Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 1/2, 1963

SCHATZKAMMERN DES LANDES OBEROSTERREICHISCHE MUSEEN UND HEIMATHAUSER

SCHATZKAMMERN DES LANDES OBEROSTERREICHISCHE MUSEEN UND HEIMATHÄUSER Elfriede Prillinger Dr. Han s Sturmberge,· Dr. Alfred Marks Dr. W,1/ter Kunze Dr. Friedrich Morton Dr. Willibrord Neumüller 0. 5. B. Hofrat Mnx Bauböclc Franz Dicht/ Dr. Franz Lipp Dr. Fritz Dworschak INHALT Große Erinnerungen einer kleinen Stadt - Hebbel und Brahms in Gmunden Anton von Spaun - Der Vater des Oberösterreichischen Landesmu se ums Das „Museum Francisco-Carolinum" in Linz und sein Gebäude Die Aufgaben eines Heimatbunde s Da s Museum in Hall s tatt Zur Neuaufstellung der Kunstsammlung im Stifte Kremsmün s ter lnnviertler Volkskundehaus und lnnviertler Galerie in Ried i. Innkrei s Die Überlieferung des alten Handwerks in Heimathäusern Oberösterreichische Sammler - Ein Streifzug durch die privaten Sammlungen de s Landes Da s Museum im Linzer Schloß Umschlag: Hinterglasbilder aus den volkskundlichen Sammlungen des Oberösterreichischen Landesmu se ums, die im Museum im Linzer Schloß zu sehen sind . Foto: Eiersebner Schriftleitung: Dr. Otto Wutze! Ät,ßerer Anlaß zur He rausgabe dies es Heftes is t die Teileröffnung de s Museums im Linze r Schloß (00. Landesmuseum) am 8. Juni 1963. Dieses Ereignis stellt e inen Markstein im oberösterreichischen Musealwesen dar. Es erschien deshalb vertretbar, ja notwendig, eine Folge der Zeitschrift „Oberösterreich" diesem Thema zu widmen. Die FLille des Stoffes ließ es allerdings nicht zu, auf alle Heimathäu se r und Musea ls,unmlungen im lande h inzuweisen. Die Abhandlungen mögen somit als Teil e für ein Ganzes verstanden werden. Aus früher erschienenen Heften seien folgende themenverw<1nclte Aufsätze gen;rnnt: Bernhart Robert, In einem steinzeitlichen Pfahlbaudorf am Attersee Trathnigg Gilbert, Da s Steyrer Lebzelterhau s Trathnigg Gilbert, Da s Weiser Landwirtschaft smuseum Bodingbauer Adolf, Vom lnnerberger Stade l zum Heimath;:ius Steyr Bauböck Max, Kleine Kulturgeschichte des Innviertels Gernhart Robert, Neue Fassade des Vöcklabrucker Heimal·hau ses Jg. VIII, 1 / 2, S. 56 Jg. IX, 1 / 2, S. 39 Jg. X, 314, S. 3 Jg. XI, 3/4, S. 6 Jg. XII, 3/ 4, S. 18 Jg . XII, 3/ 4, S. 51 Halbjahrcszeitschrift - Kunst, Geschi ch te, Lrndschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr, 1~. Jahrgang, Heft J/ 2, Scmme r ] 963. Eigentümer, Herau sgebe r und Verleger: Oberösterrcichischer Landesverlag; verantwortlich f iir den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Otto VVutzel, sJm tlich c Linz, Land straße 41, Ruf 26 7 2L - Dru<.:k: Oberöstcrr. Landesvcrl.1g Linz. - Einzelverk.:wfspreis: S 28.-, J.1hresabonnement fi.ir 2 Hef te: S •18.- exkl. Porto. Redaktionsprogramm der nächsten Hefte der Zeitschrift ,,Oberösterreich": Das lit erar ische Oberös te rre ich Winterheft 1963/64 Wirtschaftsraum Oberösterreich Sommerheft 1964 Da s m::iderne Oberö s terre ich Winterheft 1964 /65

Jubiläen bieten immer wieder die unschätzbare Mögli chkeit, di e Radi en großer E reigni sse in d er Erinnerung bewußt noch einma l ausz uschreiten. Da nn tut sich di e T iefe der Vergangenheit unbehelligt von zei tlichen Verflec htungen p lötz li ch kl arer und deut licher a ls j e auf und aus dem E rl ebn is der Tradition wächst d ie Kraft für eine eigene erfiillte Gegenwart. Die Stadt Gmunden geden kt in diesem J a hr 1963 ei nes Dich te rs, der vor 150 .Ja hren gebo ren wurde und vor 100 J ahren gestorben ist. Ein ha lbes .Ja hrhund er t war ih m a n mensch li cher Zeit zugemesse n, um ein umfassendes VVerk zu vo ll enden. Als Friedrich Hebbe l am 18. März 1813 in Wesse lburen gebor en wurde, deutete ni chts darauf hin , daß ihn j ema ls eine wie immer gear tete Bin dung an Österreich fesse ln würde. Er begann sein Leben in sehr dürftigen Verhäl tnissen, und d ie ersten dreißig J a hre sein es Lebens waren stets von mehr oder weniger großen wir tschaftlichen Sch,vierigkeiten überschattet. Seinem mühsamen Aufstieg blieb kein e Not erspart, wenn auch - und das kennzeichnet im besonderen Hebbels inneres geistiges Wese n - kein e der Demütigungen und keine der bitteren Erfahrungen imstande war, sein Konzept zu ve rschieben und das Z iel zu verdunkeln. ,, ... Ebenfall s fühl' • ich mich j etzt vom Innersten heraus zum Dichter bestimmt", lesen wir in einer Tagebucheintragung des 3 1. Dezember 1836, und weiter das ern sthafte Bekenntn is: ,, ... denn das Ze ugni s, mich r edli ch um den höchsten Maßstab bemüht und diesen streng a n die Dokumente meines poetischen Schaffens gelegt zu haben, darf ich mir geben. Die Kunst ist das einzige Medium, wodurch Welt, Leben und Natur Eingang zu mir finden; ich habe in d ieser ernsten Stunde nich ts zu b itten, a ls daß es mir durch e in z u h a rt es Schicksa l nicht unmö g li c h gemac h t werden möchte, di e Kräfte, die ich für sie in meiner Brust vermute, hervorzukehren! " Viell eicht ist di eser schlichte Satz im Tagebuch des Dichters ein Schl üssel zu seinem ganzen Wesen. Hier zeigt sich nämli ch der tragische Konflikt seines Lebens: die qua lvo ll e Auseina nd ersetzung mit den widerwärtigsten ä ußeren Umständen , der ständige Kampf gegen d ie Not, gegen die E rschwernisse einer mangelnden und verspäteten Schul - bildung, gegen Unverständni s j eglicher Art. Aber gerade diese persön liche, unablässig aufwühlende Dramatik im menschli chen Leben hat Hebbel den \!Veg in di e künstler ische Analogie gewiesen : zum T heate r, zum Drama. 2 ELFRIEDE PRILLINGER Große Erinnerungen einer kleinen Stadt H ebbel und Brahms 111 Gmunden Fotos : H. C. Pr illi ngcr Auch wenn man H ebbels Gedi chte liest, drängt sich d ie - wah rscheinlich unbewußte - dramat ische Kraft vor; selbst in den lyrischesten Momenten lassen die Verse keinen Zweifel darüber, daß Hebbels wahre Berufung und Bedeu tung im Drama liegt. Der Grund hi efür mag woh l wirklich zum größten Teil in dem gigantischen Lebenskampf zu suchen sei n, d en de r Dich ter als Mensch durchzufechten hatte. In übertragenem Sinn hat Hebbel dies wa hrscheinlich selbst so emp funden , denn in seinen Tagebüchern finden wir d ie bezeichnende Stell e: ,, ... E ine E rfahrung von Bedeutung gla ube ich über mich ... gemacht zu haben, näm.lich die , daß es m ir durchaus unmögli ch ist, etwas zu schreiben, was sich nicht wirkli ch mit mein em geistigen Leben aufs innigste ve rkettet ... "

