Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 1/2, 1963

Eingabe S/Jaz111s an die Regierung zur Gründung eines JVlusealvereines 1833 So wie der einze ln e Mensch durch di e Erfahrung reift , so di e S taaten durch die Geschi chte; so wie dem Einze lnen N iema nd segensvo ll e 'Wirksamkeit zu tra uen wird , der leichtsinnig di e Gefüh le, Ecstrebungen und V eri r rungen seiner .Jugend vergessen hat, so ka nn ma n a uch von keinem Volke, d as seine eigene Geschi ch te ve rn achl ässiget , erwa r ten, da ß es j ema hl s ein da uerndes, ruhmvo ll es Daseyn beh aup ten werd e. Die Geschi chte wird a ber erh a lten durch die Sorge für di e E rhal tung geschi chtlicher Denkmä hl er , münd licher und schrift licher Ü ber li eferungen . vVir sind es dem Andenken unserer Vorfahren, d as nur ei ern Barbaren nicht h eilig ist, wir sind es der Gegemrn rt, so v1 ie der Nachwel t schuldig, uns hierin ni cht lässig zu erweisen ; d enn di e Geschi ch te eines Vo lkes ist d ie einzige fes t·e Grundl age, au f der sich di e gesell sch aft li chen Ve rh ä l tn isse heilsam entwi ckeln , u ncl we lch e Ach tung könnten unsern Nachkommen für di e vor ausgegangenen Geschlech te r empfinden, die durch Un - ve rstand und Sorglos igkeit d ie bis auf ihre T age erh al tenen geschichtl ichen Denkmä hl er zerstör t, c cl er ihrem U ntergange a uch nur gleichgül tig zugesehen h a ben ? Es ist in unser er Zei t dahin gekommen, daß ma n diese so wahre und einfa che Betrachtung nich t mehr a nstell en ka nn , ohn e di e Dorn en ge rech te r , hitter er Vo rwürfe zu empfi nden . Der rasche, insbesond ere sei t den letzteren Decen ien besc hl eunig te Ga ng cl e1; Zerstö rung erfo rd ert dringend d ie wirksamsten Maß regeln . D ie wichtigen Denkmä hler de r römischen H errscha ft liegen zerstreu t, ungekannt, den U nbi lden d er \A/ itterung, d es U nve rsta nd es und Mu thwi ll ens, der Versch leppung durch E igennutz od er Li ebha berey von Pr ivaten a usgesetz t. Das Gl eiche gilt von den Denkmä h lern des M ittela lters, das u nse rer Denk- und Empfindungsweise beyna he noch fr emder geword en ist, als das classische A lte r thum. Selbst in vielen Kirchen hat ma n das Andenken ihrer S tifter und \ 1 \Tohlthä ter n ich t geschont: di e ä ltes ten Denkmä h ler ve rb a ut, verstell t, zu P fl as tersteinen verwendet, oder wie schon der verdi enstvoll e Genealog, Geo rg Adam F reyherr vo n H oh eneck bemerkte, a ls vermeintliche U nzier gänzli ch zu r Seite gescha fft. Die ä ltesten U rkund en, die wichtigsten Q uellen fü r die Geschich te und T opographie des Land es verzehrt der M oder , oder sie werd en nach Zahl und Gewi ch t zu den verschi ed ensten Bedürfnissen a n H andwerker hinta n gegeben. So hat ma n vor kurzem in der Nähe un ser er H aup ts tadt Hund erte von a l ten, a uf Pe1·gamen t gesch rie benen U rkund en a usgewaschen , und a n H olzwaarenhä ncll er zum Ü b erzieh en d er Kinder trommeln verka uft , andere in kl eine Streifen ze rschnit ten, und zu r R eparatur von Streich-I nst rumenten verwendet. Die Sig ill e d er ä ltes t·en Dynasten d es Land es sind an ma nchen Orten zum ge brech lichen Spielze ug für Kinder gewo rd en , oder sie wurden in g röße1·en Maßen eingeschmo lzen, a n \i\lachshä ndl er verkauft , od er schl echtweg a ls U nra th verworfen. \ i\fas seit.Jahrhund erten Einze ln e gewirkt hab en, um di esem reißenden Gange der Zerstörung E inhal t zu thun, um geschi ch tliche Denkmäh ler auf di e Nachwe lt hinü ber zu retten, schein t beyna he ve rscholl en , ihre Schriften theilen g röß tentheil s d as Schicksa l der vo n ihnen ve rzeichneten Denkwü rd igkeiten. D ieß All es geschi eh t bey