Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

Stelzhamei" hatte die Absicht, Schulinspektor für Ober österreich zu werden. Der Argwohn, Stifter habe seine Bemühungen durchkreuzt, wuchs durch den Umstand, daß Stifter vorerst in Wien die Stelle eines Gymnasialinspektors für Wien und Niederösterreich angeboten worden war, die er aber ausschlug, um den Posten eines Schulrates für Oberösterreich annehmen zu können.Aus einem BriefStelzhamers an seine Frau Betty geht dieser Verdacht deutlich her vor.Stelzhamer bekam die Stelle nicht,Stifter wurde Landesschulinspektor. Der Stand der Forschung zeigt indes, daß Stelzhamer Stifter vollkommen unbegründet verdächtigt hatte. Stifter war damals auch als Pädagoge dem Statt halter Dr. Fischer kein Unbekannter mehr. Ja, dieser war von den klar ausgeführten Grundsätzen Stifters im Flinblick auf die Schulbildung begeistert. Stifter verfügte über ein festes Konzept zur Hebung des Bildungsniveaus, dem Stelzhamer nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte. Stelzhamer betrachtete Stifter immer als den vom Glück Begünstigten und bedachte nicht, daß er selber sein Un glück in sich trug: einen Schuß von Leichtsinn, ein unstetes Wesen und, bei allen seinen Talenten und Vorzügen als Dichter, doch eine seichte Arbeitsmoral. Stifter war ein harter Arbeiter an sich und an seinem Werk. Wir wissen, wie er sich seine Dichtungen abrang, wie er verbesserte, immer wieder feilte und niemals mit sich selber zufrieden war. Das Verhältnis der beiden schwankte zwischen Verstim mungen seitens Stelzhamers und Versöhnung. Aber Stifter schrieb einmal an seinen Freund Schaller: „Was treibt Stelzhamer, der gegen mich fast unwirsch ist und den ich doch liebe?" Das waren keine leeren Worte. Im Jahre 1867 kamen die beiden ein letztes Mal zusammen, sie fuhren nach Kirchschlag. Stelzhamer blieb nur einen Tag und versprach wiederzukommen, aber er kam nicht mehr ... Stifter hatte sieben Monate später, nach schwerer Krank heit. ausgelitten. Hermann von Gilm Es gehört zu den Eigentümlichkeiten genial veranlagter Menschen, auf Teilgebieten der Kunst eine Höchststufe zu erreichen, aufanderen aber kaum die Urteilskraft mittel mäßiger Betrachter zu besitzen. Im altehrwürdigen Landhause zu Linz wirkten um die Mitte des vorigen Jahrhunderts zwei Dichter als Beamte: Adalbert Stifter und Hermann von Gilm zu Rosenegg. Während Stifters Werk heute weithin über die Grenzen Österreichs hinaus Gültigkeit besitzt, ist Gilm nahezu ver gessen. Nur ab und zu klingt noch ein Lied auf, wie etwa jene in das Gesamtwerk eingestreute Perle: Stell auf den Tisch die duftenden Reseden, Die letzten roten Astern trag herbei Und laß uns wieder von der Liebe reden Wie einst im Mai. Gilm, der Salonlöwe und Frauenliebling, der maßlose Streiter gegen den Klerus und Dichter der „Jesuitenlieder", Held bei den Schönen von Rovereto bis Wien, war, nach den Beurteilungen zu schließen, ein vorzüglicher Beamter. Er diente dem Staate mit der Note „ausgezeichnet", den er als Dichter bekämpfte. Der Staat duldete es. So tolerant war man damals in Österreich! Von Stifter ist bekannt, daß er in seiner Wiener Zeit ein begeisterter Besucher des Burgtheaters war; in Linz be tätigte er sich dann zeitweilig als Theaterrezensent. Die Behauptung kann nicht geteilt werden, daß ihm in Linz mangels einer geistig hochstehenden Umgebung die Urteilskraft auf diesem Gebiete verlorengegangen sei. Stifter pflegte in Wahrheit auch in Linz Umgang mit einer ganzen Reihe hervorragender Geister. Trotzdem gelang es ihm nicht, gewisse Vorurteile abzulegen. Tatsache ist, daß dem auf anderen Gebieten so umfassend urteilenden Stifter Fehlschlüsse unterkommen. „Der Fechter von Ravenna" von Friedrich Halm, dessen Aufführung er übrigens per sönlich gar nicht miterlebt hatte - er gab ein Urteil nach der Lektüre des Stückes ab -, wird von ihm als „eines der größten Werke in deutscher Sprache" gehalten. Ebenso überschätzt er Oskar von Redwitz' „Philippine Welser", während er mit dem französischen Drama des 19. Jahr hunderts nichts anzufangen weiß. Die berühmten Wiener Volksstücke eines Nestroy hält er für eine „Schule der Unsitte und Roheit". Die Abneigung Stifters gegen Friedrich Hebbel, der sich seit dem Jahre 1855 in Gmunden einen Sommersitz einge richtet hatte, ist bekannt und in der Vorrede zu den „Bunten Steinen" feinsinnig abstrahiert. Gilm hatte nach seiner Ernennung zum Leiter des Prä sidialbüros der Statthalterei in Linz auch das Amt eines Theaterzensors in letzter Instanz inne. Es war damals ein großes Glück für die Provinzstadt Linz und für Oberösterreich, einen Mann an dieser entschei denden Stelle zu besitzen, der mit Klugheit, Geschicklich keit, Taktgefühl und großer Energie seinen Einfluß geltend machte, um dem Theater zu geben, was des Theaters ist. Man kann sich der in der „Linzer Theaterzeitung" vom April 1959 ausgesprochenen Folgerung Otto Guems, daß „die Linzer Bühne damals gerade durch diese liberalistische Behandlung seitens Gilms eine der ersten Bühnen Öster reichs und man kann fast sagen, der ganzen deutsch sprachigen Welt geworden" ist, durchaus anschließen. Die Beanstandungen von Texten durch den damaligen Linzer Polizeidirektor Wagner ringen uns heute zwar nur ein Lächeln ab,sie waren aber dem im reaktionären Denken Metternichscher Prägung befangenen Hüter der öffent lichen Ordnung blutiger Ernst. Verdienstvoll stellt Otto Guem in dem erwähnten Aufsatz die wichtigsten Beispiele zusammen, die von der lächerlichen Unduldsamkeit Wagners und dem mutigen Eingreifen Gilms für die Belange der dramatischen Kunst in Linz ein beredtes Zeugnis ablegen. Im „Wilhelm Teil" beispielsweise wollte der Polizeidirektor die Ausdrücke: Fürsten, Knechtschaft, Sklavenbande, Sklavenkette, Tyrannentod, Tyi-annenknechte usw. ge strichen haben. Daß dem Polizeidirektor die Shakespeareschen Kraftaus drücke wie: Hund und Flegel, rotstrümpfiger, buhlerischer Kuppler, Hosenlatz, Schwein an Faulheit, Hund an Toll heit und dergleichen mehr im „König Lear" wider den Strich seiner Gesinnung gingen, nimmt uns nicht mehr wunder. Hermann von Gilm betrachtete es als seine vornehmlichste Aufgabe, dem Wortkunstwerk keine Gewalt antun zu lassen und er bewirkte es in den weitaus überwiegenden Fällen, daß die dichterische Freiheit aus dem Linzer Theater nicht verbannt wurde. 30

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