Berghöhen und schwer zugänglich, erhielt sie einen eigenen Kultraum. Der Burgkaplan wurde vielfach auch zum Schreiber des Burgherrn und zum Lehrer seiner Kinder. Die Institution der Burgkapelle hängt auch innig mit dem germanischen Be= griff des Bigenkirchenwesens zusammen. Gerade dieses Kapi= tel der Kirchengeschichte ist leider für den oberösterreichischen Raum noch nicht untersucht worden. Die Kenntnis der Besiedlungsgeschichte des unteren Mühl= vierteis vermittelt manchen Einblick in die Zusammenhänge Kirche — Besiedlung — Burg. Als die Roder von der Donau in den Nordwald eindrangen, wurden sie von Rodungs= geschlechtern angeführt, die im Dienste der Kirche, besonders der Bistümer Passau und Regensburg, und verschiedener Klö= ster wie St. Florian standen. Die Burgen dieser Ministerialen sind heute zum größten Teil verschwunden, aus ihren Burg= kapeilen haben sich jedoch häufig die späteren Pfarrkirchen entwickelt. Jede dieser frühen Befestigungsanlagen wird aller= dings keine Kapelle besessen haben; sie wurden oft Mittel= punkt eines Gemeinwesens, und es könnte somit auch sein, daß außerhalb gelegene Kulträume als Burgkapellen dienten. Die Forschungslage erlaubt es jedenfalls heute noch nicht, für jeden Fall eine konkrete Antwort zu geben. Als vornehmstes Beispiel der Umwandlung eines Burgplatzes in eine Kultstätte ist wohl die Gründung des Klosters Säbnich= Waldhausen zu nennen, das Otto von Machland in einer sei= ner Burgen stiftete. Die Zisterzienser von Baumgartenberg dagegen verwendeten von Anfang an nicht eine Burg Ottos, die er ihnen gestiftet hatte, sondern siedelten in der Ebene am Fuße des Burgberges. Burgkapellen, aus denen bereits im hohen Mittelalter Pfarrkirchen hervorgegangen sind, wären auf den Plätzen von Rodungsburgen in Perg, Pergkirchen, Altenburg, Altenberg, Arbing, St. Thomas am Blasenstein usw. zu vermuten. Dadurch wäre aber auch eine Linie der ersten Rodungswelle angegeben. Das romanische Mauerwerk im Kerne dieser Kirchen dürfte jedoch nur in Arbing und St. Thomas Teile dieser Burgen beinhalten. Eine grabungs= technische Untersuchung des Burggeländes — besonders in Altenburg — könnte hier grundsätzliche Erkenntnisse liefern. Für die erste Phase der Besiedlung des unteren Mühlviertels kann also die Burganlage nur analog anderer gleichartiger Forschungslandschaften erschlossen werden. Das Vorhanden^ sein einer Burgkapelle wird rückgeschlossen aus dem altertüm= liehen Patrozinium einer jetzt bestehenden Pfarrkirche. Aber auch die Burggründungen der zweiten Rodungswelle sind heute nicht mehr erhalten. Mit Sicherheit ist das Mauers werk dieser Anlagen nicht früher als in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgeführt worden. Das beginnende 14. Jahrhundert erbaute Pürnstein, Prandegg, Reichenau, Riedegg, Ruttenstein und Glam und in der zweiten Hälfte die späteste Burg des Mühlviertels, Freistadt. In allen diesen An= lagen sind nicht nur die Kapellen, sondern auch andere Räume und damit auch der Gesamtbau durch Bauglieder datierbar. Wie die Untersuchung zeigen wird, gehören dem 14. Jahr= hundert einfache rechteckige und kreuzrippengewölbte Räume an; das 15. Jahrhundert lehnt sich in der baulichen Gestaltung der Burgkapellen an die allgemeine kirchliche Architektur klei= ner Dorf= und Stadtkirchen an. Die älteste erhaltene Burgkapelle ist wahrscheinlich im Palas der 1149 zuerst genannten Burg Clam zu suchen. Im vierten Geschoß des Wohnturmes liegt ein rechteckiger, geosteter Raum, der an der Ostwand eine Wandnische besitzt. Gedeckt ist er heute mit einer rohen Balkendecke; sicher war er nie gewölbt. Die Osthälfte ist mit bemerkenswerten Fresken be= malt, die