Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 1/2, 1963

An die viertausend Jahre reicht die Geschichte der Sied - lung am Donauufer zurück : die ältesten Funde stammen aus dem Neolithikum, und wenn auch die Siedlung im laufe der Jahrtausende mehrmals zerstört wurde, so blieb der Platz doch nie lange unbesiedelt. Die Lage am Flußübergang , wo die von der Nordsee zur Adria führende Bernsteinstraße den großen, von Westen nach Osten führenden Strom kreuzte, war bestimmend für die Entwicklung der Stadt Linz . Der Handel, der schon in der Keilenzeit über Linz geführt hatte, ließ das Geme,inwesen in der Babenbergerzeit zur Sta,dt wachsen; der alte Marktplatz wurde bald zu klein. Im Verlaufe einer planmäßigen Erweiterung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde ein neuer Marktplatz, der heuHge Hauptplatz, angelegt . Mit seinen 13.000 Quadratmetern war er einer der st,attlichsten Plätze im ganzen römisch-deutschen Reich . Damals wanderte auch die Stadt - pfarre vom Römerberg, den das Schloß krönt, ins Tal, in die Nähe des Hauptplatzes. Doch neben dem Schloß findet sich heute noch ein Kirchlein, das schon zur Zeit Karls des Großen beurkundet wird. Diese auf römischen Mauerresten errichtete Martinskirche ist heute das älteste erhaltene früh - mittelalterliche Baudenkmal Österreichs. Die Martinsk<irche ist nicht da•s einzige wertvolle Baudenkmal •aus dem alten Lin,z. Mancher andere Bau kündet von der Geschichte der Stadt, die einige Zeit sogar Resi - denzstadt der Kaiser war und in deren Mauern manches bedeutsame historische Ereignis vor sich ging. Kaiser Fr,i-edrich III. verbrachte hier seine letzten Regierungsjahre, und an einem schönen Altstadthaus kündet eine Inschrift davon, daß er hier im Jahre 1493 sein Leben beendete. Einiige Jahr - zehnte später traten in Linz Erzherzog Ferdinand von Österreich und Anna von Böhmen und Ungarn vor den Altar, und dieser von Kardinal Matthäus Lang besiegelte Bund bekam weltpo.Jitische Bedeutung , als Ferdinand nach dem Tod des letzten Jagiellonenkönigs das böhmische und ungarische E1·be antreten konnte . Und wieder einige Jahrzehnte später wartete im Linzer Schloß Erzherzog Matthias auf seine Stunde, in der er in Prag seinem Bruder das große Erbe, den Vielvölkerstaat im Donauraum, entwinden sollte. Friedrich III., Maximilian 1., Ferdinand 1. und Matthias zogen manchen Künstler und Gelehrten an, und die oft widerspenstigen Stände des Landes waren stets darauf bedacht, dem Hof ein Gegengewicht gegenüberzustellen. Das von ihnen an Stelle des alten Minoritenklosters in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erba·ute Landhaus mit seinem prachtvollen Renaissance-La,ubenhof ist das eindrucksvollste Baudenkmal dieses Gegengewichtes. Aber nicht nur äußerlich, auch geistig demonstrierten die Stände ihre Eigenständigkeit mit ihrer hohen Schule, an der viele Jahre Johannes Kepler lehrte. Die alten Stadtteile von Linz tragen heute das Gesicht einer Barockstadt. Zwei der größten österreichischen Barockarchitekten, Johann Lukas von Hildebrand und Jakob Prandtauer, wirkten an ihrem Bau mit. Neben ihnen entfalteten die Linzer Johann Michael Prunner ·und Johann Haslinger eine Tätigkeit, deren Früchte noch heute den Besucher der Stadt erfreuen . * Die stetige, aber langsame Entwicklung der Stadt Linz bekam in unserem Jahrhundert großstädtisches Tempo . Die Grenzen der einst ummauerten Sta-dt waren längst gesprengt , doch auch die Linie, an der vor dreißig Jahren das bebaute Stadtgebiet endete, gehört nun der Vergangenheit an. Deutlich sind von den grünen Bergen, die die Stadt umgrenzen, die Entwicklungslinien zu erkennen, und ein Blick zu den äußeren, modernen Wohnvierteln geht schon weit über die Acker der einstigen Stadtbauern hinaus. Wieder war es die verkehrs - und wirtschaftsgeographisch günstige Lage, die die Entwicklung der Handelsstadt zur Industriegroßstadt anregte. In Linz rauchen heute die Schornsteine der größten Eisen- und Stahlwerke Österreichs und eines chemischen Kombina-ts von Weltruf . Mit dem Ba·u dieser Werke war unmittelbar vor Kriegsausbruch begonnen worden, doch daß der Qualm der Schlote heute von gewaltigen Produktionsleistungen kündet, ist erst ein Erfolg der Nachkriegszeit , denn der Bombenkrieg hatte die bis dahin erst zu einem Torso gediehenen Werke wieder in Trümmer gelegt. Die Industrialisierung der Wirtschaft löschte das Wertvo.Jle im alten Stadtbild nicht aus . Das ge,istige Leben der Stadt blieb erhalten, ja bekam vielfältige neue Impulse. Nicht nur in räumlicher Hinsicht hat Linz über die Grenzen der einstigen Provinzstadt hinausgegriffen. Der Besucher, mag er nun auf der Straße, zu Wasser, mit der Bahn oder mit dem Flugzeug in die oberösterreichische Landeshauptstadt kommen, wird schon bei der Einfahrt erkennen, daß sich ihm eine Stadt auftut, die von engen provinziellen Fesseln nichts mehr weiß. Neues Planen, neues Bauen überall, nicht im alten Trott, sondern in moderner, fortschrittlicher Gesinnung, vermitteln an den Haupteinfahrten, am Bahnhof wie am Donauufer, die ersten positiven Eindrücke . Diese Eindrücke bestätigen und festigen sich bei eingehender Besichtigung in allen Stadtteilen. Der Großsta,dtcharakter repräsentiert sich aber nicht nur in der Zahl von über 200.000 Einwohnern, im pulsierenden Wirtschaftsleben, er dokumentiert sich ebenso in dem Geist, der das Leben in Linz beherrscht und der der Stadt ein neues Gesicht gegeben hat. Der Aufschwung der Stadt besteht nicht nur in dem Florieren großer Industriebetriebe, mit der wirt - schaftlichen Blüte geht eine kulturelle Hand in Hand. Dieser Aufstieg ist den Linzern nicht als Geschenk einer guten Fee in den Schoß gefallen. Alles mußte mühsam und in schwerster Nachkriegsze,it erarbeitet werden, doch das Werk, die neue Stadt, kann sich sehen lassen. Linz präsentiert sich heute den Besuchern als St,adt , die sich bemüht, das wertvolle Erbe zu wahren und dazu Neues zu schaffen, das vor der Welt bestehen kann. Das neue Linz, die Stadt modernen Aufbaues, ist also wirklich einen Besuch wert. 85

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