Di e Stadt Gmunden ehrt in diesem besonderen J ubiläurnsjabr ni cht nur das Andenken Friedrich Hebbels, sie gedenkt mit gleicher Verbundenheit eines anderen großen :Mannes, der, genauso wie der holsteinische Dichter, vorn Norden Deutschlands nach Österreich gekommen war und dort die Erfü llung fa nd und sein Leben beschloß: Johannes Brahms, dessen Geburtstag sich zum 130. Male jährt. Obwohl die Beziehung des l\!Ieisters zu Gmunden - von au ßen gesehen - eigentlich eine lose und zufällige war, beleuchtet sie doch das wesentlichste und liebenswürdigs te Merkmal des Brahms' schen Charakters : seine über ragende Fähigkeit zu echter, großer Freundschaft. Man mag in Bi ographien oder in Briefen blättern, überall wird dieser Zug seines 'Nesens einer der hervorstechendsten sein. Den Vorzug, ein reiches Brahms-Erbe verwal ten zu dürfen, verdankt a uch di e Stadt Gmunden solch einer edlen Freundschaft. Es wa r Viktor von M iller-Aichholz, der langjährige und t reue Freund, in dessen Vill a in Gmunden Johannes Brahms sehr gerne und sehr hä ufig weil te . Brahms kannte di e Familie von Wien her und blieb ihr bis zu seinem T ode aufrichtig verbunden. Im La ufe der Zeit ha tte sich zudem in Millers V/iener Heim ein Krei s hochgeist iger Menschen zusammengefunden, in dem Brahms gern und zwanglos verkehrte und in dessen gepAegtem Rahmen er auch viel musizierte. So ma nche Kompositionen, so manche Lieder erkla ngen erstma ls in diesem Freundeskreis. Aber a uch di e mensch liche Beziehung zur Fami lie Viktor v . M ill ers war für Brahms so stark, d aß er von I schl a us, wo er sei t 1889 rege lmäßig den Sommer verlebte, über das \ 1 \Tochenende nach Gmunden kam, um Gast im H a use d es Freundes zu sein. Dann setzte sich di e \1\Tiener Tradit ion in Gmunden beglü ckend fort; a uch di e an deren berühmten Freunde stellten sich j a gelegentlich ein, und die gesell6 schaftlichen und musikalischen Zusammenkünfte in der Gmundner Villa Miller-Aichholz wurden zu erlesenen Festlichkeiten. Wie sehr die Atmosphäre im Hause M iller von echter Vornehmheit und wirklicher Geistigkeit getragen war, spricht Emi l Heß in seinen Eri nnerungen „Der fröhlich e l\!Iusikan t" sehr aufschlußreich aus: ,,Der feine, gemütliche Ton, das Fernsein j eglichen Protzentums in dem Millionenmilieu , die Kunstbegeisterung und die echte Wiener Freude an Geselligkeit, dieses stets für Künstler (hauptsächlich Musiker) offene H a us machten einem den Verkehr in der Famili e zu einem wirklichen Vergnügen . .. ". Es sind a ber auch große Namen , die in diesem Zusammenhang zu nennen sind: Bülow, Hanslick, Goldmarck, Prof. Billroth , Epstein , Madyczewsky, um nur einige hervorzuheben, und Heß berichtet uns weiter: „Wa ren gar die alten Freunde Joachim und Brahms bei Mill er zusammen, gab's natürlich besondere Feste mit erlesenen Kunstgenüssen durch die beiden." Die gepflegten Geselligkeiten in der Millerschen Villa in Gmunden müssen a lso sehr reizvoll gewesen sein; zudem wurden auch die leiblichen Genüsse ni cht ve rgessen, da doch gerade Brahms Freund einer guten Tafel war. So finden wir die Schilderung eines Mittags tisches vom 10. September 1893 - sie fand sich in den T age büchern der Frau Olga von Miller - : Krebsensuppe, Forellen, gebratener Schinken , Aspikreis mit Hirn und Huhn, Rebhühner, Faschingskrapfen (die Lieblingsspeise Joachims ), Gefrorenes und verschiedene Bäckereien 1 • Aber alle noch so herzliche und noch so familiäre Freundschaft vermochte doch Brahms nicht hinwegzutäuschen über die persönliche Einsamkei t seines L ebens. Sie war der Preis für seine künstlerische Größe, aber sie war ein bitterer Verzicht, und Brahms' \ t\Tesen, seine innere schmerzliche \ 1 \Teichheit, umgab sich daher nach außen mit dem Anschein rauher Bärbeißigkeit. Dieses oft stolz wirkende Gebaren mag schon zu seinen Lebzeiten man ches Mißverständqis und ma nch e l\!Iißdeutung hervorgerufen ha ben. Um so bedeutungsvoller sind dann die kleinen Szenen, die den Meister in seiner wahren Schlichtheit zeigen. So legte er einstmals im Hause rv1i ll er seine eigenen Noten, die für eine musikali sche Darbietung vorberei tet waren, wieder zusammen , weil ihn eine Bach-Sonate, vorget ragen von d em F reund Josef Joachim, so sehr ergriff. Brummig meinte er dazu: ,,Und da schreibt unsereins noch etwas ?" und war ni cht mehr zu bewegen , eine eigene Komposition vorzutragen . Unabhängig voneinander findet sich diese Episode .in Heß ' Büchlein und in A. Reisenbi chlers „Aus Gmundens vergangenen Tagen" bestätigt. Während der Zeit, da er als Gast hei Miller-Ai chholz weilte, wohnte Brahms im sogenannten Brahms-Stöcke! , einem kl einen Häuschen im Park der V ill a . Nach dem Tode des l\1eisters wurde dieses Häuschen von den ge treuen Freunden als Museum eingerichtet, a ber dieser ersten Erinnerungsstätte war keine allzu lange Dauer beschieden . In den dreißiger Jahren unseres J ahrhund erts wurden die wertvol - len Gegenstände aus dem ersten Brahms-l\!Iuseum der Stadt Gmunden übertragen , und wenn auch im städtischen I\1useum immer noch nicht der endgültige R a um für dieses kostbar e Vermächtnis gefunden ist , so bleibt doch die 1 ) Nach Rei senbichl er „Aus Gmundens vergangenen Tagen" .
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