Der un erwar te te vVendepunkt zum Besser en kam für H eb bei erst 1845, a ls er auf de,, Ri ·1ckkehr von einer Studienreise, krä nk li ch, mit te ll os und ohne jede H offnung a uf einen künstleri schen E rfo l!s, einige Tage in Wien Station zu machen gedach te. Aus den wenigen Tagen wurden 18 .Ja hre. l Jnerwa r tete rweise gab ihm gerade diese Stadt a ll es, dessen er so dringend b edurfte: dem Dichter Interesse, E rfolg, künstlerisch e Anerkennung - und dem M ensc hen vor a ll em das Erlebn is einer g lücklichen Fami lie. Es ist a nzun ehmen, d a ß Friedr ich H ebbel, ehe er nach vVien kam, vo n der Ex istenz Gmundens kaum K enntnis hat te. Zunächst wa r au ch der Entsch luß, diese Stadt a ls Sommeraufentha lt zu wählen , keinem eigenen Antrieb , sond ern einem An laß von außerh a lb zu danken: Hebbels Gattin , Christine Enghaus, soll te in Gmunden Solebäder nehmen, und m a n besch loß, den R at des Arztes zu befolgen. Die Fami lie Hebbel untern a hm a lso eine Reise ins m eh r oder weniger Ungewisse; sie quartierte sich im Gastho f ,, Anker" ein und sah sich in dem kleinen Städtchen um. Das „Entree" in d iesem Jahr 1855 war, wie H e bbe l einem F reunde schrieb, ,, nicht das Freundlichste. Bei strömendem, eiska ltem Regen kamen wir a n, und bi s auf wenige Sonnenblicke, d ie uns hämisch daran erin ne rten, was un s ma ngelte, prasse lte und rieselte es den ganzen Tag fort. " Aber trotz dieses ersten Stoßseufze rs über das \,Ve t ter muß sich der Sommer dann doch 1,vohltuend gezeigt ha ben , denn b a ld darauf lesen wir in ein em Brief: ,, .. . U ns verstreichen di e Tage hier sehr a ngenehm . .. ", und ein anderma l heiß t es: ,, . . . wir haben eine R eihe schön er Tage gehabt ... und di e nächste U mgebung von Gmunden, di e un end lich reizend ist, buchstäblich a bges ucht ... " . Dann werden di e Freibäder in d er „herrli chen g rün en Traun " gelobt und ein unvergleichli cher An blick des abendlichen Traunsteins wird beschrieb en : ,,Er wa r in rotes Feuer getaucht , vom Gipfel bis zum Fuß, und spiegelte sich so im See ; es wa r , a ls ob sein Eingeweide J a hrta usende lang Metalle gekocht h ätte und a ls ob di ese nun plötzlich g lüh end und sprühend a us a ll en Ritzen hervorbrächen ... ". \,Venn ma n di e zah lreichen Brief- und Tagebuchste ll en a us j ener Zei t a ufmerksam studiert, ka nn ma n sich des Geda nkens ni ch t erwehren, daß es eine unüberwindli che geheimnisvoll e Bindung gewesen sein muß, die den Dichter in Gmunden so sehr erg riff, daß er sich - überraschend für sich selbst und für di e F reunde - schon nach drei Wochen ganz plötz lich zu einem H a uska uf entsch ließ t. ,, Es gefä ll t mir hi er so wohl , daß ich mich gestern hier a ngeka uft ha be . . ." heißt es in einem Brief vom 9. August. Die Freude über di esen - woh l a llen Beteiligten unerwarteten - Schritt spricht von nun a n a us a llen schrift li ch en Zeugnissen. Der H a uskauf ist in den T agebü chern einige Male erwä hn t, es wird bedacht , ,,wie ofockli ch mein armer Vate r gewesen wäre, wenn er es j emals zu einem so bescheid enen Besitz gebracht hätte ... " , und in den verschied ensten Briefen wird vom Stand der Dinge berichtet. Nach dem g lücklich a bgesch lossenen K ontrakt erfährt einer der Freunde sogleich davon : ,, ... Ich bin souveräner H err des H a uses Nr. 31 in Orth ... " . Die erste Nacht im eigenen H a use wird a usführlich beschrieben, und jede einzelne Äußerung in d iesem August 1855 betont di e große Fre ude: „.J a, wir sitzen j e tz t bereits auf unserem Eigenen , es gibt eine T ür, a us der ich n icht hin a usgeworfen werd en ka nn , und einen Garten über dessen P la nke ich nach Beli eben kl e ttern Seite 1: Das „Hebbel-Zimmer" der Ur enkelin de s Dichters, Frau Cwendolin Schreclcen ede r, die in liebenswürd igste r W eise die Bebilderung di eses Aufsatzes unt ers tüt zte. Ob e11: Fri edrich Heb b els Schreibpu lt . Lin ks oben : Da s Hebb el-Haus 1913 (nach ein er Fotografie aus dem Bes it z der U renkelin des Dichters). Lin ks unten : Das Hebbel- Hau s um 1855 (na ch einem 0 /gemä lde im Bes it z der Ur en k eli n des Dich ters). od er springen da rf ... "; und m it liebevoll er Genauigkeit wird der Abla uf ein es ganzen Tages geschi ldert, den H ebbei unter ei ern sc haltigsten sein er dreizeh n Apfelbä ume zubring t, oder wo er lesend a uf ei ern „Boden im d uftigen H e u" li egt und spä te r die „göt t liche Abenclbe leuchlung d es T rau nsteins, der ... gerad e ins Fen te r sieh t ... ", genießt. \,Venn ma n a ll die sc hriftlichen Zeugni sse, die sich um den E rwe rb und um den Besitz dieses H ä uschens in Gmu nden drehen, gena u und so rgfä ltig a bwäg l : es ist vo n da an ein neuer Ton in den Aufzeichnungen, eine Freude, die nich t nur Ü berschwang isl ; eine befrei te Atmosph ä re zeigt sich von di esem Augenbli ck a n und m acht das kleine H a us in der kl einen Stadt zu einem wahren Ruhepunkt, zu einem Tusc ulum, das seinen Zauber bis zu H ebbels Tod ni cht mehr ein b üß t. Immer wied er sloßen wi r a uf Stell en in sein en Schriften , di e di es bezeugen ; immer wi eder ge hen liebevoll e Schi lderungen a us der Sommerh eimat zu den Fre und en hin a us. Den einen bed aue r t er , da ß er Gmund en nur be i trübem \,Vetter sah: ,, . .. den n d ieser fleck ist ei ner de r Schön sten, den die Deu tsc he E rd e a ufzuzeigen h at, wenn d ie Sonne ode r a uch nur der lVIo ncl ihn besche in t . . .", einem a nd eren beri chte t er von einem R egen tag: ,, ... ein seltsamer E in - d ru ck, wenn ma n sich m itten im Gebiro-e ein bil den ka nn , 3

