Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

Franz Stelzhamer: Handschrift im OÖ. Landesmuseum. den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Mag dies heute alles mehr oder weniger vergessen sein, in einem ist Anton von Spann über die Zeiten hinweg seines Platzes in der deutschen Literaturgeschichte sicher, und zwar durch die befruchtende Einflußnahme auf die Geschichts studien Adalbert Stifters im Hinblick auf die geplante Rosenberger-Trilogie, von der bekanntlich nur der „Witiko" verwirklicht wurde. Die Nibelungen-Theorie Spauns findet in Stifters „Witiko" teilweise ihren Niederschlag. Die Geschichtswissenschaften blühten damals im Lande ob der Enns wie nie zuvor. Der Florianer Chorherr und Historiker Josef Chmel, nachmaliger Direktor des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, hatte ebenfalls auf die Gestaltung des „Witiko", infolge der Vermittlung Anton von Spauns, großen Einfluß. Wenn Stifter durch seine im „Nachsommer" dichterisch verwerteten Anschauungen über die Pflege von Altertümern, und konkreter noch, als amtlicher Konser vator für Denkmalpflege in Oberösterreich, zu den mittel europäischen Vorkämpfern dieses Wissenszweiges zählt, so gehen die Wurzeln auf Anton von Spann zurück. Die aufreibenden Kämpfe, die Spann als Beamter des Land tages in den bewegten Jahren bis 1848 mitzumachen hatte, seine umfassenden Studien in der Geschichte, Literatur, Kunst,die eigenproduktive Tätigkeit als Sammler,Zeichner, Wissenschaftler und Dichter ließen ihn seine ohnedies zarte Gesundheit nicht schonen. Er starb bereits im Jahre 1849. Spann war also die erste geistig überragende Persönlichkeit, die im Zusammenhang mit Stifter und Linz vorzustellen ist. Franz Stelzhamer Es steht nicht fest, wann Stifter und Stelzhamer einander zum ersten Male begegneten. Stifter kam 1826 nach Wien, Stelzhamer ein Jahr später. Beide haben vieles gemeinsam: die Herkunft, das Jusstudium, das Malertalent, das Haus lehrerdasein, das Scheitern an der ersten Liebe, das Odium des ewigen Studenten, und doch waren sie beide charak terlich so verschieden, daß es zu einer wahren und dauern den Seelenfreundschaft nicht kommen konnte. Sie hatten wohl manche gemeinsame Interessen, aber letzten Endes mußten sie ihre Wege getrennt gehen. Stelzhamer war es, der Stifter den Rat gab, er möge seine dichterischen Erst linge veröffentlichen und nicht in der Malerei, scndern in der Dichtkunst seine Zukunft sehen. Stifter wiederum bewunderte in einer ausführlichen Besprechung Stelzhamers „Neue Gesänge in obderennsischer Volksmundart" und verlieh darin, von Wien aus, seiner Liebe zu Ober österreich rührenden Ausdruck: ..Wer das Land ob der Enns kennt, wie es so zaubervoll von der Natur hingedichtet ist, von seinen farbigen Alpen angefangen, bis ins das reizende Hügclgewimmei seines fruchtbaren Landes h'naus und wer all die Naturgerechtigkeit seiner Bewohner, von der Güte und Innigkeit an, bis zu aller Schlauheit und Übermütigkeit hin, erlebt hat, der findet alles dieses hier wieder. Die Empfindungen sind die einfachen und starken des Landmannes und des ungebildeten, aber naturtreuen Volkes: Heimatliebe, Elternliebe, Anschauungen des Naturlebens, Scherz und Spiel, Lustigkeit und kecke Schalkheit ..." Stelzhamer hatte vorher in seiner wohlwollenden Be sprechung von Stifters „Feldblumen" allerdings ganz andere Töne über Oberösterreich und Linz angeschlagen und wörtlich von „Gaunersdorf, Gainfahrn und Eipeldau? - dann in Linz und so fort und da herum geschrieben. Stelzhamer war gefühlsmäßig sehr labil. Dieser Ausbruch gegen seine Heimat steht in starkem Widerspruch zu dem, was er ihr als Dichter geschenkt hat. Bei der darauffolgenden Zusammenarbeit an dem Sammel band „Wien und die Wiener in Bildern aus dem Leben" offenbaren sich die Vorzüge Stifters und die schwachen Seiten Stelzhamers augenscheinlich. Es kam zum Bruche und zu einer Verstimmung Stelzhamers, der sich durch eigene Schuld aus dem ganzen Unternehmen ausgespielt hatte. Noch tiefer wurde die Verstimmung Stelzhamers, als Stifter dessen hochdeutsche Gedichtsammlung „Der Liebes gürtel" in einem Brief an Heckenast begutachtete. Es waren Lieder, die Stelzhamer zwanzig Jahre vorher seiner Jugendliebe gesungen hatte. Stifter war über den ersten Teil entzückt, über den zweiten Teil sehrieb er, daß mit ihm „wohl kein Geschäft zu machen" sein werde. Heckenast lehnte den Druck ab, und die Sammlung erschien dann, vermengt mit anderen Gedichten, erst 1855 bei Cotta. In einem waren Stifter und Stelzhamer Leidensgenossen: Ihre Lesebücher fänden im Wiener Kultusministerium keine Approbation. Stifter hatte aber den Vorteil, daß sein „Lesebuch" wenigstens im Druck herauskam, während das Manuskript Stelzhamers bis heute unveröffentlicht im oberösterreichischen Landesmuseum liegt. Es wäre ein interessantes Beginnen für einen Forscher, es einmal auf seine pädagogischen Gehalte hin zu untersuchen, so wie dies bei Stifters „Lesebuch" bereits geschehen ist. 29

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