uns in einer Zei t, in we lch er so ern ste E1·mahnunge n erga no·en sind , wie nothwend ig es 14 sey, m der Gegenwa rt di e Ve rgangenh eit zu R a th e zu ziehen ; in welch er benachba r te S taa ten und Provinzen, früh er a ls wir , zur Bes innung gelangt, und m it den nacha hmungswü rdigs ten Beysp ielen vora ngehen, - und theils ihre Agenten , t hci ls Priva te und M ä k ler un sere Provinz in a ll en Ri chtungen durchstreifen, um un s di e Ü berres te d er Kunst u nd d es Alter thums zu en tz ieh en, welch e bisher de r Zerstö rung en tgangen sind ; - es geschieh t bey einem Vo lke, d as wirklich eine Geschi ch te durchl ebt hat, welch e in hohem Grad e gee igne t ist, p a trioti sche Gefühl e und Selbstach tung zu erwecken, durch den n achzuwe isend en Ga ng seiner E n tvv ickelung zu belehren, durch in te ressante Schi cksale, ed le Char aktere die g rößte T heilna hme zu erregen, und d ie Bande zwischen dem Volke und seinen Beherrschern noch fes ter zu knüpfen . Es wä re j edoch ungerech t, zu beha upten, da ß bey un s so viele Aufford erunge n fru ch tlos ergangen wären, denn es fehl t nich t a n Einzelnen, di e d as Bedürfni s fühl en, a us den Quellen der Geschi chte zu schöpfen, u nd di e der \A/ un sch beseelt, für di e Erh a l tung derselben zu wirken . All ein , es ist e benso gewiß, da ß, wo seit.Ja h rhunder ten di e Geschichte eines La nd es ve rn ach lässigt wurd e, Kra ft und Lebensd a uer ein es E inze lnen ni cht mehr hinreichen, das Versäumte nac hzuholen . Darin liegt nu n di e Aufford erung zur ungesäumten Gründung eines V ereines, dessen Aufga be es seyn so ll : 1. Die Denkmähler der Geschi ch te so rgfä ltig zu sammeln , zu verzeichnen, zu beschreiben und zu erklä ren, wenigstens sich ge treue Abb ildungen derselben zu ve rscha ffen, und n ach M öglichkeit für ihre E rh a ltung zu sorgen. 2. Sich mit den geschrieb enen Geschi chtsquell en beka nn t zu machen, solche .a ufz usuchen, wo m ögli ch a n sich zu bringen , wenigstens Abschriften oder Ausz üge davon verfassen zu lassen . 3. Eine Sammlung a ll er Werke a nzu legen, we lch e d ie vaterländische Geschich te unmi t telbar beha nd eln , od er mittelba r beleu chten und ergänzen ; end lich 4. Durch Beka nn tmachung d es W issenswe r thesten da für zu so rgen, da ß der Sin n für di e vate rl ä ndi sc he Geschi ch te a ll en tha lben geweck t und genä hrt we rde. So ll te n icht das bevorstehende Geburtsfes t unse res M ona rchen, dessen weise Gese tzge bung a uch für d ie Erha ltung de r Denkmä hl er vaterl ä ndischer Kunst und Geschi chte besondere, nur in di eser Provin z noch zu wenig beachte te Verordnungen erl assen h at, d er geeigne tste I\1oment seyn, einen Verein zu g ründ en , der vo n den hi er a usgesp rochenen Grundsätzen a usgeh t? Solche Saat würde wa hrli ch nich t auf unfru chtba ren Bod en fa ll en, wir würden sie in kurze r Zei t so reichl iche F rü chte tragen sehen, da ß wir ni cht lä nger sorgen dü r ften, durch geistigen Stillstand die Geringsch ä tzung der Nachba rstaa ten zu verdienen, oder durch a nma ßend e Oberfl äc hlichkeit, fa lsche Aufk lä rung, a nd eren Gefa hren en tgegen zu gehen. Um nun ein en so lchen Verein ins Leben zu rufen, seinen Bestand zu sichern , scheint vor All em das Zusammen tre ten der Einzelnen, we lche di eses Bcdürfniß erka nn t ha ben, nothwendig, und ihre erste Aufgabe, sich des Beytrittes geeigneter Personen zu ve rsichern , di e nä heren Bedingungen im E inve rständni sse festz usetzen, endli ch die nöthigen E inschreitungen zu machen, um d ie höhere Genehmigung, und den Schutz d iese r Ansta lt zu erwirk en.

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