß er ein besserer Mensch geworden sei. Rückert sagt einmal: ,Nur aus guten Sachen kann man was Besseres machen', und er war ein guter Mensch. Kein scharfes Urteil ging über seine Lippen, viel weniger ein ungerechtes. Die Lüge mit ihrer ganzen Verwandtschaft war ihm verhaßt, sogar die kleinen Gesellschaüslügen, die wir für harmlos halten." Franz Isidor Proschko In einem Briefe vom 7. Februar 1867 an Leopold Ritter von Sacher-Masoch nennt Stifter den Linzer Polizei kommissär und späteren Polizeirat, Franz Isidor Proschko, seinen Freund. Proschko zählte zu den fruchtbarsten und bekanntesten Schriftstellern Österreichs. Er wird in der Literaturgeschichte als erfolgreicher Widerpart der be denkenlos publizierenden Vielschreiber heute noch genannt. Auch zur Zeit Stifters gab es so etwas wie eine Schund literatur. Wer in der österreichischen Literaturgeschichte zurückblättert, wird gewahr, daß es im 19. Jahrhundert in der Welt der Druckerschwärze die gleichen Probleme gegeben hat wie heute. Proschko fühlte sich verpflichtet, durch die Bearbeitung geschichtlicher Stoffe eine saubere Note in das Schrifttum des Tages zu bringen. In einer aus dieser Sicht bedingten Verkennung der künstlerischen 32

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