111 der Ebene zu se in ." U nd ein a nd ermal wird di e leise \!Vchmu t des Abschieds spürba r : ,, Leider ·incl nur mehr vier solcher T age unser .. .". Abe r immer wiede r kommt ein Sommer und m it ihm di e Mög li chke it, d en Juli und d en Aug11sl in d em still en Tusc u lum zu ve rbringe n. ,, Es ist sc hon der fünfte Sommer, den ich hier zubringe, und der Schönste von a ll en, denn j eder Tag ist ein go ldener Tell e r, un schä tzba r an sich, wen n a uch n ich t immer silbern e Apfel darauf gelegt werden ... " Rührend ist a uch die Bitte um Pa rdon: ,, Entschul di ge n Sie d ie la nge Verspätung meiner Antwort mit ei ern ga nz wunderba ren \!Ve tter der diesj ä hrigen Ferienmona te meiner Frau . .. " \ ,Venn sonst nämli ch die E rl edi gung der K orrespond enz eine wi ll kommene Beschä fti gung fC1r ve rregnete Tage wa r: ,, ... diesma l aber schrill d ie Ze il in bla uem Taft a n 11 ns vorbei ... ". Bis zum le tz ten .J a hr komm t immer wieder die Rede a uf" die kl ein e Stadl : ,, ... es g ibt weni g Punkte a uf der Deutschen E rd e, d ie sich m i t Gmunden ve rg leichen Jasse n . . ." - ,, ... Ich freue mich ... daß ich m ich . .. nich t a bhalten li eß, n ach Gmund en zu geh en. VVi r ha ben das gö t.t lichsLc Wet te r ... ". Aber di eses \!Vetter wa r schein bar a uch im vo rigen .J a hrhundert sehr la un isch, denn einma l steht in ei nem Brief - und es kli ng t wie ein Aufschrei - ,, ... heute scheint d ie Sonne, was ich Ihnen a ls das g1·ößte Wunde r von Gmunden doc h noch rasc h m itte ilen wil l ... ". U nd ,,. . . , , as unse r Haus betrifft", schrei bt H c bbel im J un i l 863 sein er Fam ili e nach Wien , ,,so haben wir d a ri n die ers te Zeit biwa ki ert , dann wohnten wir einige .J a hre beh ag li ch und j e tz t fange n wir zu res id ieren an .. ." . 4 Das E rl ebnis cl es eigene n ß es itzes a ls ein es Symbo ls de r end lichen S icherh ei t wa r für Friedri ch H ebbe l, der a ls iVIensch di e bi tterste A rmut mi t a ll ihren Auswirk unge n ge kannt und a n sich er leb t ha t, mensc hli ch ein unüberbi e tbarer Höhepunkt. Di e Tragik d er ers ten Lebensj a hrze hnt e ha tte sich d ami t gelöst, und a us d em Ordnu ngspunkt der „Bege benh eit Gmunden" strah l te eine innere p ersön liche Beruhigung nach a llen R ichtungen a us. Gmunden gewann a lso für den Di chter ein e zuti efst men schli che Bed eut ung, di e sich intensiv im Werk j ener Zeit a uswirk te. Zwei gro ße Arbeiten sind i n d en J a hren nach l 855 entstanden , di e von tragender Bedeu tu ng sin d: di e N ibelungen-Tri log ie, d ie H ebbel sogar den Schill erpreis gebracht hat, und das Epos „Mutter und K ind " . Neben diesem geistigen Erbe, dessen sich die kleineTraunseestad t immerh in rühmen ka nn , weil sie unbestri tten ein nicht zu unterschätze nd es M aß a n Voraussetzungen d azu dem Di chter gebr acht ha t, bewah rt di e Stadt j edoch a uc h ein ä ußer li ches g reifbares Ve rmä htnis : di e I-Iebbel -Gedenkstätte n. Leider g in g d a. H e b b c 1- I-T a u s im La u f der Zei t i n fr emd e H ä nde über , abe r di e ge istige n E ri nn erungen, di e es umsc h li eßt , werden a uch von den he u tigen Besitze rn bewundert und behü tet. Das Hebb e l- Z imrncr im l\!Iuseum der Stadt ist rei ch a n persönli chen Gegenständen a us H ebbc ls Bes itz, drei Dinge abe r sind von ganz besond erer Bede utung: ein e Schreib fede r des D ichters, eine Locke, d ie im Augenbl ick d es Todes von se inem H aar genommen wurde, und se in e Totenmaske - sie sp iege lt sein ganz es sc hwe res Leben wider, a ll e Erfahrunge n, Leid , H offnung und E rfüllung.

Doch dem Gang der Zeil entsp rechend spiel e n diese beiden Er innerungsstätlen leider ka um noch mehr a ls die R oll e schöner Symbole. Daher ist es beglückend , zu erfahren, da ß dem Andenken des g roßen Dichters gerade in Gmunden ein R au m geweiht ist, in dem a lle Erinnerung mit größter Lebendigkeit erh a lten wird: innerha lb der Fami lie seiner Urenke lin. Nich t weit vom 1-Iebbel-Haus entfernt ist ein wirk liches Hebbel -Zimmcr eingerichtet; es ist kein Schaustü ck, kein Iviuseum, d ieses Zimmer, es ist vielmehr der sp i1rba re Mittelpunkt des H a uses. Hier ist H ebbel lebe ndig gebli eben. In d iesem Z immer steht das Schreibpu l t des D ichLers, hi er sind seine Bi°1 c her, sein e Bilder , seine Möbel ; K leinigkei ten we rd en bevva h r t, die er ge lie bt hat, und di e vo n Generat ion zu Generat ion weitergegeben wurden. Und in ein er a l ten Schill er-Ausgabe bezeichnen breite rote Seidenbänder die Ste ll e, die H ebbels Tochter Chri stine d em Dichter in seinen letzten Augenb licken vo rlas. Das war vor hunder t J a hren. So unve rgesse n weitcrzu lcben ka nn es eige ntli ch eine sc hönere Unsterb lichke i t ge ben!' Li11ks obe11: Friedrich Heb bel (11ach e i11e111 O lge1n iilrfe 11n Bes itz rfer LI rcnkelin des Künst lers). Li11ks 1111te11: Christi11e E11glia 11 s u11rf Toch ter „ Ti/-i " (,inch ei 11 e111 Farnili e11 gem11/de i1 11 Bes it z vo11 R1-1t/i11,-/ W i/l, clm, Wnirlhofen/Ybb s ). Rechts oben: Di e Urenke l i11 rf es Di chters in ihren, Cmundner ,,Hebbel-Zimm er". Rechts 1111/·e11: ]o/1a1111 es Brn /1111 s 1111rf Viktor Millcr-Aichlrn lz (nnch einer Origi11alfotogrnfie). A BENDGEFÜHL Fr iedlich bekämpfen Nach t sich und Tag. \N ie das zu dämpfen, Wie das z u lösen ve rmag 1 Der mich b edrü ckte, Sch lä fst du schon , Schmerz? Was mi ch beglü ckte, Sage, was ·war 's doch , mem He r✓. :' F reude wie Kummer, }'üh l' ich , ze r rann , Aber den Sch lummer Führten sie leise hera n. Und im Entschwe ben, Immer empor , K ommt mir das Leben Ganz wie ein Sch lummerlied vor. Gedicht vun Friedrich Hebbel, vertont vo1 Joltwutes Brahms 5