um 1380 bis 1390 entstanden sind und stark von der gleichzeitigen böhmischen Malerei beeinflußt wurden. Der Zyklus zeigt über einem hohen bemalten Sockel mit Blatt= ranken und eingestreuten Tieren Darstellungen aus der Heils= geschichte und dazwischen eine Reihe einzelner Heiliger. Die Wandmalereien sind aber nicht in einen neuen, sondern in einen umadaptierten Raum geschaffen worden, wie verschie= dene Hinweise ergeben. Auch die Wandnische, die Ursprünge lieh den Altar aufgenommen haben dürfte, ist älter als der Freskenschmuck. Deswegen ist es möglich, zu schließen, daß diese Kapelle noch im 13. Jahrhundert erbaut wurde, wenn auch nur dürftige Hinweise der Mauertechnik dafür zeugen. Den Burgkapellen des 14. Jahrhunderts ist die gleiche einfache Grundform zugrunde gelegt, die auch in anderen Landschaften des deutschen Raumes bekannt ist. Es treten in diesem Zeit= räum, der als eine Art Übergangszeit für die diesbezügliche Architektur angesehen wird, Vereinfachungen auf, die in der profanen Baukunst ihre Wurzeln zu haben scheinen. Der Grundriß ist ein Rechteck, eine Wandgliederung durch Dienste fehlt, alle Gewölbe ruhen auf Konsolen. Lanzettähnliche, schlanke Fenster beleuchten den Raum. Dieser wird aber nicht nach einem bestimmten Canon angelegt, sondern man schnei= det in die freien Wände, wo Höfe oder unverbaute Seiten dies gestatten, Fenster ein. Das Gewölbe ist zweijochig; das westliche Joch besteht aus einem annähernd quadratischen Gewölbeteil mit einem einfachen Kreuzrippengewölbe. Das Joch über dem Altar hingegen zeigt Rippenanordnungen wie bei einem ^/8=Schluß eines Chores einer gleichzeitigen Dorf= kirche, d. h., daß das Quadrat oder Rechteck in seinem größe= ren westlichen Teil mit einem Kreuzrippengewölbe geschlos= sen ist; vom Kreuzungspunkt gehen überdies noch zwei Rip= pen aus, die die Ostwand in einen größeren Mittelteil (oft mit einem größeren Fenster) und in zwei kleinere Seitenteile (mit zwei kleineren Fenstern) zerlegen. Die Zwickel in den Ecken werden dann durch eine Querrippe abgetrennt, von deren Mitte eine Rippe in die Kante des Raumes läuft. Durch diese Anordnung der Rippen und der Fenster entsteht die Illusion eines Raumes, der mit fünf Seiten eines Achteckes geschlos= sen ist. Dieser Eindruck ist im Hauptchor der Kaplaneikirche St. Laurenz in Lorch in höchster technischer Ausbildung er= reicht. Um vierzehnhundert zeigt uns diese Formen die Nord= kapeile der Kirche in St. Thomas am Blasenstein. Lorch wurde im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts errichtet, der gerade geschlossene Chor hat aber, wie die laufenden Ausgrabungen ergeben haben, mit den einfachen Räumen der Burgkapellen keine genetischen Zusammenhänge. Es werden nur die glei= chen Prinzipien zur Andeutung eines "/s^Schlusses über einem rechteckigen Grundriß verwendet. Diese Form dürfte aus dem Profanbau des Bürgerhauses kommen, in welchem außer Ka= pellen auch andere Räume mit Kreuzrippengewölben geschlos= sen waren. Die Burgkapelle der Ruine Reichenstein ist das älteste Werk dieser Reihe und stammt nach Aussage der Bauteile aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Der jetzige Raumeindruck leidet durch die außergewöhnliche Steilheit, denn der Fuß= boden wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts um zirka ein= einhalb Meter gesenkt. Trotzdem ist diese Steilheit ein Stil= merkmal des 14. Jahrhunderts, besonders seiner ersten Hälfte. Die dünnen Rippen sitzen nicht auf Konsolen, sondern biegen, in weichen Rundungen abgefaßt, in die Wand. Die Fenster, besonders die Seitenfenster (von denen das rechte noch ein 20
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2