Der strenge Winter. Alte Puppe. Foto Thomas Pühringer. Ich spielte in Schulen, in den entlegensten und kleinsten Immer am liebsten, wiewohl dos der großen Entfernungen, mangelhaften oder damals oft noch ganz fehlenden Ver bindungen wegen Strapazen und dadurch, daß dabei nur eine Vorstellung pro Tag möglich war, bescheidenste Ein nahmen bedeutete, die ich - ich weiß, daß mich das heutzu tage kaum als geschäftlichen Leiter eines größeren industriekonzerns empfiehlt - oft wochenlange erst gar nicht zählte, sondern im rechten Hosensack, der mir auf diese Weise gelegentlich bis zum halben Knie herabhing, ungewechselt als Kleingeld mit mir herumschleppte. Jede dieser kleinen, meist zwei, drei oder vier Wochen dauernden Tourneen begann ich damit, daß ich mit Bahn oder Autobus einen geschickt liegenden Ausgangspunkt ansteuerte, dort spielte Frau Holle. Bühnenbild der akad. Malerin Fanny Newald. Foto Feichtenberger, Rio de Janeiro. und meine Sachen von ein paar Buben, die um diese Ehre wohl noch wochenlang beneidet wurden, auf einem kleinen Fahrzeug bis zum nächsten Ort transportieren ließ. Dort erst übernachtete ich, am nächsten Tag spielte ich, und von diesem Augenblick an wiederholte sich alles bis zu meiner Hei mkehr. Aber selbst noch Tourneen mit dem Ensemble verliefen oft improvisiert genug. Garantiert waren eigentlich nur unsere Gasthausübernachtungen und die - keineswegs über raschungsfreie - Verpflegung. Man war bereits im Kriege, und die Räder rollten für andere Zwecke. So mußten die Fahrgelegenheiten stets erst am jeweils letzten Zielort aus gemacht werden. Immer wieder fuhren wir auch per An halter. Vier bis fünf Leute, vier bis fünf Privatkoffer, viele Stücke großen, sperrigen „Artistengepäcks". Eines dieser Stücke über drei Meter lang! Das konnte nur so gelingen, daß wir alle unsere Sachen ein Stück außerhalb des Ortes schleppten, sie dort hinter einem dicht an der Straße befind lichen ausreichend großen Buschwerk versteckten, hinter dem sich auch die männlichen Ensemblemitglieder zu ver bergen hatten, während die zwei weiblichen mit Charme und Routine ihres Amtes walteten. Selbstredend kamen nur Lastautos in Frage. Von Seiten der beiden Damen nur noch das schüchterne Geständnis, daß sie nicht ganz allein seien und auch noch ein bißchen Gepäck da wäre, und noch ehe der Fahrer Gelegenheit hatte. Einwände zu machen oder Fragen zu stellen, waren wir auch schon mit einer Fixigkeit, die, glaube ich, bis zum jüngsten Postzugüberfall in England nicht wieder erreicht wurde, mit Sack und Pack auf dem Wagen. Das war besonders dann nicht einfach, wenn letzterer, wie zum Beispiel einmal, Möbel geladen hatte und wir auf stehenden Kleiderschränken eng aneinandergeklammert fast einen ganzen herrlichen Sommernachmittag lang hügelauf und hügelab durch die blühenden Mohnfelder Südböhmens fuhren, auf unserem luftigen Postament der Landschaft gleichsam präsentiert. Auf einem offenen Leiterwagen frierend durch den Land regen, dann wieder in einer alten, mit schweren Samt vorhängen bewehrten Prälatenkutsche durch die Mittagsglut eines wolkenlosen Hochsommertages, in drei Booten bei schönstem Wetter von Traunkirchen nach Gmunden und um elf Uhr nachts zurück und schon nach einer halben 24
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