Di e Stadt Gmunden ehrt in diesem besonderen J ubiläurnsjabr ni cht nur das Andenken Friedrich Hebbels, sie gedenkt mit gleicher Verbundenheit eines anderen großen :Mannes, der, genauso wie der holsteinische Dichter, vorn Norden Deutschlands nach Österreich gekommen war und dort die Erfü llung fa nd und sein Leben beschloß: Johannes Brahms, dessen Geburtstag sich zum 130. Male jährt. Obwohl die Beziehung des l\!Ieisters zu Gmunden - von au ßen gesehen - eigentlich eine lose und zufällige war, beleuchtet sie doch das wesentlichste und liebenswürdigs te Merkmal des Brahms' schen Charakters : seine über ragende Fähigkeit zu echter, großer Freundschaft. Man mag in Bi ographien oder in Briefen blättern, überall wird dieser Zug seines 'Nesens einer der hervorstechendsten sein. Den Vorzug, ein reiches Brahms-Erbe verwal ten zu dürfen, verdankt a uch di e Stadt Gmunden solch einer edlen Freundschaft. Es wa r Viktor von M iller-Aichholz, der langjährige und t reue Freund, in dessen Vill a in Gmunden Johannes Brahms sehr gerne und sehr hä ufig weil te . Brahms kannte di e Familie von Wien her und blieb ihr bis zu seinem T ode aufrichtig verbunden. Im La ufe der Zeit ha tte sich zudem in Millers V/iener Heim ein Krei s hochgeist iger Menschen zusammengefunden, in dem Brahms gern und zwanglos verkehrte und in dessen gepAegtem Rahmen er auch viel musizierte. So ma nche Kompositionen, so manche Lieder erkla ngen erstma ls in diesem Freundeskreis. Aber a uch di e mensch liche Beziehung zur Fami lie Viktor v . M ill ers war für Brahms so stark, d aß er von I schl a us, wo er sei t 1889 rege lmäßig den Sommer verlebte, über das \ 1 \Tochenende nach Gmunden kam, um Gast im H a use d es Freundes zu sein. Dann setzte sich di e \1\Tiener Tradit ion in Gmunden beglü ckend fort; a uch di e an deren berühmten Freunde stellten sich j a gelegentlich ein, und die gesell6 schaftlichen und musikalischen Zusammenkünfte in der Gmundner Villa Miller-Aichholz wurden zu erlesenen Festlichkeiten. Wie sehr die Atmosphäre im Hause M iller von echter Vornehmheit und wirklicher Geistigkeit getragen war, spricht Emi l Heß in seinen Eri nnerungen „Der fröhlich e l\!Iusikan t" sehr aufschlußreich aus: ,,Der feine, gemütliche Ton, das Fernsein j eglichen Protzentums in dem Millionenmilieu , die Kunstbegeisterung und die echte Wiener Freude an Geselligkeit, dieses stets für Künstler (hauptsächlich Musiker) offene H a us machten einem den Verkehr in der Famili e zu einem wirklichen Vergnügen . .. ". Es sind a ber auch große Namen , die in diesem Zusammenhang zu nennen sind: Bülow, Hanslick, Goldmarck, Prof. Billroth , Epstein , Madyczewsky, um nur einige hervorzuheben, und Heß berichtet uns weiter: „Wa ren gar die alten Freunde Joachim und Brahms bei Mill er zusammen, gab's natürlich besondere Feste mit erlesenen Kunstgenüssen durch die beiden." Die gepflegten Geselligkeiten in der Millerschen Villa in Gmunden müssen a lso sehr reizvoll gewesen sein; zudem wurden auch die leiblichen Genüsse ni cht ve rgessen, da doch gerade Brahms Freund einer guten Tafel war. So finden wir die Schilderung eines Mittags tisches vom 10. September 1893 - sie fand sich in den T age büchern der Frau Olga von Miller - : Krebsensuppe, Forellen, gebratener Schinken , Aspikreis mit Hirn und Huhn, Rebhühner, Faschingskrapfen (die Lieblingsspeise Joachims ), Gefrorenes und verschiedene Bäckereien 1 • Aber alle noch so herzliche und noch so familiäre Freundschaft vermochte doch Brahms nicht hinwegzutäuschen über die persönliche Einsamkei t seines L ebens. Sie war der Preis für seine künstlerische Größe, aber sie war ein bitterer Verzicht, und Brahms' \ t\Tesen, seine innere schmerzliche \ 1 \Teichheit, umgab sich daher nach außen mit dem Anschein rauher Bärbeißigkeit. Dieses oft stolz wirkende Gebaren mag schon zu seinen Lebzeiten man ches Mißverständqis und ma nch e l\!Iißdeutung hervorgerufen ha ben. Um so bedeutungsvoller sind dann die kleinen Szenen, die den Meister in seiner wahren Schlichtheit zeigen. So legte er einstmals im Hause rv1i ll er seine eigenen Noten, die für eine musikali sche Darbietung vorberei tet waren, wieder zusammen , weil ihn eine Bach-Sonate, vorget ragen von d em F reund Josef Joachim, so sehr ergriff. Brummig meinte er dazu: ,,Und da schreibt unsereins noch etwas ?" und war ni cht mehr zu bewegen , eine eigene Komposition vorzutragen . Unabhängig voneinander findet sich diese Episode .in Heß ' Büchlein und in A. Reisenbi chlers „Aus Gmundens vergangenen Tagen" bestätigt. Während der Zeit, da er als Gast hei Miller-Ai chholz weilte, wohnte Brahms im sogenannten Brahms-Stöcke! , einem kl einen Häuschen im Park der V ill a . Nach dem Tode des l\1eisters wurde dieses Häuschen von den ge treuen Freunden als Museum eingerichtet, a ber dieser ersten Erinnerungsstätte war keine allzu lange Dauer beschieden . In den dreißiger Jahren unseres J ahrhund erts wurden die wertvol - len Gegenstände aus dem ersten Brahms-l\!Iuseum der Stadt Gmunden übertragen , und wenn auch im städtischen I\1useum immer noch nicht der endgültige R a um für dieses kostbar e Vermächtnis gefunden ist , so bleibt doch die 1 ) Nach Rei senbichl er „Aus Gmundens vergangenen Tagen" .

Links : Ausblick von der Villa Miller-Aid,hol z in Gmunden. Oben: Brahms' Kinderspielz eug nu s dem Stadtmus eum Grnunden. l/ nte11 : Di e Tot enmaske von Johann es Brahms. 7

Bemühung wach, Jo ha 1111cs Brahms' Andenken lchend ig zu erh a l ten. Es ist ein umfassend es E rbe, das da im BrahmsZ immer aufgebaut ist; di e Sammlung enthä lt so viele Gegenstände aus dem Leben des M eisters, da ß man das Empfinden hat, einer bebil derten Bi ographie gegenüberzustehen. Ein beneidenswe rter R eichtum a n Erinn erungen breitet sich vor d em Betrach ter a us; vom K inderspielzeug bis zu persön lichen E inri chtungsgegenständen feh lt nich ts . Vo r all em aber tut sich d ie menschliche Geschichte des großen l\l[usikers in e in er umfassenden Sammlung von Bi ldern und Photograph ien kund ; es ist eine faszinierende Sammlung, d ie nahez u keine E inzelhei t des großen Lebens unbeach tet läßt. \ i\l ir sehen den Meister selbst in den verschi edensten Situationen seines Lebens, wir lernen aber a uch den Kreis seine r Fam ili e und den g roßen seiner Zeitgenossen und Kü nstl erfreunde kenn en. Das gesamte H A~ TS STURMBERGER Leben , wi e es sich um J oha nn es Bra hms a bgespie lt hat , findet sich zusammengedrä ng t in dem Niuseumsz immcr des a lten Kammerhofes in Gm und en. Es war ein ern stes Leben, ein einsames Leben - und es war best immt ein eige na rtiges und eigenwilliges Leben. \,Vie solch e in Leben ein zig zu ve rstehen ist, zeigt vielleicht am besten e in \i\lort Niichcl angelos a ur: das Fram Grasberger seinem Brahms-Buch vorangeste ll t hat: ,,Die Kün st ler seien wund erli ch, sagt man , un zugä ng li ch, wäh rend sie doch in Wahrhe it nat ürl iche Menschen sind. N ur d ie Toren ha lten sie für phantastisch und la un enh aft und können mit ihnen ni cht fettig werden. J ene Müßiggänger sind im Unrecht, d ie von einem tätigen Künstler Kompli mente ve rl a ngen, wä hrend doch nur ganz wenigen Sterbli chen Zeit genug b leibt , um nu r zu vo ll enden , was ih res Amtes ist. " Anton von Spaun der Vater des Obcröstcrreichischen Land esmuseums i\ ls der a us dem S tifte St. F lori a n hervo rgegangene Histori ker J osef Chmc l um d ie Mitte des vorigen J ahrhunderts d en Plan faßte, ein en „Beitrag zur Geschichte des Landes ob der Enns im 10. J a hrhundc1·t" vorzügl ich im Hinbli ck a uf di e „Cu l tur- und Si ttengeschi chte" zu schreiben, d a wandte er sich in ein em Br ief an ein e Tochter Anton von Spaun s um Nach ri chten und Mittei lungen über dessen Jugendzeit. E r meinte in d iesem Brie!: Spau n sei e ine der ,, interessan teste n und st.offreichsten Gestal ten und Individualitäten in eiern g ro ßen Vorrathe von Personen und Verhä l tni ssen ", und was „der ed le Antonio .. . erl ebte, d ac hte, woJl te, strebte und bewirkte", schien ihm „so bedeutend und a nsprechend ", daß er ein „möglichst klares und rei ches Bi ld " vom geistigen Leben dieses Niann es gebe n wo ll te. Chmels Pl a n .vu rde nie verwirklicht, und wir besitzen da he r kein e Skizze über das Leben Spauns aus der Feder se ines F lo ri a ner Freund es . Doch ist Chmels Brief ein Zeugn is mehr dafür, wie sehr Anton von Spaun von seinen Zeitgenossen geschä tz t und geehrt wurde und wie man in ihm eine der r ep räsentativsten Gesta lten des La ndes ob der Enns sah , eine hervorragende Erscheinung der Geistigkeit un seres La nd es, voll Adel der See le und R einheit d es H erzens. H atte ni cht Adalbert Stifter Spaun a ls einen der Größte n und Edelsten d es La ndes bezeichnet und der Stattha lter A lois Fi scher ihn als d en „ersten Nia nn Oberösterreichs" gepri esen' Anton vo n Spaun ist di e k lassische Ges talt der Roma nti k in unserem Lande. Denn er ve rkörperte wie sel ten ein 8 Niensch in seinem VVescn, se in em Leben und sein em Wirken den Ge ist der R oma nt ik. In ihm schienen sich a ll e Ideen und Tendenzen des roma nt ischen Zeita lters wie in ei nem Brennspiegel zu treffen. Nu n ist Anton von Spaun in den J a hrzehnten der liberalist ischen Ze itepoche, man ka nn sagen, der Vergessenh eit anheimgefa ll en , j edoch in der Zeit um 1930 _gleichsam neu entd eck t worden. Das gescha h demn ac h, a ls d ie Roma ntik in späte n Ausst ra hlungen in ihren Epigonen wieder we itgehend wirksam war und einen vielleich t heute noch unLcrschä tzLen EinAuß a u[ d as geistige und po li tische Leben gewa nn. Der Schock, der dann diese r spät- od er, besser gesagt, neuroman Li schen Haltung fo lgte, ist abe r heute doch so weil überwund en , daß wir wieder di e Bed ei.ltung der echten R oma ntik der ers ten Häll'te des vor igen J a hrhunder ts unbefa ngen zu erkennen vermögen und auch ihr Gewicht für die Entwicklung de · ihr fo lgend en Säkulums ri chtig einschätzen können . \Nenn wir Anton von Spaun a ls d en Vate r des oberösterrcichi schcn La nd esmuseums bezeich nen, so ist hiemit nur eine Seile seiner \1Vi1·ksarn keit geke nn zeichnet. Di ese Wirksamkei t würde genügen, ihm hi er an diese r Stell e einen Eh renplatz einzu räumen, sie wü rd e aber keineswegs ausr eichen, ·eine Stell ung im geistigen Leben Oberöste1Teichs in der ers ten H äl f"te d es 19. J ahrh uncl erts richtig zu umschreiben ; denn er war K opf und Herz der R omant ik des Landes ob der Enns. D er äußere Verlau f sein es Lebens ist einfach zu ze ichn en . Spa 11n wurd e a m 3 1. Nia i J 700 im sogenannten Zehnkreuzerhaus auf dem H ofberg zu Linz

