Oberösterreich, 12. Jahrgang, Heft 1/2, 1962

häuser des aufstrebenden Bürgertums in Wels oder Steyr zeigen, nicht allzuweit entfernt. Die Außenfronten gleichen manchmal einem monumentalisierten Bauernhof. Vielleicht trifft es zu, daß diese Schlösser infolge der ge= schichtlichen Entwicklung heute nur mehr als Torso ihrer einstigen Pracht und Planung angesehen werden müssen. Es ist auch kennzeichnend, daß die besterhaltenen Bauten dieser Zeit, wie das von Ludwig Weiss von W ü r t i n g da= selbst gebaute Schloß, oder Schloß Hartheim,ein Sitz der Aspan von Lichtenhag, schließlich Aisters = heim, der Sitz der Hohenfelder, am Rande und in nächster Nachbarschaft des Jörgerischen Machtbereiches er= baut worden sind. Sie alle, wie auch die wenigen erhaltenen Pollheimer Schlösser, gehören einer Entwicklung an, die jäh unterbrochen worden ist und daher in gewisser Beziehung ohne Nachfolge blieb. Als Zeugnisse ihrer Epoche, als Denk= mäler stolzen Herrentums im Bauernland werden sie immer dokumentarischen Wert haben. REISEANDENKEN SCHACHSPIELE Jnh.€ . OTTO PUCHTA Schloß Lichtenau bei Haslach Spätsommerliche Dämmerung verklärt die Landschaft an der Großen Mühl, scharf heben sich die Umrisse der Waldrücken und Hochebenen ab vom Himmel, leise streicht der „böhmische Wind" über Äcker und Fluren. Eine breite Straße führt westwärts bergan vom steinernen Markttor gegen das Grenzdorf St. Oswald. Wir kommen an jenem versinkenden Tag nach Lich tenau, dem alten Schloß der Weber herrschaften, das einstmals landtäflicher Gutsbesitz und wirtschaftliche Hochburg gewesen ist. Den stolzen Renaissancebau umschließen verschüt tete Wehrgräben und dichtes Nadelholz, welches nur südlich eine schmale Lich tung öffnet; er thront auf geschicht lichem Boden und trägt die Spuren einer bewegten Vergangenheit. Schloß Lich tenau wird erstmalig in einer Urkunde 1399 erwähnt. Es hat vordem einem ge wissen Sifrit Hugenberger gehört und wurde später ein Rosenbergisches Lehen, das Elisabeth Anhangerin und deren Sohn Hans Jörger innehatten. Die Hussitenstürme gingen 1427 darüber hinweg und in den Glaubenskämpfen des 16. Jahrhunderts war es lange Zeit ein Bollwerk evangelischer Christen. Am nahen Hollerberg lehrte und pre digte ein lutherischer Prädikant. Die Sippe der Jörger, namentlich Bernhard und Hilprant, verblieb fast ein Jahrhun dert hindurch Eigentümer von Lichtenau und Tollet, wenn sie auch nicht immer dort wohnte und Verwalter die Schlös ser bewirtschafteten. 1496 erbt Martin Oeder von Götzendorf, ein Schwieger sohn Bernhard Jörgers, das Schloßgut. Nach diesem finden wir die Hörleins oder Hörlesberger aus Friendorf als Burgherren in Lichtenau. Um 1626 er warb ein Dietmar Schifer von Dachs berg, dessen Ehefrau vom Hörleins berghof stammte, das Schloß. 1661 ver kauft eine Tochter des Siegmund Schifer das wesentlich vergrößerte Schloßgut an Johann Grafen Sprinzenstein, dessen Tochter Maria Gabriele 1728 sich mit dem Grafen Ignaz von Welsperg ver mählte. Dadurch wurde das tirolische Adelsgeschlecht Eigentümer von Lich tenau. 1831 kaufte der Haslacher Lei nen-Großhändler Georg Foelser vom Passauer Domherrn Philipp Grafen Welsperg Schloß Lichtenau; sein Sohn Laurenz Foelser, der seit 1863 auch Schloß Vichtenstein an der oberen Donau sein eigen nannte, starb am 5. April 1865 und hinterließ seinen drei Töchtern, Theresia, Maria und Anna, sowie seinem Sohne Gustav als Fabri kant das landtäfliche Gut, dessen wirt schaftliche Bedeutung der nahe Schwarzenbergsche Schwemmkanal noch maß geblich steigerte. Heute ist Schloß Lichtenau, das unter Kriegseinwirkung 1945 schwersten Brandschaden davon trug, Eigentum der Familie Vonwiller, Nachfahren der Foelser. Es beherrscht in einer Streusiedlung den ausgedehn ten Gutsweiler, dessen Gemeindegebiet bis über Hörleinsödt und St. Oswald an der tschechischen Staatsgrenze hinauf reicht. Meine Großmutter Maria Kern, geborene Foelser von Lichtenau, und ihre Geschwister, von denen ein jung verstorbener Bruder Gustav als nam hafter Lyriker seiner Zeit vermerkt zu werden verdient, waren bis 1871 im Besitz ihres elterlichen Erbes. Leider ist Schloß Lichtenau trotz aller baulichen Vorkehrungen und kostspieliger Stützungsmaßnahmen kaum mehr vor dem Verfall zu retten. Wir bewundern jetzt noch im Hauptgebäude einen prächtigen Stiegenaufgang aus dem Jahre 1605, wir bestaunen die gut er haltene Schloßkapelle mit ihren reich verzierten Stuckbändern und einem hölzernen Frontbogen-Kruzifix sowie künstlerischem Gitterwerk an den Fen stern. Im Vorhof überrascht uns ein Brunnen mit seinem schmiedeeisernen Gitter, im eigentlichen Schloßhof sind u. a. eine venezianische Zisterne, Säu lengänge und Loggien Zeugen einer ver sunkenen Herrlichkeit. Jedem Schritt auf diesem Boden folgt ein besinnliches Ge denken über die Vergänglichkeit aller Daseinswerte. — Im Betrachten des Schloßparkes, seines einst springenden Wassers und seiner verwitterten Bild säulen ist es Abend geworden. Nur im großen Meierhof nebenan rührt sich die Gegenwart mit einer betrieblichen Wirt schaft. Er gehörte um 1840 dem ersten Mühlviertler Reichstagsabgeordneten Matthias Brandl, einem erfolgreichen Mitkämpfer Hans Kudlichs in Kremsier um die Freiheit unserer Bauern. Eine Inschrift an der straßenseitigen Haus wand ehrt die Erinnerung an den be währten Zeitgenossen. Mir aber war zumute, als hätte mich die Großmutter selbst durch ihr Elternhaus geleitet. 41

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