A nton Ritt er von Spnun , Portrii t von Leo pold Kup elw ieser 1858. Ons Kli schee s tell te f re1111rlli cherwe ise rln s Ob. Lnnrlesnrchiv z ur V erf iig 1111 g . a ls Sohn d es la nd stä ndi schen Syndikus F ranz Xave r Rillcr vo n Spaun geboren. In der Atmosphäre, wi e sie das höher e Beamten lum de r a lten Landstä nde pfl egte, wuchs er a uf; bes uch te das Gymnasium in Linz und erhi elt a uch seine Ausbildung a ls Jurist am Linze r Lyze um. Sein e berufli che La ufbahn i ·L fas l eine K opie des \!Veges, d en sein Va ter zurü ckge legt ha lle. So wie di eser früh er im staa lli chcn Ge richtsdienst a ls Landra t wirkte, so begann auch Anton von Spaun nach kurzer Praxis beim Müh lkreisarnt sein e Laurbahn bei den Landrech ten. Im J ahre 18 10 trat er dor l a ls Auskulla n t ein , machte norma le Karri ere und wurd e l823 Wirkli cher Landrat, ein e Ste llung, di e er bis 1839 inneha tle. Dama ls erhielt er auf sein Ansuchen di e S tell e ein es ständi schen Syndikus und stand sei t dieser Zeit bis zu sein em T od im J ahre 1849 an der Spitze der landständischen Verwa ltung. Er wa r damit so wie seinerzeit sein Va le r der höchste Beam te der La ndstände, denen er a ls Ange höriger de Ri t tersta nd es a uch a ls Mitg lied - seit 183 1 a ls Verordn eter - angehörte. Spa un heiratete im J ahre 18 18 H enriet te von Vog<"l sang . Aus di eser Ehe entsprossen drei T öchter und ein Sohn namens Ludwig . Das ist g leichsam das Gerü st des r eichen Lebens Spaun s. Der Roma ntiker Spa un wurzelt a lso im letz ten J a hrzehnt des 18. J a hrhund erts, und a n seiner ,!\li ege sta nd en noch Barock und Aufk lä rung. Noc h wa ren die barocken Stad tp lä tze 1md K loslcrburgen c.l cs Land es vom Leben und Geist di eser Zeil erfüll t und das illurnina le J ahrhundert de r Freimaurerei und der Fra nzösischen R evolution wa r Gegenwa rt. Spauns Vate r ge hö rte der Linzer St.-Joha nnisLoge d er Freimaurer a n, und dessen genia lischer Bruder, der a uch eine Zeitlang a ls Erzieher An tons rungierte, wa r ein aurgeklärter Geist und Freund der Französischen R evoluti on , der Jahre seines Lebens wegen seiner j a kobinischen Neig ungen in österreichi schen K erkern zubrachte . Aber von di ese n frühen Einwirkungen des schwindenden aufgeklä rten Zeitalters ist in Anton von Spaun W esen ni chts zu merken. Es sei denn , daß sich in seiner geistigen Entwicklung di e Aufk lärung als Ferment zu ein er inneren Abwehr auswirkte ; wi e ja di e ganze R omantik weitge hend a uf eine R eaktion gegen die Aufk lä rung und ihre kühl e Vernunftherrschaft zurückgeführt werd en kann . W ese ntlich stärker wurde er in seiner Jugend von den neuhumanistischen Strömungen er fa ßt, und während in spä teren J ahren dem Barockzeita lter nur seine Abneigung und Ve rachtung gehör te , ·war er der Antike ste ts zuti efst verbunden. Die L iebe zum kl assischen Altertum ha t sich stets mit seiner Vorliebe für das Mi ttel a lter harmonisch verknüpft, und wie für die Humanisten des 16. J a hrhunderts das Mittelalter sich als eine media aetas zwischen der Antike und d er hochgeschä tzten eigenen Zeit ungeliebt und ungeschä tz t einschob, so wa r für Spaun d as 11ittela lter die große, hohe Zeit, dem der Verfall des 16. und 17 . .Jahrhund erts fo lg te. Diese Hinncig ung zum Niillc la ll er wurd e gcfo rd crl· durch eifri ge Leklüre geschichtl icher V\l erke. Seine roman tische Liebe zur 9

Gesc hi chte regle a uch der alle Meister der obcrösterreichischen Landesgeschi chte Franz Kurz in St. Florian an , d er in dem jungen Spa un , d er mit seinen E ltern hä ufi g im nahen Stift weil te, d ie Liebe zur Heimat weckte. Die Franzosenkriege mögen diese Empfindungen gestärkt haben, d as eigene E rl eben der fremden Besa tzung, die vorübergehend e F lucht nach V\li en steigerten di e Wertschätzung der H eimat. U nd ein überall sich regendes Nationa lempfinden trug d azu bei, die Sehnsucht nach der Größe deutscher Vergangenheit, wie sie sich in der sagenhaften Zeit des a ltdeutschen K a isertums da rstellte, zu erwecken. A ls Jüng ling grü ndete Anton von Spaun einen dem nord - deutschen „Tugendbund " nachgebildeten „Freun dschaftsbund ", welchem Linzer und Kremsmünste rer Studenten a nge hörten und in idea listischer V\le i e das Ed le und Gute pfl ege n wo ll ten und sich zum Ziel gesetzt hatten, ,,deutsche Vaterland sliebe, gese tzli che Freiheit und gründli ches Forschen" zu fördern. Es ist bemerkenswert, daß in der Lektüre dieses Freundschaftsbundes O ss ian, H erd er, Schill er und Fichtes R eden a n die deutsche Nation eine Rolle sp ielen. Die „Beit räge für Jüng linge" , welche Spaun 1817 und 1818 herausgab , zeigen , wie stark hier das neuhuma ni stische Bildungsid eal im Geiste \ l\lilh elm von Humbold ts noch mi t romantischem Ideengu t rang, wie hier neben Cicero, Sallust und den Phönizierinnen des Euripides a l td eutsches Sagengut lebendig wird und neben einem humanistischen Preis der F reundschaft "fv1aximen und Sprüche H erd ers, Arndts , J ean Pau ls und Fichtes, Schillers und des iVlatth ias Claudius treten. Sym_bolhaft aber schein t es, d a ß di e „Beiträge" mit dem im romantischen Sinn von Spaun geschri ebenen Aufsatze „Der Fel ixtag" schli eßen, der vo ll Liebe zu a tur und La nd schaft eine \IVanderung im Sa lzkammergu t schildert. Symbolhaft ist dies d eswegen, we il d ie ganze späte re Entwicklung Spauns sich im Sinn e der romantischen Id eale voll zog und weil gerade diese r Spaunsch e „Freundschaftsbund " zur K eimzelle jenes großen „musischen Freundschaftsk reises" (Jungmair) wurde, dem neben den Brüdern Anton, J osef und iVIax Spaun unler a nderen J osef K enner, d er Dichter M aye rhofer und später iVIoritz von Schwind und Franz Schubert zugehörlen . Das Übergewicht der R omantik b lieb in Spauns Denken und \ i\l irken zei t seines Lebens bestimmend. VVas er schrieb un d was er ta t in den fo lgend en dreißig J ahren, spiegelt den Geist der Roma ntik. A llerdings war er in sein em ganzen außerberu fli chen \!Virken - in dem abe r schli eßlich sein e Bedeutung liegt - Dilettant. Aber er war Dilet ta nt im besten Sinne d es V\lortes, echter Liebhaber, der voll innerer Bindung und Leidenschaft sich den Dingen ·widmet; und viell eich t li egt gerade in diesem Dil et tantismus seine wirkliche Größe, da der R eich turn se iner Id een und die Vielfal t sein es Wirkens nich t a n die Enge rein fachli chen Wi ssens sti eß. Es waren nicht nur die Schwierigkeiten mit der Zensu r, die der junge Spa un mit sein en „Beitr·ägen für Jüng linge" ha tte, was ihn bewog, 15 J ahre hindurch ni chts zu ve röffent lichen. E r hatte a ls Krimin a lri chter des Stadt- und La ndrechtes sehr viel Arbeit und ächz te of"l über di e Last, di e ihm seine berufli che Tätigkeit verursach te. E r verbrachte auch - von seinen Freund en Schwind und iVIax Chezy a ngeregt - viel Zeit mit Ze ichn en und Ma len und sammelte, wie er in den „Erinn er ungs blä ttern " für seinen Sohn Ludwig erzähl t, viele „altdeutsche" Malereien und 10 Sch nitzwerke und sle ll le sie in ein em R a um seiner \!Voh - n ung auf. Im J a hre 1824· schrieb er leid er ni cht eri1a ltene „Be trachtungen über di e Kirchen des M i ttelr1lte rs und ihre inn ere Einrich tung mi t vorzügli cher Rü c h:sicht a uf d ie in Österrei ch ob der Enns befind li chen JJ .:: nkmäler christ l. Kunst". Wenn er für das gleiche J a hr nct ie1·t: „auch ge lang es mir, den Prä laten von St. F lo rian so sehr für die wen igen Überres te a ltd eutsche r KunsL zu interessieren, d a ß er den Anfang dazu mach te, sie sorgfältig zu sammeln und in ein igen eigens hiezu einge ri chteten Z immern zweckmäßig au fzustellen", so ze igt sich, daß dieses J a hr 182'1·, fast könnte man es sagen, ein Epochejahr für die \ ,Viederentd eckung d er Gotik un d für den Kunstd enkma lschutz in Oberösterreich war. Von dieser Zeit a n pries Spaun in manchen Essays d ie Kun st des Mittela lters. Er weckte im Land e das ri ch tige Verständn is für die go ti sche Kun st und war auch bestrebt, in kun st topographischer Art die vorhandenen D en kmale der rni ttela lte rli chen Kunst festzuha lten. Er childerte da her di e wenigen erhaltenen gotischen Al tä re im Lande und ze ichnete sie, wie etwa d en Pacher-A ltar von St. \l\1olfgang, den Alta r der Kirche zu Pesenbach und di e Scha unberger Grabmäler in der Stiftskirche von \ ,Vi lhering . Er ließ auch durch seinen Mita rbeite r Georg \ t\fe ißhäupel zahl reiche Kun stwe rke des Landes zeichnen. \1\Ter seinen A ufsatz über „Die Glasgemäld e des H errn Franz Pa usinge r" liest und di e Ergriffenheit nachempfindet, die Spaun beim Anbli ck des Inneren einer go tischen K irche erfüll te, der ve rsteh t sein aktives H andeln für die R ettung der gotischen Denkma le im La nde Oberöste rreich . U nd wenn da nn spä ter Ada lbert Stifter d en K eferma rkter A ltar rette te, so stand er g leichsam auf Spauns Schul tern, aus dessen \!\' erben für die a ltdeutsch e Kunst j ene Bewegung erwachse n war. Spaun gehö r t üb rige ns zu d en ersten Bewu1~derern des K efermarkter Altares, den e1· im J ahre l 83 7 in Farben zeichn en ließ. Di e mittela l ter li che Ku nst ga lt fü r Spaun a uch a ls Vo rbild für die Künst ler des 19. J ahrhunderts, und er wurde so auch zum Schöp fer d er Neugot ik in un serem La nd e. Gewiß , er propagierte kein e „Ne u-Got ik" , ja er verwa hr te sich dagegen und meinte: ,,Got t bewahre uns vor o berfl ächlicher Geislund gemütl oser Nachä ffun g, zu de r wir durcha us keine Anregung geben möchten. " Aber wenn er bei Betrachtung der Glasma lereien Pa usingers meinte, sie seien „ im a lten Styl" und „verehrungswü rdig ", so bege ister t ihn wo hl das \ 1\/i edererstehen der a i te n Kunst, di e er aber a ls beispielgebend für di e zeitge nössische betrachtete. Auch ind irekt durch di e starke Verurteilung der barocken Kunst - etwa in seinem g roß en Aufsatz über den österreichi schen Genealogen des 18. .J a hrhunderts J ohann Geo rg Adam von Hoheneck - befö rd erte er das Entstehen d er neugotischen Kunst in Oberösterrei ch. Spaun suchte a uch d ie zeitgenössische Kunst -· ich nenn e nur et,,va di e lV[a ler J osef Sutler, F ranz Xave r Bobleter, Leopold Kupe lwieser - zu un terstützen. A ls landständ ischer Syndikus hatte er ein g roßes künstlerisches Proj ek t fast bis zur R eife br ingen kön nen. \!Vä re es nach se inem Planen und sein em \,Vill en gega ngen , so hä l te iVIo ri tz vo n Schwind di e VVände des Ste in ern en Saa les im Linzcr La ndhaus mit Fresken aus der Gesc hi chte des La nd es bema lt, und a uf eiern Geo rgenberg bei E nns sti ·1ndc eine romanti sc he K a pell e mit Schwindsehen Fres koma lereien a ls D enkma l zur E ri nnerung an den Geo rgenberger Vertrag von 11 86. Aber zum großen

Ä rger Sehwinds , der schon E n twürfe ge li efert hat te, kam dieses große künstl erische Vorh a ben ni cht zur Ausführung. Es ist nur kon sequent gewesen, wenn Spaun nicht nur di e Kun st des :Mittela lters bewahren und erhalten woll te, son - d ern wenn er da rang ing, auch a ndere D enkma le der altdeutschen Vergangenheit zu sammeln und vor Verlust und U ntergang zu retten. Bei seinem Streben, ein en Geschi chtsverein zur Sammlung historischer Denkmale zu begründen , konnte Spa un a n einen Aufruf Franz Kurz' a nknüpfen, d er schon im J a hre 1808 zur Bildung einer Gesellscha ft für vater lä ndische Geschi chte a ufgerufen ha tte. Spa un überwa nd mit g rößter Zähigkeit bedeu tende Schwierigkeiten, di e sich seinem Vorha ben, einen V erein zur E rri chtung und Betreuung ein es Museums ins Leben zu rufen , in d en \Neg stell ten . Die Schwierigkeiten kamen vor a ll em von der meist landfremd en höh eren Bürokrati e. Hatte nicht d er aus Böhmen stammende Polizeidirektor Ada lbert Graff gemeint , Spaun würde sich lächer lich machen mi t seinem U ntern ehmen: ,, \t\Tas wird denn dieses kleine Ländchen Sehenswertes zusta nde bringen ?" Unter dem Einfluß des R egierungspräsidenten Gra fen Ugarte bezog Spaun d a nn a uch die Na turwissenscha ften in den v\lirkungs bereich d es zu g ründenden Museums ein , und am J 9. November 1833 genehmigte Kai ser Franz d en „Verein d es va terländischen Museums l'ür Öste r reich ob der Enns mit Inbegriff d es H erzogtums Salzburg" . Das „ 1 useum" war nun v\/irklichkei t geworden . \/Ver die ersten Beri ch te des neuen Vereines liest, sta unt über d as Leben, vo n dem diese r junge Verein erfü ll t war, und erkennt, wie aktuell dessen An liegen wa ren. Von a llen Seiten strömten dem jungen Museum di e Ga ben zu , Kunstgegenstände, mittela lterli che U rkunden, Obj ekte na turhistori schen Interesses. Spa uns Eingabe, mi t der er di e Gründung des Musea lve reines p roponi er te , ist ein kos tba res Dokumen t des Geistes , d er ihn selbst beseelte und d er di ese roma ntische Bewegung in un serem La nde erfüll te. D ie größte Leistung des Vereines für das :Museum wa r di e Samm lu ng der oberösterreichi schen U rkunden des Mittela lters, d eren Ab chriften zunächst in ein em Diploma ta r zusammengefaßt wurden. Dieses Dip lorna ta r bilde t d ie Grundlage für di e spä ter erfolg te H e rausga be des U rkundenbuch es d es La ndes ob der E nns, dessen erster Ba nd im Jahre 1852 - vo n J odok Stü .l z be treut - erschien . Spaun stand m it a n d er \!\liege di eses g roßen geschichtswissenscha ft lichen U n te rn ehmens d er oberösterreichischen Romantik. Er war es , d er m it Feuereifer da ra nging, die von Josef Chmel a usgehende Anregung in d ie T a t umzusetzen. Seine zah lreichen in St. F.lori a n noch erh a l tenen Briefe bezeugen seinen EinAuß, sein Mühen und seine Leidenscha ft. Er ste ll t a uch d en K on takt zu den deutschen Histor ikern H ein ri ch Pertz und J ohann Fried ri ch Böhmer her, welche schon 1843 den Oberöste rreichern Lacomb lets U rkund enbuch des 1iederrheins a ls I\/[uster für das oberösterreichische U rkundenbuch emp fa hlen . Das oberösterreichische Urkundenbuch wurd e der kl einere Bruder der g roßen deutschen „MONUMENT A GERMANIAE HISTORI CA " ; und das Land ob de r Enns ha tte somit einen gewi chtigen Anteil an der a nbrechenden großen Zeit d eutscher Geschich tswissenschaft. Spa uns g roßes Verdi enst ist es a uch , da ß di e genea - logische Samm lung H ohenecks, das Schl üsse lberger Archi v, erh al ten blieb. E r se tzte bei den Stä nd en den Anka uf diese r kostba ren Sammlung durch , die im Turm von Wildena u S pnun sch es Familienwapp en au s d er Ri tters tandsma trikel. Fot o : 00. Lan des archiv . lagerte und bereits - wi e Spa un in einem Brief a n Chmel schrieb - ,,von unberufenen M ä usen" benütz t wurde. Es ist für sein gan zes \Nirken bezeichnend , da ß er selbst sag te, er sehe diesen Anka uf d es a lten Archivs durch d ie Landstände a ls „einen Rüt tler, d er den Geist wecken soll" , a n. Auch d ie Li ebe zur deu tschen Sage entsprang d em Geist der Zeit. Spaun wa r sta rk ge tragen von d iesem Geist d er R oma ntik , a ber er formte auch selbst aktiv das Antlitz dieser Epoche mit. Sein e besond ere Vorliebe galt dem N ibelungenlied. Im Gegensatz zu L achmanns Liedertheorie wa r er d er Ansicht, daß di ese mittelalte r liche Dichtung di e einheitliche Schöpfung eines Dichters sei. Spa un ve rtrat d ie Auffass ung, da ß H einrich von Ofterdingen, den er a ls einen Sohn des La ndes ob der Enns erweisen vvo ll te, der Dichter des mittel - a lterli chen Epos gewesen ist. In einem Buch „H einrich von Ofterdinge n und das N ibelungen lied " ( 1840) und in verschiedenen Aufsätzen ve rfoch t Spa un seine Lehre, unkritisch in der M ethode, a ber vo ll Liebe zum Gegensta nd , a ls ein N[eiste r des Stil s und d er D a rsle ll ung . Acl a lhert Stifte r, der Spa un s geschich tlichen S tudien sehr viel für seinen „Wi - tiko" verd ankte , schrieb , Spa uns Da rstellungsweise reihe 11

ihn den ersten Nleistcrn an, sie sei „ rein, ede l, würdevoll , kl a r , Ai eßend, a us den Anscha uungen einer großen See le kommend und zu dem innersten H erzen sprechend" . „Nlir", sagt Stifter, ,, drangen seine Arbeiten ... mit der schönen Ruhe Herderscher Da rste llung ins Gemüt. " Diese Kenn zeichnung der Sprache und de~ Sti les Spauns trifft keineswegs nur für sein Nibelungenbuch zu, sondern für sein ganzes schri ftste ll erisches \!\/erk. Seit der Musealverein in seiner Zeitsch ri ft und seinen J ahresberi chten di e l\i[öglichkeit zur Publika tion bo t, kam Spauns Feder ni cht zur Ruhe. Mit zahl reichen kleineren und größeren Arbeiten, kunstgeschich tlichen, histori schen und li tera turgeschich tlichen Stud ien, be1,eicherte er di e Bl ätter des Vereines. Er schri eb aber auch im „Österreichischen Bürgerblatt" , im „Oberösterreichischen J ahrbuch für L iteratur um\ Land eskunde" und im „Album aus Österreich ob der Enns" und li eß auch selb tändi ge Schriften erschein en. Er behand el te ni cht nur a ll die anderen Heldensagen des l\i[ittela lters, die „R abenschl acht", ,,D ie K lage" (in Stifters Ver lag H eckenast 184-8 erschi enen), Kunst und Geschichte des Landes ob der Enns, er befaßte sich ganz im Sinne des Vo ,·entwurf für di e seinerze it durch Anton v on Spaull ge plante Freslcenausmnlung des Ste in ern en Saales im Landhau s Lin z. Foto: 00. Landesmuseum. 12 volksnahcn Denkens der R oma ntik a uch mi t der obe rös tcrreichi schen „Vo lks prache", er schrieb über obe rösterreichische Dichter des 16. J a hrhund erts, se tzte sich a ber a uch m it aktuellen Prob lemen , etwa in se inem Essay „Bet rachtungen über eini ge Folgen des Maschin enwesens" a useinander. Von großer Bed eutung ist seine Beschreibung des großen Volksfestes in Lin z im J a hre 1833, in welcher er oberösterreichische Vo lkslrach len , Volkslieder, Tänze und di e Munda rt des La nd es schilderte. Dieses Problem des Volkstums und seine E rh a ltung beschäftigten ihn sehr eingehend. So ha t a uf seine Anregung Nlax von Chezy in Aq uarellen die T rach ten des Salzkammerguts festgeha lten und der Salzburger J ohan n Fischbach Trachtenbilder aus dem Traun- , H ausru ck- und Innviertel gema lt. Spauns große So rge galt den in Oberöste rreich noch lebendigen Volkswe isen , er selbst sammelte - etwa wenn er in Traunki rchen den Sommer verbrachte - di ese Lieder und zeichn ete sie auf. Sei ne Töch te r, ,,di e oberösterreichi schen Nach tigall en " , sangen diese Volksli ed er in den Sa lons und erfreuten dami t di e Gäste des Spaunschen H auses. Franz Ste lzhamers leiser Spott begleitete sie, denn dem Franz von Piesenham mag d ies etwas gewoll t erschi enen sein. Abe r Stelzhamers verschmitz tes Lächeln ka nn Spaun s Wirken für die E rh a ltung des oberöstcrreichischen Volkslied es nich t schmä lern . Sei n A ufsatz übe r „D ie öster reichischen Volksweisen" ( 1843) vvurd e noch 50 J a hre später nachgedruckt , und sein Buch „D ie ös terreichischen Vo lksweisen in einer Auswa hl von Liede rn , Tänzen und al ten Meiodien" ( 1845) stell t die erste Volks liedersamm lu ng Öste rreichs da r. Spa un gehört zwe ife llos zu den Beg ründ ern der Volkskund e in Oberösterreich . Spaun versuchte sich a uch als Dichler. E r verfaßte ein humoristisches Gedi ch t in obe rösterreichi sc li er Mundar t ,,Elise in Traunkirchen" und eine länd li che Szene mit Gesang in drei Akten „Der Mo rgen im Gebirge" . Seine Dichtung war j edoch mehr Spie l im Sinne biedermeierli cher Lebensfreude, ni cht ernslcs Beginnen. Denn das Bi edermeier a ls Ausdruck einer Lebensha ltung ken nzeichn et weitge hend ·den All tag von Spauns Leben . Die Geselligkeit, d ie res igni erend e Freud e a n kleinen Dingen, a n der H ei terkeit hä uslicher Pfl ege von M usik , Dichtung und l\i[alerei gehört ebenso zum Bild der Persönlichkeit Spauns wie zum Bild der Zeit. Da ß Schuber t Ged ichte von Ange hörigen d es Spaunkreises, wie etwa Ottenwalds und K enn ers, ve rtonte, daß ma n im _H ause Spa un Li edera bende in Anwesenheit Schuberts feierte, mag d iesem geselligen Ge ist in ä hnli cher \t\/ eise en tsprungen sein , wie es Spie l und Spaß war, daß Schwind ein lustiges Epos zum Namenstag von Spauns Bruder Max mi t Bild ern ve rsah (,, Spixiade" ) . Auch d ie „Eos", ein geselliger Verein voll biede rmeier licher H eite rkeit und harml osen Spieles in Linz, zä hl te Spaun und einen große n Te il seines Freund eskrei ses zu Mitglied ern . Das Leben der Spaun -Famili e a uf d em La nde während der heißen J a hreszeit , im vertrauten Badeo r t Müh ll acken oder in Traunkirchen und Ebenzwe ier im H ause Clodi gehört wesentlich zu di esem Bild d es Bi edenneiers in Oberösterreich. Di e R evolu tion des J a hres 184-8 brachte einen Einb ruch in diese b iedermeierli chen Id yll e. Als M itglied der Land - stände, des Landtages und a ls höchste r Beamter der Stände war Spaun chon bisher, soweit es eben das Mettern ichsche Sys tem zuließ, dem politi schen Lehen sehr na hege rü ckt. Abe r der Ruf der Revolution schu f doch ein e ga nz neue

S ituation , und wir se hen nun den ständischen Syndikus mit ge radez u hektisc hem Eifer am öffentli ch en Leben tei lnehmen . Spa un war keineswegs ein R eaktionär; gewiß war er d en a lten Ständen innerlich verbunden , jedoch von einem sehr offenen K onse rvativismus beseelt. Er bezeichnete sich selbst a ls li beral und war es a uch, aber er war dies nich t im Sinne d es Schemas nach Rotteck-\'Velkers Staatslexikon. Er hatte a uch kein en Anteil a n d em im Zeichen der R omant ik erwecklen po li Lischen K atho li z ismus, war pol it isch eine durcha us iren ische Natur, und der politische Katholi zismus erinn er te ihn zu sehr an die von ihm ni cht geschätzte Gegenreformation. Sein politischer Konservativismus ,voll te das Alte mit dem Neuen organisch verbinden. Er wü nschte den Fortschritt auf der Bahn des Rechtes und im evolutionären Sinne. Darum erschauerte er zunäch st, a ls di e R evolution ausbrach , und tat seine Befürchtung, das nunmehr souveräne Volk werde seiner Aufgabe noch ni cht gewachsen sein, o ffen kund. Spaun war im Gei ste der deutschen R omantik stark von nationalem Denken erfü llt und begrüßte d ie Frankfurter Nationalversamm lu ng aus in nerstem Herzen. Er wendete sich a ber h eftig gegen einen Ausschluß der nichtdeu tschen Länder der Monarchie a us dem neuen Deutschland und verfocht diese Auffassung auch p ublizistisch. Im oberösterreichischen La ndtag des J ahres 1848 stand er in vorderster Front des politischen K amp fes . Er war sich der Tatsache bewuß t, daß das Ständetum veraltet wa r, und er trat selbst fü r die Abschaffung der Vorrechte der Geburt ein. Aber auch hier suchte er Kompromisse, und sein Entwurf einer neuen Provinzialverfassung für Oberösterreich , m i t stark berufsständischem E inschlag, war d en h efti gen Angriffen der Liberalen ausgesetz t. Der modernere Entwurf Wenzel Brunners drang gegen Spauns Tendenzen durch, und der Syndikus wurd e in klein li che politisch e Auseinandersetzungen ve rwi cke lt, denen er psychisch und ph ysisch nicht gewachsen wa r. Der Landtag von 1848 wurde daher die Bühne der Tragödie vo n Spauns Leben. Der Roma ntiker war der H ärte der W irk lic hkeit und der Häßlichkeit der politischen Auseinand ersetz ung ni cht gewachsen. Verbittert zog er sich zurü ck und such te Erholung auf dem Lande. Er soll te nicht mehr nach Linz zurü ckkehren: in Kremsmünster erlag er am 26. Juni 1849 einem a l ten Herz leiden. Stifter hat dama ls a n seine n Verleger H ec kenast geschrieben, seinem „ed len Freunde Spaun " sei das Herz gebrochen. Suchen wir Spauns Bedeutung für das Land ob der Enn s in wen igen \!\Torten zu umschreiben, so können wir sagen: er war ein großer Erwecker und Bewah rer. Darum ta t Moritz von Schwind rech t , als er in seinem E ntwurf für ein Denkmal Spauns das Land Oberösterreich selbst a n das Grab des toten Roma ntikers eilen und ihm den Kra nz des Dankes a uf das H a upt legen ließ - da rum hatte auch Adalber t Stifter recht, wen n er auf Spauns Grabma l di e einfa chen, abe r monumenta len \!\To rte setzen woll te: . .. Anton von Spa un , Staatsma nn , Forscher, Denker , JV[ensch . L i t e r at ur D ieser Sk izze d ienten a ls G rund lage vor a ll em di e Arbeit von .J osef /\ngsüsser , Anton Ritter von Spaun , J a hrbuch des oö. Musealvere ines 85 ( 1933 ), d ie Arbeite n Otto Jungma irs, Anton Ritter von Spaun, d er Begründer der o berös terre ichischen Volkskunde und Heimatpfl ege, in : Der Vo lksbote 45 ( 1934), Aus der ge istigen Bewegung d er R oma nt ik in Linz und Oberösterre ich , in : .Jahrbuch der Stadt Linz 1949, sowie dessen ha nd schrif"tli che im Landesarchi v vorhandene Spaun-Bibli ographi e . Von I. Z ibermayr , Di e Gründung des oberösterre ichi schen Musea lvcreines, in: Jahrbuch des oö. Musea lver eines 85 ( 1933). Hin - gewiesen sei a uch a ul· meine Spaun-Studi en:=Anlon von Spaun s Bri cl: wec hsel mit M oritz von Schwind , in: J ahrbuch d er Stadt L inz 19S2 , und Anton von Spaun und der Ge ist d es Barockzeita lters, .Ja hrbuch des Musealverc ines 1890 ( 1953) . fü r Spauns poli t ische S te ll ung vergleiche me in Buch: D er v\lcg zum Verfassungss taat (Ö ste rre ich-Arc hi v, W ien 1%2 ). 13

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